COLUMBIA LIBRARIES OFFSITE
HEALTH SCIENCES STANDARD
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Verlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN
Lehmann's medic. Handatlanten
uebst kurzgefassten Lehrbiichern.
Bisher erschienen :
Bd. I.
Bd. II.
Bd. III.
Bd. IV.
Bd.
Bd. VI.
Bd. VII.
Hd. VIII.
z.
Columbia Winibtxsiit^
in tJje Citp of J^eto gorfe
College of ^ftpgiciang anb ^urgeonsi
B^eference ^itirarp
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moscopischen Diagnostik. Mit 102 furbigeu Abbild-
ungen. Herausgegeben von Prof. Dr. O. Haab in
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Atlas und Grundriss der traumatischen Fracturen und
Luxationen. Von Prof. Dr. H. Helferich in Greifs-
wald. Mit 166 farbigen Bildern nach Originalzeich-
nungen von Dr. Trumpp. Preis eleg. geb. it. 8.—
Verlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Lehmann's medic. Handatlanten
nebst kurzg^efassten Lehrbiichern.
Bd. IX. Atlas des gesunden und kranken Nervensystems uebst
Abriss derAuatomie, Piitbologie uud Tberapie desselbeu.
Mit zablreichen uaturgetrenen Abbildungeu von Serien-
schnitten zurDarstelluug des Faserverlaufes, ycbematen
uud Pbotographieu aller wiebtigeii Krankbeitsprocesse.
Von Dr. Cbr. Jacob, s. Z. I. Assisteut der med.
Klinik in Eiiangeu. Mit einer Vorrede von Prof. Dr.
A. V. Striimpell. Preis M. 10. —
In Vorbereitung befinden sich:
Bd. X. Atlas und Grundriss der Bacteriologie und bacteriolog.
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getuhrten Origiualbilderu. Von Prof. Dr. K. B. Leb-
maun iu Wiirzburg;^ und Dr. L. Neumann.
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docent Dr. A. Hoffa in Wiirzburg. In circa 100 Ab-
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120 farbigenTafeln, Von Prof. Dr. Bollinger. 2 Bde.
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Bd. XVI. Atlas der Kehlkopfkrankheiten. In 40 farbig. Tafelu.
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Bd. XVII. Atlas und Grundriss der gerichtlichen Medicin. In circa
50 Abbildungen. Preis eleg. geb. circa M. .8 —
Bd. XVIII. Atlas und Grundriss der Anatomie. In 100 farbigen
Tafeln. Preis eleg. geb. circa M. 10.—
Verlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
Bericht iiber die Yerhandlungen des Vereins der deutschen Irreaarzte:
I. Psychiatrie und Seelsorge. Mit Beriicksichtigung des in der Roa-
ferenz des Verbaudes deutscher evangelischer Irreaseelsorger voa
den Pastoron v. Bo del so h win gh, Hafnei- undKnodt ver-
tretenen Standpunktes. Von Sicmens-Lauenbiirg i. P. und Zinn
senior in Eberswalde.
II. Zur Reform des Irrenwesens in Preussen und des Yerfahrens
in Entiniiadigungssacheu wegen Geisteskrankheit Von Zinn
senior in Eberswalde und Pel maun in Bonn. 1893. 8°. 115 S
M. 2.—
Fleck, Otto, Zur Aetiologie der spontanen Hirnblutung. 8" 43 Seiten
1894. A I.—
Grashey, H., Experimentelle Beitrage zur Lehre von der Blut-Circu
lation in der Schadel-Riickgratshohle. 75 Seiton m. 35 Abb. Fol
1892. Broschirt. A IG.~
Heiden, H., Ueber Heterotopien im Riickenmark. 8^. 26 S. 1894. A I.—
Hoesslin, R. v., Ueber die Behandlung chroniseher Riickenmarks
krankheiten und die Yorteile localer Kaltereize bei denselben
23 Seiten. 8^. 1892. M. I.—
Jesioneic, Albert, Casuistischer Beitrag zur Lehre vom Fungus durae
matiis. S\ 26 Seiten und 1 Tafel. 1894. M. I.—
Kuithan , H., Die Entwicklung des Kleiuhirns bei Saugethieren. S^
40 Seiten mit 24 Abbildungen. 1895. A. 1.60
Loewenfeld, L. , Die objectiven Zeichen der Neiu'astlienie. 53 S
80. 1892. A 1.60
Moebius, P. J., Ueber infantilen Kernschwund. 34 S. 8°. 1892. A I.—
Ringier, G., Erfolge des therapeutischen Hypnotismus in der Land-
praxis. Mit einem Vorwort von Aug. For el. gr. S^. 216 S
1891. Broschirt A 5.—. gebunden A 6 —
von Schrenck-Notzing, Ueber Suggestion und suggestive Zustande
80. 40 Seiton. 1893. A I.—
Snell, 0., Hexenprocesse und Geistesstorung. Psychiatrische Unter-
suchungen. 1.30 Seiten. S\ 1891. Broschirt A 4.—
StriJmpell , Ad , Ueber Wesen und Behandlung der tabes dor-^alis
22 Seiten. 8". 1890. Broschirt A —.60
ATLAS
DES
GESUNDEN UND KRANKEN
NERVENSYSTEMS
NEBST
GRUNDRISS
DER
ANATOMIE, PATHOLOGIE UND THERAPIE
DESSELBEN
VON
DR. CHRISTFRIED JAKOB
PRACT. ARZT IN BAMBERG
S. Z. I. ASSISTENT DER .AIEDICINISCHEN KLINIK IN ERLANGEN.
MIT EINEM VORWORT
VON
PROF. DR. AD. V. STRUMPELL
DIREKTOR DER MEDICIN. KLINIK IN ERLANGEN.
MIT LITHOGRAPHIEN UND HOLZSCHNITTEN NACH ORIGINALZEICHNUNGEN
UND PHOTOGRAPHIEN VOM VERFASSER.
MUNOHEN 1895.
VERLAG VON J. F. LEHMANN
VERTRERUNG FUR DIE SCHWEIZ : E. SPEIDEL IN ZURICH.
Das Recht der Uebersetzune bleibt vorbehalten.
^'V^ O^^^ILl-v^^ lK ^fy^jLju^.^i^A^.^'^
Satz und Druck von Dr. C. Wolf & Sohn, Universitats-Buchdruckerei. Miinchen.
Lithographien von F. Reichhold. Miinchen.
Holzschnitte von Max Toller in Leipzig.
Fapier von O. Heck in Miinchen.
Einbande von I,. Beer in Munchen.
V r w r t.
Herr Dr. Jakob hat sich wahrend der Zeit
seiner Assistententhatipfkeit an der hiesisren niedi-
cinischen Klinik in eingehendster Weise mit der
normalen und pathologischen Anatomie des Nerven-
systems beschaftigt. Durch eine von ihm nach den
besten Untersuchunp-smethoden mit sfrosser SorP"falt
liergestellte umfangreiche Sammlung histologischer
Praparate und unterstiitzt von einem hiibschen
Talent zum Zeichnen, war er in der Lage, den
vorliegenden Atlas zum grossten Teil nach eigenen
Praparaten und Zeichnungen herstellen zu lassen.
Jeder unbefangene Beurteiler wird, wie ich glaube,
gleich mir den Eindruck gewinnen, dass die Ab-
bildungen Alles leisten, was man von ihnen erwarten
darf. Sie geben die thatsachHchen Verhaltnisse in
deutHcher und anschaulicher Weise wieder und be-
riicksichtigen in grosser Vollstandigkeit fast alle die
zahlreichen und wichtigen Ergebnisse, zu denen das
Studium des Nervensystems in den letzten Jahr-
zehnten geftihrt hat. Dem Studierenden, so wie dem
mit diesem Zweige der medicinischen Wissenschaft
IV
noch nicht naher vertrauten praktischen Arzt ist
somit die Gelegenheit geboten, sich mit Hiilfe des
vorliegenden Atlasses verhaltnismassig leicht ein
klares Bild von dem jetzigen Standpunkte der ge-
samten Neurologic zu machen. Die innige \^er*
einigung zwischen der klinischen Pathologic einer-
seits und der normalen und pathologischen Ana-
tomic andererseits tritt kaum auf cinem andcren Ge-
bicte so dcutlich und ununterbrochen hervor, wic
in der Neuropathologie. Die einheitlichc Verarbeit-
ung der normal-anatomischen und der pathologischen
Thatsachen im Vcrcin mit den ausgiebigen nicht
schematisicrtcn und doch ubcrsichtlichen bildlichen
Darstcllungen wird daher sicher von grosstem didak-
tischen Nutzen scin.
Von Herzen wiinschc ich dem Werkc, dessen
Verfasser und \"erlcger mit grosstem Flciss etwas
wirklich Gutes und Brauchbarcs zu schaffen be-
miiht waren^ den verdicnten Erfolg.
Erlangen, Juni 1895.
Dr. StriimpelL
Vorwort des Verfassers.
In dem vorliegenden IX. Bande der I^eli-
111 a n 11 ' schen A 1 1 a n t e n liabe ich den Versuch
gemsicht, einem wichtig'en Kapitel der Medizin,
das zugestandermassen der Melirzahl der Studie-
renden und Aerzte von alien Disziplinen am meisten
in seinem Wesen frernd und ungeniessbar bleibt,
diesen bedauerlichen Horror zu nehmen und es dem
arztlichen Vorstellungskreise dadurch nillier zu
bringen , dass ich die eigenartige normale und
pathologische Anatomie desselben in verstandliclier
Form darzustellen mich bemiihte.
Meine Absicht war die, den Studierenden das
Verstandnis fiir die in der Klinik gesehenen Kranken-
bilder und die ihnen zu Grunde liegenden Prozesse
zu erleichtern und dem praktisclien Arzte, welcher
der modernen Entwicklung der Neurologie natur-
gemass ferner gestanden, die Orientlerung iiber die
Bedeutung der wiclitigsten neu gefundenen That-
saclien zu ermoglichen.
Zu diesem Zwecke habe ich von der bild-
lichen Darstellung den ausgiebigsten Gebrauch ge-
macht und im Texte alles hiefiir unnotige (Insbes.
histiologische) Detail moglichst in den Hintergrund
geriickt.
YI
Der bildliche Teil bietet im wesentlichen die
Thatsachen so. wie sie sich in Wirklichkeit zeigen,
ohne Schematisirung. Die Darstellung gefarbter
Praparate war unerlasslich, doch sind audi frische,
ungefarbte beniitzt worden. Die eigene Unter-
suchung am frischen Gehirn kann durch k e i n e
bildliche (sei es audi photograpliisdie) Darstellung
ersetzt werden.
Die Reproduktion in Lithographie und Holz-
schnitt ist von hervorragenden Kraften unter meiner
steten Controlle ausgeftihrt worden.
Die Grundlage der Abbildungen bildet die
Praparatsammlung , die ich wahrend meiner mehr-
jahrigen Assistententhatigkeit an der medicinisdien
Klinik in Erlangen aus deren reidihaltigem Mate-
rial anleofen konnte.
Idi bin meinem friiheren liodiverehrten Chef^
Herrn Professor Dr. von Striimpell, fiir die
Liberalitat, mit der er mir stets alles Erforderlidie
zur \erfugung stellte, fiir die liebenswiirdige Unter-
stiitzung, die er mir in alien Fragen jederzeit an-
gedeihen liess^ zu grossem Danke verpfliditet und
moclite demselben audi an dieser Stelle Ausdruck
verleihen. —
Xur noch ein paar Worte iiber das Studium
des biidlidien Teiles !
Bei der naturgemassen Besdiriinkung des Text-
Abschnittes war es unmoo-lich , den Reichtum der
Thatsachen, der aus den gebotenen Abbildungen
zu ersehen ist, audi detailliert zu beschreiben. Die
Bilder bieten sonacli ganz bedeutend mehr Stoff,
als in der Erklarung, die sich auf das Wesentliche
MI
beschrankt, hervorgehoben werden konnte. Ich er-
achte dies indess eher fur einen A^orteil des Bandes.
Ich hoffe . dass hiedurch das eip^ene einp-ehende
Studium der Bilder angeregt wird und so die Bildung
eines selbstandig erreichten Urteils den hochsten
Genuss ermoglicht , den uns unsre Wissenschaft
bieten kann. Das dargebotene Material scheint
mir in gewissem Grade dazu ausreichend zu sein.
Bamberg-, im Sommer 1895.
Christfr. Jakob.
i
Verzeichnis der Tafelabbildungen (Angabe der
Vergrosserung, Farbung, Herkunft etc. der
Praparate).
I. Morphologie des Centralnervensystems.
Taf. I. Gehirn in situ von oben nach Enternung des kno-
chernenSchadeldaches. Die einzelnenoberenSchichten
umzuklappen.
Schematisierte Originalzeichnung in -/s natiirl. Grosse mit Zu-
grundelegung einer Abbildung von Oestreicher.
,, 2. Horizontaler Grosshirndurchschnitt in Balkenholie
nach Entfernung des Balkens. Der Fornix um-
zuklappen.
Originalzeichnung in -/s nat. Grosse nach einem frischen Gehirn
,, 3, Gehirnhorizontal-Durchschnitt nach Freilegung des
III. Ventrikels. Rechts die centralen Ganghen ober-
flachhch horizontal durchschnitten.
Originalzeichnung in -Is nat. Grosse nach einem frischen Gehirn.
„ 4. Gehirnhorizontaldurchschnitt durch die Centralgang-
lien (links ein hoherer, rechts ein tiefer gelegter
Schnitt). Das Cerebellum umklappbar.
Originalzeichnung in -/s nat. Grosse nach einem frischen Gehirn.
„ 5. Gehirnbasis mit Nerven und Blutgetassen.
Originalzeichnung in -/a nat. Grosse nach einem frischen Gehirn.
„ 6. Fig. I. Grosshirnbasis nach abgelostem Hirnstamm
und Kleinhirn.
Schematisierte Originalzeichnung mit Zugrundelegung
einer Abbildung von Eberstaller.
„ 2. Uebersicht iiber die Projectionsbahnen.
Schematische Originalzeichnung.
,, 7. Vier Frontalschnitte durch ein Hundegehirn
Fig. 1. Durch Stirnlappen, Fig. 2. durch Thalam.
opticus, Fig. 3 durch Hii'nschenkel , Fig. 4 durch
Occipitallappen.
Originalphotographien nach frischen Durchschnitten.
,, 8- 3 Frontalschnitte durch den Hirnstamm vomMenschen.
Fig. 1. Schnitt durch die Mitte des III. Ventrikels,
,, 2, Schnitt durch die corp. candicantia.
,, 3. Schnitt durch das hintere Ende des III. Yen-
trikels.
3 Originalphotographien nach Praparaten, natiirl. Grosse.
X
Taf. 9, 10 Frontalschnitte durch Hirnstamm, Parallelquer-
schnitte durch Medulla oblong, und Riickenmark.
P'ig. I vord. Vierhiigel.
,, 2 jSIitte der Briicke,
,, 3 Mitte der Rautengrube,
,, 4 Schnitt hinter 3,
„ 5 hinteres Ende der Rautengrube,
,, 6 Medull. oblong, hinter der Rautengrube,
,, 7 Pyramidenkreuzung,
,, 8 Halsmarkquerschnitt,
,, 9 Brustmarkquerschnitt,
„ 10 Lendenmaiksquerschnitt.
Originalphotographien nach eignen Praparaten nat. Grosse.
,, 10. Riickenmarksquerschnitte in situ.
Fig. I Halsmark eines Kindes ini Wirbelkanal
mit seinen Wurzeln.
Originalphotographie nach eignem Praparat bei
2V2 facher Vergrosserung. Markscheidenfarbung.
,, 2 Lendenmark vom Neugebornen in seinen
Hauten.
Originalphotographie nach Praparat bei 10 facher
Vergrosserung.
2. Entwicklung und Bau des Nervensystems.
Taf. II. Embryonale Organanlage.
Fig. I Duichschn. durch die Medullarrinne (Schema).
,, 2 Durchschnitt durchs Medullarrohr,
,, 3 Riickenmarksdurchschnitt vom 2. Monat
( Carminfarbung).
,, 4 Ruckenmarksdurchschnitt vom 8. Monat
(Markscheidenfarbung).
,, 5 Peripher. Nerv vom Neugebornen (Mark-
scheidenfarbung).
Originalzeichnungen (Fig. i mit Beniitzung einer Abbildung
von Mcrkel, Fig. 2 einer von His) nach eigenen Praparaten.
,, 12. Embryonale Gehirnentwicklung.
Fig. I Gehirn-Ruckenmark vom 3. Monat.
y, 2 Gehirnbasis (4. Monat).
„ 3 Mediane Flache des Gehirns. (4. Monat).
„ 4 Aussenfljiche der Grosshirnhemisphare
(5. Monat.)
Originalzeichnungen in natiirlicher Grosse.
„ 13. Aufbau der Neuren.
Fig. I Pyramidenzelle (Metallimpragnation nach
Golgi).
„ 2 Vorderhornzelle(ebenso).Beidebei yoofach.
N'ergrosserung.
„ 3 Schema des Aufbaues wichtiger Bahnen
und ihrer Verbindungen.
Originalzeichnungen.
XI
Tat". 14. Ganglienzellen.
pjo-. la— d Originalzeichnungen nach Praparaten
mit Nissrscher Farbung. (400 fch. Vergr.).
2 Purkinje'sche Zelle (nach Cajal behandelt),
Originalphotographie (25ofach. Vergrosserung).
15. Hirnrinde.
Fig. I Rinde vom Stirnlappen,
2 Rinde vom Hinterhauptlappen.
Originalzeichnung mit Zugrundelegung einer Abbildung
von Edinger). Links Methj-lenblaufarbung , rechts
Markscheidenfarbung.
16. Hirnrinde iind Hirnhiiute.
Fig. I Schema der Hirnhaute,
,, 2 Plex. chorioid. (150fach. Vergrosserung,
Carmintiirbung^
3 Photograph, einer Grosshirnrindenwindung
(Markscheidenfarbung, (5ofach. Vergross.',
,, 4 Kleinhirnrinde fcombinierte Markscheiden-
farbung und Methylenblaufarbung, 60fach.
Vergrosserung .
Originalzeichnungen nach eigenen Praparaten.
,, 17. Hirnwindungen.
Fig. I u. 2 schemat. Darstellung der Windungen
an der ausseren und medianen Gehirn-
hemispharenflache.
Originalzeichnung.
„ 3 Die Rindencentren und ihre Lage in der
Schjidelhohle.
Originalzeichnung mit Zugrundelegung einer Figur
von Yierordt.
18. Fig. I Die Lage der motor, und sensibl. Kerne
im Hirnstamm und Medulla.
Schematische Originalzeichnung.
„ 2 a— d, Xervenfasern auf Langs- und Quer-
schnitten.
,, a, b Markscheidenfarbung, c frisch isoliert.
d Nigrosinfarbung,
., 19. Seitenansicht der Med. obi. mit Einzeichnung der
Gehirnnervenkerne.
Schematische Originalzeichnung mit Zugrundelegung
einer Darstellung von Edinger.
,, 20. Die Kernlager der motorischen peripherischen
Neuren.
Fig. I Schnitt durch den Hjpoglossuskern.
„ 2 Schnitt durchs Vorderhorn des Halsmarks.
Originalzeichnungen nach (combin.) Praparaten mit
Markscheiden- und Carminfarbung. (36ofach. Vergr.)
„ 21. Fig. I Querschnitt durch die weisse Marksub-
stanz des Riickenmarks (Seitenstrang).
XII
Taf. 21. Fig. 2 Schnitt durch ein Spinalganglion,
,, 3 Schnitt durch einen peripherischenNerven.
Originalzeichniingen, Fig. i Carminfarbung, Fig. 2
Markscheiden-Canninfarbung, Fig. 3 Nigrosinfarbung
(36ofach. Vergrosserung).
,, 22. ,, I Schematische Zusammensetzung des Hals-
und Lendenmarkquerschnittes.
,, 2 Centralkanal vom Lendenmark (Mark-
scheidenfarbungi.
Originalzeichnungen Fig. 2 isofach. Vergrosserung.
3. Topographische Anatomie des Nervensystems, Serienschnitte,
Schemata.
Taf. 23. Die Verteilung der Gehirn- und Riickenmarks-
nerven,
Originalzeichnunq^ mit teilweiser Beniitzung einer Ab-
bildung von Gowers.
,, 24. Fig. I Frontalschnitt durch Balkenknie und vor-
deren Abschnitt des Stirnlappens.
,, 2 ?"rontalschnitt durch den Kopf des nucleus
caudatus.
Diese und alle folgenden Originalzeichnungen nach
Praparaten mit Markscheidenfarbung. (Natiirliche
Grosse).
,, 25. Fig. I Frontalschnitt in der Mitte des septum
pellucidum.
,, 2 Schnitt durch die vordere Commissur.
,. 26. ,, I f^rontalschnitt hinter der vorderen Com-
missur.
,, 2 Schnitt durch das Knie der inneren
Kapsel.
Schnitt diHxh die mittlere Commissur.
Schnitt durch die Centralwindungen.
Schnitt durch den Scheitellappen.
Schnitt durch den Scheitellappen.
Frontalschnitt durch den hinteren Pol des
Occipitallappens.
,. 2 Horizontalschnitt durch die Oberfliiche von
Corp. striatum und Thalamus opticus.
,, 3 Horizontalschnitt durch die Hirnschenkel.
30. Horizontalschnitt durch die ganze linke Hemi-
sphare in der Mitte der Centralganglien.
31. Horizontalschnitt durch die liasis des Hirnstammes
von der linken Hemisphiire.
32. Fig. I. Senkrechter Schnitt durch die vordei"en
Vierhiigel.
,, 2. Schnitt zwischen vorderen und hinteren
Vierhiigel.
i'/'.i^ach. Vergrosserung aucb f. d. ft".
27.
55
55
I
2
28.
55
I
55
2
29.
55
I
XIII
Taf, 33. Fig. I Schnitt durch die hinteren Vierhugel.
,, 2 Schnitt durch die Briickenmitte.
,^ 34. ,, I Schnitt durchs hintere Ende der Brlicke.
., 2 Schnitt durch die Aciisticuskerne.
., 35. ,, I Schnitt durch den rechten Thalamus opticus
in der Hohe der niittleren Comnaissur.
Originalphotographieen von Praparaten mit Mark-
scheidenfarbung. I'/ifache Vergr., ebenso ff.
,, 2 Schnitt durch vordere Vierhugel der linken Seite.
., 36. ,, I Schnitt durch die Haube hinter den hinteren
Vierhiigeln.
,, 2 Schnitt durch die Quintuskernregion.
, 37. ,j I Schnitt durch die rechte Haubengegend in der
Hohe des Facialiskernes.
,. 2 Schnitt durch den ventralen Acusticuskern der
linken Seite.
,, 38. ,, I Schnitt durch Kleinhirn und Medulla oblongata
(wenig vergrossert).
,, 2 Schnitt durch die Medulla oblongata in der
Hohe des Glossopharyngeus — Yaguskernes,
Fig. 2 lofache Vergrosserung.
39. ,, 1 Schnitt durch die iMeduUa in der Hohe des
X. und XII. Kernes.
,. 2 Schnitt durch den Calamus scriptori us der Medulla,
lofache Vergr. Originalphotographieen, ebenso fF.
„ 40. ,, 1 Schnitt durch die Hinterstrangskerne.
,, 2 Schnitt durch die Medulla unterhalb der Oliven.
,, 41. ., I Schnitt dicht iiber der Pyramideukreuzung.
., 2 Schnitt durch die Pyramidenkreuzung.
,. 42. .,1 Schnitt durchs oberste Halsmark dicht unter
der Pyramidenkreuzung.
,, 2 Schnitt durchs obere Halsmark in der Hohe
des 4. CervikaJnerven.
,, 43. ., I Schnitt durch die Halsmarkanschwellung in der
Hohe des VII. Cervikalnerven.
,, 2 Schnitt durch das obere Brustmark in der
Hohe des III. Brustnerven,
., 3 Schnitt durchs mittlere Brustmark in der Hohe
des VI. Brustnerven.
,, 44. ., I Schnitt durchs unterste Brustmark in der Hohe
des XI. Brustnerven.
,, 2 Schnitt durch das obere Lendenmark, in der
Hohe des II. Lumbalnerven.
,, 3 Schnitt durch das untere Lendenmark in der
Hohe des IV. Lumbalnerven.
,, 45. ,, I Schnitt durchs mittlere Sacralmark in der
Hohe des III. Sacralnerven.
XIY
Taf. 45. Fig. 2 Schnitt durch die cauda equina und den conns
medullaris.
„ 3 Schnitt durch eine hintere Wurzel und ein
Spinalganglion voni Lendenmark.
Fig. 3 2ofache Vergrosserung.
,. 46. ,, I Querschnitt durch den ganzen Nerv, ischiadicus
an seiner oberen Austrittstelle.
,, 2 Ein Nervenbiindel des ischiadicus auf deni
Langsdurchschnitt,
,, 3 Ein Nervenbiindel des N. ischiadicus auf dem
Querschnitt.
,. 4 Querschnitt durch einen normalen Nervus opticus.
Fig. I lofache Vergr., Fig. 2, 3 isofache Vergr.,
Fig. 4 lofach. Vergr.
,, 47. Die graue Substanz des Riicken marks.
Fig, I Halsmark. — Fig. 2 Lendenmarkhalfte.
Originalphotographie, Markscheidenfarbung. 25 fch. V.
,, 48. Markscheidenanlage im foetalen Gehirn.
Fig. I, 2 Thalamusdurchschnitt, Fig. 3 vorderer Vier-
hiigel, Fig. 4 Pons, Fig. 5 Med. obi.
Originalphotographieen nach ungefarbten Praparaten,
natiirl. Grosse.
,, 6 Halsmark, Fig. 7 Brustmark vom Neugebornen.
Markscheidenfarljung, lofache Vergr.
,, 49. Schema des Verlaufes der wichtigeren Gehirnbahnen.
Originalzeichnung, ebenso fF.
,, 50- Fig. I u. 2 Zusammensetzung von Hirnschenkelfuss
und Haube.
„ 3 Schema vom opticus- oculomotorius-Verlauf.
,, 5'" >> ^5 2 Schema des Verlaufes der Pyramidenbahn
und der sensiblen Bahn.
„ 3 Schema der sensorischen Nervenbahnen.
(Fig. 3 mit Beniitzung einer Zeichnung v. Lenhossek).
,, 52. Schema des Faserverlaufes im Rilckenmark.
Originalzeichnung.
4. Ailgemeine pathol Anatomie des Nervensystems.
Spezielle Pathologic des Gehirnes.
Taf. 53. Sekundare Erkrankungen des Nervensystems.
Fig. I Schnitt durch Hirnrinde und Hirnhaute bei
Meningitis cerebrospinalis (epidemica).
„ 2 Hirnrinde bei Meningitis tuberculosa.
Originalzeichnungen nach meinen Praparaten, Falle
aus der med. Klinik in Erlangen. Ebenso ff.
.,, 54. Fig. I Aneurysma der Vierhiigelgegend.
,, 2 Caries eines Wirbelkorpers.
'Ig-
I
11
2
•n
I
V
2
57
3
XY
laf, 54, Fig. 3 Tumor der dura mater spinalis.
(Combin. Markscheiden-Carminfarbung).
,, 55. „ I Gumma der Hirnbasis.
Primare Erkrankungen des Nervensystems.
,, 2 Schnitt durch das Vorderhorn vom Halsmark
bei spinaler Muskelatrophie.
„ 3 vSchema der sekundaren Degenerationen im
Riickenmark
„ 56. Erkrankungen der Ganglienzellen.
,, 57. Erkrankungen der Nervenfasern.
,, 58. Erkrankungen der Muskelfasern,
Alles Originalzeichnungen nach meinen Praparaten , Falle
grosstenteils aus der medicin. Klinik Erlangen ; (nur Taf. 56, 7
nach einer Zeichnung von Oppenheim).
59. Fig. I Porencephalie, linke Hemisphare.
Hamorrhagischer Herd im Hirnstamm.
Originalphotographieen, Falle aus der medicin. Klinik
Erlangen.
60. „ I Vierhugelherd.
Solitartuberkel in der Med. obi.
Opthalmoplegia chron, progressiva.
Originalphotographieen, nach meinen Praparaten mit
Markscheidenfarbung (2 — 5 fach. Vergrosserung). Falle
aus der medicin. Klinik Erlangen.
Sekundare Degenerationen.
Alles Originalphotographieen nach eigenen Praparaten mit Markscheidenfarbung,
Falle aus der medicin. Klinik Erlangen.
Taf. 61. Fig. I und 2 totale Degeneration des Stabkranzes zum
Hirnschenkelfuss.
11 3 Degeneration der frontalen Brtickenbahn im
Hirnschenkelfuss.
„ 62. „ I und 2 Pyramidenbahn-Degeneration im Hirn-
schenkelfuss und innerer Capsel.
,, 63. ,, I Pyramidenbahn-Degeneration in der Briicke.
,, 2 Haubenbahn-Degeneration in der Briickenhaube.
,, 64. ,, I Pyramidenbahn-Degeneration in der Med. obi,
,, 2 Degenerationen in der Med, obi. bei cerebral.
Kinderlahmung,
„ 3 Schleifen- Degeneration in der Med. obi,
,, 65. Absteigende totale Degeneration der Pyramidenbahn
im Riickenmark bei einem Gehirnherd, Hals-, Brust-,
Lenden-, Sacralmark.
,, 66. Absteigende Degenerationen im Riickenmark bei Riicken-
marksherden.
Originalpraparate, Photographic (Fall Fig. 1—3, vonDaxenberger
vcroffentlicht).
„ 67. Aufsteigende Degeneration im Riickenmarke.
XVI
Taf. 6S. Aufsteigende Degeneration ini oberen Halsmark und
der Med. obi.
Spezielle Pathologie des Rijckenmarkes und der peripherischen
Nerven.
Taf. 69. Myelilisformen.
Fig. 1 Strangformige akule (toxische) Myelitis. Hals-
mark.
„ 2,Chronische Myelitis (syphilitica?) Brustmark.
,, 3 ,,Compressionsmyelitis.''
Originalphotograph. nach meinen Praparaten mit
Markschcidenfarbung, ca. 8 — lofache Vergr. Falle aus
der ined. Klinik in Erlangen, ebenso alie folgenden, wo
nicht anders angegeben.
„ 70. Syringomyelie.
Fig. I Hydromyelie, oberes Brustmark.
2 u. 3 Schnitte durchs obere und mittlere Hals-
mark eines anderen Falles von Syringomyelie.
Fig. I nacheinemPraparat vonProf. v. Striimpell, Car-
minfarbung.
,, 71. Multiple Sclerosis cerebrospinalis.
Fig. I Langsschnitt durch das Brustmark.
,, 2 u. 4 Querschnitte durchs Brustmark.
,, 3 Schnitt durch die Hirnrinde.
.. 72. ,, I Schnitt durch die Medulla oblongata beichronischer
Bulbarparalyse mit amyotrophischer Lateral-
sklerose.
., 2 Schnitt durchs hintere Halsmark bei amyotro-
phischer Lateralsklerose.
,, 3 Schnitt durchs Vorderhorn des Halsmarks bei
spinaler Muskelatrophie (von Prof. v. Striimpell).
„ 73. Tabes dorsualis.
Fig. I Schnitt durchs untere Brustmark.
,, 2 Schnitt durchs obere Lendenmark eines andeien
Falles.
„ 3 Schnitt durchs untere Lendenmark eines dritten
Falles.
,. 74. „ I Schnitt durchs Halsmark des Falles T. 73. Fig. I.
„ 2 Schnitt durchs Halsmark bei sogenannter ,,hoher
Tabes".
„ 3 Schnitt durchs oberste Halsmark. (Tabes
combing).
,, 75- Spastische Spinalparalyse.
Fig. I Schnitt durch die Medulla oblongata.
,, 2 Schnitt durchs Halsmark.
„ 3 Schnitt durchs miitlere i^rustmark.
,, 4 Schnitt durchs Lendenmark.
Fall von Prof. v. Striimpell.
XVII
Taf. 76. Combinierte Systemerkrankunj^,
Fig. I Schnitt durchs Halsmark.
,, 2 Schnitt durchs untere Brustmark.
„ 3 Schnitt durchs Lendenmark.
„ 77. Degenerationen peripherischer Nerven.
Fig. I Aufsteij^^ende sekundare Degeneration ini N.
ischiadicus bei Amputation des Unterschenkels.
,, 2 Absteigende Degeneration des rechten N. opti-
cus nach Zerstorung des linken corp. geniculat.
laterale und des rechten Vierhiigels.
,, 3 Compressionsneuritis des opticus.
,, 4 Motorischer Nervenast bei spinaler Muskel-
atrophie.
,, 5 Hintere Wurzel vom Lendenmark bei Tabes
dorsualis.
,, 6 Biindel vom N. peroneus bei neurotischer Muskel-
atrophie.
Fig-. I, 4, 5, 6 bei 350 facher Vergrosserung, Fig. 2
und 3 bei 10 facher.
„ 78. Neuritis multiplex.
Fig. 1 u. 2 Praparate von schwerer alkoholischer Poly-
neuritis ( I vom N. (^ruralis, 2 vom N. ischiadicus).
,, 5 Querschnitt vom Halsmark dieses Falles.
,, 3 Neuritis postdiphteritica.
,, 4 Langsschnitt durch ein Nervenbiindel vom N.
ischiadicus bei irifektioser multipler Neuritis
(Landry'sche Paralyse.)
(35ofache Vergr.). Fall der Fig. 1 u. 2 aus dem
NiJrnberger Krankenhause. Von Prof. Striimpell mir
iiberwiesen, Das iibrige eigene Beobachtung.
Beniitzte Apparate : Mikroshop von Leitz,
Mikrophotographische Camera von Leitz,
Edinger'' seller Projectionsapparat und Camera
von Leitz.
Inhaltsverzeichnis des Abrisses.
I. Abschnltt.
Morphologic des Nervensystems.
Seite
Uebersicht iiber die aussere Configuration, Zusammensetzung
und Lage desselben (Tafel i — lo)
Haute I
Grosshirnhemispbarenlappen und Windungen . . 2
Hemispharensubstanz und Ventrikelsystem ... 5
Thalamus und III. Ventrikel ..... 7
\'ierhiigel . . . ..... lo
Kleinhirn und IV. Ventrikel . . . Ii
Uriicke und Medulla oblong. . . . . . 12
Riickenmark . . . . . 13
Gehirnnerven . . . , . . . 15
Riickenmarksnerven . . . . 16
Sympathicus . . . . , . 17
Blutgefasse, Nerven . . . . 18
II. Abschnitt.
Entwicklung und Bau des Nervensystems.
Uebersicht tiber die Ontogenese und die Histiologie des Nerven-
systems. Darstellung der wichtigeren Faserzuge. (Tafel
11-48)
Anlage des Medullarrohrs ......
Gehirnanlage ........
Spongioblasten, Neuroblasten .....
Motorische uud sensible VVurzeln ....
Seite
20
21
22
23
XIX
Seile
Markscheidenanlage
.
.
23
Mikroskopie der Glia,
Ganglienzellen,
Axencylinder
Nervenfasern
24
Neuron
25
Cbmmissurenbaknen .
26
Associaiionsbahnen .
26
Projectionshahnen
27
III. Abschnitt.
Anatomie und Physiologic der wichtigeren
Nervenbahnen.
(Tafel 49—52.)
1. Die motoriscJie Bahn
Allgemeines .....
Motorische Gehirnnerven .
Motorische Rllckenmarksnerven .
2. J)ie sensible Bahn
Allgemeines .....
Verlauf im Riickenmark
Verlauf im Gehirn ....
Sensible und sensorische Gehirnnerven
3. Die Reflexbah7ien und der Reflexakt
4. Die Willensbahnen .....
Jiindenfimktioneri^ A ssociationsthatigkeit
Sprachvorgani^ und Sprachbahnen .
5. Die Coordinationsbahnen und ihre Funktion
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34
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58
61
64
IV. Abschnitt.
Allgemeine Pathologic und Thcrapic der
Erkrankungen des Nervensystcms.
(Tafel 53-68)
Ueber die Ursachen der Erkrankuniren des Ncrven-
systenis ...,....•
Allgemeines uber die pathol .-anatomischen Veranderimgen
bei Neri^enkrank/ieiten ......
Allgemeines und Spezielles uber die Symptomatologie
tind Localisalionslehre (topische Diag-nostik) der
Nervenkrankheiten .......
Alljiemeine.s ........
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67
70
73
74
XX
I. Herderkrankungen .....
A. Symptome der Herderkrankungen des Gehirnes
Windungen ......
Marksiibstanz . . , . . .
Hirnstamm (Vierhiigel, Thalamus) .
Briicke, Medulla .....
Cerebellum ......
Hirnbasis ......
B. Symptome der Herderkrankungen des Riicken-
marks ....
Halbseitenlasion
Halsmarks
Brustmarks
Lendenmarks .
Sacralmarks
Cauda equina
C. Symptome bei Liisionen peripherischer Nerven
Plexuslahmungen .....
Lasionen der Gehirnnerven
Lasionen der Riickenmarksnerven
Sympathicus-Erkrankung
II. Die Symptome der Systemerkrankungen
^. Allg-cmeines liber Gang imd MeiJiodik der Untersuchung^
nebst diagnosiischer Uebersicht
A. Anamnese ........
B. Status
I. Die Untersuchunji der motorischen Sphare
1. Inspeklion, Mensuration
2. Motor. Reizerscheinungen
3. Motor. Kraft .....
4. Coordinatorische 'Ihatigkeii
5. Elektrodiagnostik ....
a) Galvanische .....
b) Faradische Untersuchung
n. Die Uiitersuchung der sensible n Spliarc
1. Siibjektive Empfindungen .
2. ilautsensibilitat (Tast-, Temperalursinn etc.)
3. Sensibilitat der lieferen 'J'eilo
4. Hohere Sinne
Gesichtssinn .....
Gehor, Gesclimack, Geruch
III. Die Untersuchung der Refiexc .
Allgemeines .....
Ilnut- und Sehnenreflexe
Pupillenreflexe .....
IV. Die Untersuchung der fsvchischeii Funkliunen
Sprache und Schrift ....
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So
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J^3
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I 12
' >3
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XXI
Gedachtnis ......
Psyche, Sensorium .....
C. Stellung der Diagnose und Prognose .
J". AUg'emeines uber die Behandhmg- von Nervenkrank
heiteii ......
1. Prophylaxe ....
2. Causale Therapie
Abstinenzkuren
Syphilis, Malaria .
Chirurgische Behandlung von
a) Gehirn ....
b) Riickenmark .
c) peripherischer Nerven
3. Symptomatische Theraphie
Psychische
Physikalische
Medicarnenlose Behandlung
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I 28
V. Abschnitt.
Spezielle Pathologic und Therapie.
(Tafel 53-78.)
I. Die Erkrankungen der Haute und Blutgefasse des Geh
T. Pachymeningitis interna haemorrhagica
2. Leptomeningitis acuta
aj Meningitis cerebrospinalis epidemica
b) Meningitis purulenta ....
3. Meningitis tuberculosa .....
4. Meningitis syphilitica, gummosa (und Gehirnlues)
5. Sinusthrombose .......
6. Arterienerkrankungen ......
II. Die Erkrankungen der Gehirnsubstanz.
A. Organische Erkrankungen
1. Cirkulationsstorungen und ihre Folge/.ustande.
a) Anamie und Hyperamie
b) Gehirn-Hamorrhagie .
c) Gehirn-Embolie .
d) Aneurysma
e) Arteriosklerose
2. Entziindliche Erkiankungen der Gehirnsubstanz.
a) Gehirnnbscess .....
b) Encephalitis acuta ....
Cerebrale Kinderlahmunor.
irnes.
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XXll
3. Tumor cerebri .
4. Hydrocephalus intermi.s
5. Dementia paralytica .
6. Ophthalmoplegic
7. Bulbiirparalyse .
8. Kleinhirnerkrankungen
B. Gehirnerkrankungen unbekannten Wesens unci Sitzes
(Gehirn-N e u r o s e n)
1. Neurasthenic .....
2. Hypochondrie .....
3. Hysteric und p?ychogene Zustande
4. Traumatische Neurosen
5. Heniicranie .....
6. Cephalalgie .....
7. Genuine Epilepsie ....
8. Eclampsia infantum
g. Chorea minor .....
10. Chorea chronica hereditaria, Tic convulsif
11. Paralysis agitans ....
12. Myotonia congenita
ill. Die Krankheiten des Rlickenmarks
A. QLierschnittserkrankunu;en.
Erkrankungen der Riickenmarkshaiite
1. Pachymeningitis cervicalis hypertr.
2. Meningitis spinalis syphilitica
3. Die Compression des Riickenmarlcs
4. Myelitis acuta und chronica
5. Syringomyelic ....
0. Apoplexia spinalis, Hamatomyelie
7. Sclerosis multiplex cerebrospinalis
B. SystemerkrankuDgen.
8. Spastische Spinalparalyse .
9. Amyotrophische Lateralsklerose .
10. Spinale progressive Muskelatrophie
Neurolische Muskelatrophie
11. Dystrophia muscularis progressiva
12. Poliomyelitis anterior
acuta .....
chronica ....
Tabes dorsualis
Ilereditare Ataxic
Die Krankheiten der peripherischen Nerven.
13.
'4.
IV.
A. Die Erkiankungen einzclncr Nerven.
Aeliologie ....
I. lukrankuiigcn motorischer Nerven
Isolieite L;iliniun<:en
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168
170
170
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172
172
'74
175
176
178
'79
180
XXIII
Seite
Isolierte Kriimpfe . . . . . . iSo
2. Erkrankungen sensibler Nerven , . ,182
Neuralgieen . . . . . . .183
B. Neuritis multiplex.
alcoholica, diphteritica, saturnina etc. . . 184
Polyneuritis infectiosa . . . . . .186
Polymyositis infectiosa . . . . .186
Andere Nervenkrankheiten 2. T. unbekannten Wesens und
Sitzes.
Seite
I. Morbus Basedowii ....
187
2. Myxoedema ......
188
3. Akroniegalie .....
. 188
4. Tetania
1S9
Tetanus ......
189
VI. Abschnitt.
Bemerkungen zum Sektionsverfahren und zur Ausfilhrung
der mikroskopischen Untersuchung des >s'ervensystems
Seite
190
I.
Morphologic
des
Centralnervensystems.
(Hiezu Abschnitt I des Abrisses.)
Tab. 1.
Erklarung zu Tafel 1.
Gehirn in situ von oben nach Entfernung des
Schadeldaches.
Das Gehirn ist liberdeckt (links) von der dura
mater, auf ihr verlaufen in Knochenrinnen die Aeste
der Arteria meningea media. In der Mitte ist der
Sinus venosus longitudinalis superior geoffnet. Rechts
liegen nach Entfernung der dura die weichen Haute,
(Arachnoidea und darunter die pia mater) bloss. Die
(blauen) Venen der pia miinden in den sinus.
Zieht man die weichen Haute ab (umklappen
rechts), so kommen die VVindungen (gyri) und Furchen
(sulci) der Grosshirnhemisphare zum Vorschein.
Entfernt man durch einen Horizontalschnitt den
obersten Hemispharenteil (umklappen Hnks), so tritt
das central gelegene weisse Hemispharenmark (sein
Durchschnitt heisst centrum semiovale Vieussenii) zu
Tage, umsaumt von der die Windungen bildenden
grauen Rindensubstanz (cortex cerebri). Zwischen der
linken und rechten Hemisphare tritt in dieser Tiefe
der Balken (corpus callosum) als Verbindung der
beiderseitigen Marksubstanz auf (chordae transversales,
striae longitudinalis an der Balkenoberflache). Schneidet
man seitlich vom Balken (umklappen links) noch tiefer
ins Mark ein, so stosst man bald auf einen mit Fliissig-
keit gefiillten Hohlraum (ventriculus lateralis, speziell
hier die cella media desselben).
Vom Boden des Seitenventrikels her ragt hiigelig
das Stammganglion der Grosshirnhemisphare (der Streif-
hugek corpus striatum) in den Hohlraum herein. Hinter
dem Streifhiigel zieht der gefasshaltige plexus chori-
oideus lateralis vorbei.
Von den Hemispharen ist durchschnitten der lobus
frontalis, die gyri centrales (Centralwindungen), lobus
parietalis, lobus occipitalis, jeder Lappen ist mit
mehreren seiner Windungen getroffen.
Erklarung zu Tafel 2.
Horizontaler Grosshirndurchschnitt in Balken-
hohe (Balken entfernt).
Der Balken (c. c.) ist an seinem vorderen , nach
unten umbiegenden Abschnitt (Knie) und an seinem
hinteren verdickten Ende (splenium; durchschnitten und
entfernt. Unter ihm kommt das Gewolbe (fornix) aus
zwei Schenkeln bestehend in der Mitte zum Yorschein.
Vorne wird die Lucke zwischen dem genu corp.
call, und dem vordersten , ebenfalls nach der Basis
umbiegenden Abschnitte des Fornix durch zwei schmale
Leistchen (septum pellucidum, s. p.) ausgefiillt, zwischen
denselben der ventriculus septi pellucidi
Der Seitenventrikel ist durch tiefere Abtragung
der Hemispharensubstanz mehr blossgelegt. Man erkennt
sein Vorderhorn (cornu anterior, c. a.) im Stirnlappen,
(lobus frontalis), Hinterhorn (c. p.) im Occipitallappen,
sein Unterhorn(c. i.)im durchsichtig gedachten Schlafen-
lappen in der Tiefe der Hemisphare. Zwischen den
divergierenden beiderseitigen Occipitallappen kommt
das die Kleinhirnhemispharen und den Wurm deckende
Tentorium (ein dura Fortsatz) zum Vorschein
Die hinteren Fornixschenkel steigen aus dem
Unterhorn vom freien Rande eines dort liegenden
Wulstes. des cornu Ammonis (c. Am.) als Fimbria
auf ; schneidet man vorne die Schenkel ab und klappt
den ganzen Fornix zuruck, so sieht man seine vorderen
Schenkel (crus descendens fornicis, f. d.) in die Tiefe
steigen. Unter dem Fornix liegt ausgespannt ein
Fortsatz der pia, die gefasshaltige tela chorioidea media
mit dem strangformigen paarigen plexus chorioid. med.
in der Mitte. Dieser zieht dicht hinter den vorderen
Gewolbsschenkeln (foramen Monroi) in den Seiten-
ventrikel und hier als plexus ch. lateral weiter ins
Unterhorn desselben.
Tab. 2.
Tab. 3.
Erklarung zu Tafel 3.
Gehirnhorizontalschnitt nach Freilegung des
III. Ventrikels.
(Rechts tiefer wie links.)
Nach Entfernung der plex. chorioid. und der
hinteren Gewolbsschenkel zeigt sich in der Mitte der
Hohlraum des III. (mittleren) Ventrikels, begrenzt
beiderseits vom Sehhiigel (Thalamus opticus).
Links liegt das corp. striat. oberflachlich frei
(caput im Vorderhorn, cauda gegen das Hinterhorn
zu, nach aussen), zwischen ihm und dem Thalamus
liegt die schmale stria cornea. Der Sehhiigel zeigt
vorn sein tuberculum anticum (t. a.), nach hinten als
Vorsprung sein Pulvinar.
In der Tiefe vor den absteigenden Gewolbs-
schenkeln liegt die querverlaufende commissura ante-
rior (c. a.), dahinter in der Mitte des III. Ventrikels
die commissura media (c. m.), am hinteren Ende die
comraiss. posterior. Ueber dieser vereinigt sich die
den medialen Thalamusrand bildende taenia thalami (t)
mit der der anderen Seite , daran schliesst sich die
Zirbeldriise (conarium. c.) an. Hinter dem Thalamus
liegen die Vierhligel (corpora quadrigemina ant. und
post.) Dahinter ist das Kleinhirn oberflachlich durch-
schnitten , der Wurm (vermis) in der Mitte, die Hemi-
spharen seitlich (centrale weisse Markmasse, periph.
graue Rindensubstanz).
Rechts ist der Kopf und der Schwanzteil des
Streithiigels (nucleus caudatus) auf dem Durchschnitt
sichtbar, das convex verlaufende Mittelstiick ist abge-
tragen , ebenso der Thalamus auf dem Durchschnitt
nach Entfernung der obersten Lage desselben. Lateral
davon ist der Linsenkern (nucleus lentiformis) , der
mit dem nucleus caudatus zusammen das corp. striat.
bildet, aufgetreten. Der dadurch abgetrennte innere
Abschnitt der weissen Marksubstanz heisst capsula
interna (c. i), der laterale capsula externa (c. e).
Erklarung zu Tafel 4.
Gehirnhorlzontaldurchschnitt durch die Central-
gano'lien, (Links hoher, rechts tiefer).
Lijiks ist (tiefer wie auf T. Ill rechts) durch-
schnitten lob. frontalis , gyri centrales, lob. parietalis,
lob. occipitalis, (rechts lob. temporalis) , in der Tiefe
der fossa Sylvii (f. S.j liegen die Windungen der
insula Reilii (ins.).
DieMarksubstanz zwischen Linsenkern und nucleus
caudatus heisst vorderer Schenkel (c. i. a.), die zwischen
Linsenkern und Sehhiigel hinterer Schenkel der inneren
Kapsel (c. i. p.), beide Schenkel beriihren sich am
sog. Knie der Kapsel.
Lateral von der capsula externa liegt das clau-
strum (cl.). dicht neben den Inselwindungen.
Der Linsenkern zerfallt in ein ausseres died
(Putamen) und in mehrere innere (globus pallidus).
Rechts ist der Linsenkern noch breiter geworden,
der Thalamus ist verschwunden, an seiner Stelle liegt
die regio subthalamica mit nucleus ruber (n. r.) und
corpus subthalamicum (c. sth.) Die Kapselschenkel
haben sich getrennt, der hintere hat sich in den Hirn-
schenkelfuss, pedunculus umgewandelt. Lateral davon
sind durchschnitten corpus geniculatum laterale (g. 1.)
und mediale (g. m).
Im Mark des Kleinhirns sind sichtbar das corpus
dentatum cerebelli (c. d.) und der nucleus tegmenti
(links), rechts ist der IV. Ventrikel unter dem Wurm
eroffnet, die Bindearme (B) ziehen aus der Vierhiigel-
gegend ins Cerebellum.
Nach vollkommener Entfernung des cerebellum (Um-
klappen !) wird die Oberflache der Medulla oblongata,
die Rautengrube (fossa rhomboidalis), den Boden des
IV. Ventr. bildend, ganz sichtbar. Begrenzt ist sie von
folgenden hier durchschnittenen Kleinhirnmarkziigen :
processus cerebelli ad corp. quadrigemina (Bindearme, B),
process, cereb. ad meduUam oblongatam (corp. resti-
form. cr.), zwischen beiden liegen die processus cereb.
ad pontem gegen die Basis zu ziehend.
Tab. 4.
Tab. 5.
Erklarung zu Tafel 5.
Gehirnbasis mit Nerven und Blutgefassen.
Der Stirnlappen ist durch die tiefe Fossa Sylvii
vom Schlafenlappen getrennt.
Aus jeder Hemisphaere tritt der Hirnschenkelfuss
(Pedunculus Ped.) hervor und mit dem der anderen
Seite in die breite Bruci^/
Erklarung zu Tafel 25.
Fig. I. J^rontalschnitt in der Mitte des sefUim
■pellncidiim. Ausser dem Stirnlappen ist noch die
Spitze des Schlafenlappens (1. t.) durchschnitten. Im
Mark ist das Stammganglion (corp. striatum) durch
Auftreten des Putamen (L.), (ausseres Glied vom Linsen-
kern) ganz getroffen, der vordere Kapselschenkel (c. i. a.)
durchbricht das Stammganglion und teilt as eben
dadurch in den nucleus caudatus (n. c.) (medial) und
den nucleus lentiformis (L.), (lateral). Lateral vom
Putamen ist die capsula externa, (c. e.) nach aussen
davon das Claustrum (CI ) aufgetreten. Septum pellu-
cidum (S. p.) bulb, olfact. (I), Seitenventrikel (v. 1.),
Balken (c. c.)
Fig, 2. Schmtt dtcrch die vordere Commissur.
Die absteigenden Fornixschenkel (f) treten auf.
Vom Linsenkern zeigen sich audi dielnnenglieder (glp )
(globus pallidus). An der Basis ist das Chiasma ner\^
opt. (Ch.) durchschnitten, lateral davon die Substantia
perforata, dann das trigonum olfactorium (I statt II).
Die vorderste Inselwindung (Ins.) ist in der Tiefe der
fossa Sylvii (f. S.) getroffen, lateral vom Claustrum.
Im vorderen Teil des Schlafenlappens beginnt der
nucleus amygdalae (N. am.) s. folg. Schnitt. Die
Randwindungen sind abgeschnitten. Vordere Com-
missur (c. ant.).
Zwischen den Fornixschenkeln beginnt der III.
Ventrikel.
34
Erklarung zu Tafel 26.
Fig. I. J^rontalschnitt hinter der vorderen
Conum'ssKK.
Die absteigenden Fornixschenkel (f. d.) laufen rlick-
warts (ziiin corp. candicansder Basis). DerFornixkorper
bleibt unter dem Balken liegen s. Fig. 2. Zvvischen
den auftretenden Thalamusdurchschnitten (nucl. anter.)
erweitert sich der dritte Ventrikel (v. III).
Der globus pallidas (gl. p.) wird mehrgliedrig
und iimfasst niit seinen basalen Fasern (Linsenkern-
schlinge) die innere Kapsel. Vom Chiasma ziehen
die Tractus optici (tr. o.) nach riickwarts (zu den corp.
geniculat. lateral.) Auch die vordere Commissur (c. a.)
zieht im Bogen nach riickwarts und ist deshalb auf
dem schragen Durchschnitt getroffen.
Fig. 2. Schnitt diirch das Knie der timer en
Kapcl.
Unter dem hintersten Teil der oberen Stirnwind-
ungen sind die Centralwindungen (g. c. a. u. p.), in der
Tiefe der Sylvischen Grube (f. S.) die Inselwindungen
(ins. J getroffen. Im Schlafenlappen (3 Windungen) ist
der Mandelkern (N.a.) aufgetreten. Medial das Ammons-
horn (c. Am.) die innere Vorvvolbung des gyrus Hippo-
campi. Zwischen nucl. caudatus (c. st.) und Thalamus
die stria cornea. Um und durch die untersten Biindel
der inneren Kapsel (C. i. p.) schlingt sich die Linsen-
kernschlinge (L. s.) (ansa lentiformis) aus dem globus
pallidas ; ein Teil ihrer Fasern sammelt sich mehr
ruckwarts unter dem Thalamu.sgebiet zum Schleifen-
areal (obere Schleife).
In den Thalamus (Th.) tritt aus dem. Schlafenlappen
der untere Thalamusstiel unter der Linsenkernschlinge.
Der Thalamus ist bedeutend grosser geworden und
ragt nach oben (tuberculum ant.) bis zum Balkenfornix.
Man erkennt verschiedene F'aserzuge (laminae medullar.)
in demselben. Tuber cinereum (Inf.)
35
Tab. 26.
M)
Erklarung zu Tafel 27.
Fig. I. Schintt durch die inittlcre Commissicr.
Der Thalamus (Th.) zerfallt in mehrereKerngebiete,
die beiderseitigen medialeii sind durch die (hier zer-
rissene) commissura media verbunden (s. hiefCirTaf. 35, i).
Unter dem Thalamus legt sich das aus der Linsen-
kernschlinge (L. s.) und dem ventralen Thalamusteil her-
stammende Haubengebiet (Schleife und Faserung des
roten Kernes) immer deutlicher an. Die innere Kapsel
(Gegend des vordersten Abschnittes des hinteren Schen-
kels [c. i. p.]) verstarkt sich durch fortwahrende Zuziige
aus den Centralwindungen (motorische centrale Neuren),
ihr medialster Teil tritt bereits als Hirnschenkelfuss
etwas aus der Hemisphare an deren Basis heraus, Der
Linsenkern wird kleiner, capsula externa, claustrum,
insula unverandert. Das Unterhorn (c. i.) im Schlafen-
lappen wird grosser. Der Tractus opticus (tr. o.) legt
sich liber den frei werdenden Hirnschenkelfuss. Corp.
candicans (c. c ).
Fig. 2. Schnitt durch die Centrahuindungen.
Der Thalamus zerfallt deutlich in einen oberen
(vorderen), lateralen (l.)und medialen(m.) Kern, zwischen
den beiden letzten die Fasern der lamina medullaris in-
terna. Nach aussen an die Kapsel grenzt seine Gitter-
schicht (z.), von eintretenden F'asern der inneren Kapsel
gebildet. Zwischen dem frei werdenden Pedunculus
und dem Thalamus tritt die regio subthalamica auf.
In derselben liegen das corpus subthalamicum, (c. sth.)
(Luys'scher Korper), der nucleus ruber (n. r) mit seinem
Marke (L) und die Schleifenfasern. Unter derselben be-
ginnt die Substantia nigra (S. n.). Es treten medial
die ersten ocuJomotorius Fasern (III) aus.
Im Unterhorn (c. i.) ist der nach unten umge-
bogene Schwanzteil des nucleus caudatus (c. st.) audi
noch durchschnitten. Cornu Ammonis (c. Am.), die
Rindenwindungen sind einzeln bezeichnet, Sylvi'sche
Grube (f. S.), Rolando'sche Furche (S. R.).
06
Erklarung zu Tafel 28.
Fig. 1. Schnitt dtirch den Scheitellaffeii (vord.
Teil).
Der Hirnstamm lost sich mehr und mehr von
der Hemisphare heraus. Der Pedunculus (Ped.) ist
vollkommen frei ; der Thalamus (Pulvinar) hangt noch
an seinem oberen und hinteren Stiel. Zvvischen Pe-
dunculus und capsula interna (hinterster Abschnitt)
haben sich eingeschoben das corpus geniculatum
laterale (c. g. 1.) (in dem der tractus opticus endet)
und mediale (c. g. m.) Das Unterhorn (v. i.) offnet sich,
man erkennt gut sein Zustandekommen durch die
EinroUung der Rinde vom gyrus Hippocampi , an
deren freiem Rande steigt die fimbria (f.) aufwarts.
Lateral vom corp. genicul. lat. zieht die Sehstrahlung (S)
in dem hinteren Capselschenkel occipitalrindenwarts.
Aus dem Gebiet der regio subthalamica ist das
wichtige Haubengebiet entstanden, das corp. sub-
thalam. verschwunden , die Schleife (S) breit an-
gelegt, der rote Kern (n. r.) noch grosser ge-
worden. Der III. Ventrikel geht in den Aquaeductus
Sylvii (A. S.) unter der hinteren Commissur (c. p.) liber.
Die medialsten Pedunculusfasern werden von den vor-
dersten queren Briickenfasern (P) umfasst. Hinterste
Inselwindung, Linsenkern verschwunden, Zirbeldruse(c.).
Fig. 2. Schnitt dnrch den Scheitcllaffcn (hin-
terer Teil),
Der Hirnstamm hat sich mit dem Pulvinar voUends
von der Hemisphare gctrennt. Das Bild gleicht dem
ersten Durchschnitt durch den Stirnlappen.
Balken (c. c.) , Hintcrhorn des Seitenventrikels
(v. p.), Associationsbiindel (fli., fare), die Sehstrahlung
(O. G.) zieht von den primaren opticuscentren (c. gen.
lat., c. quadr. ant., Pulvinar) weiter in den Hinter-
hauptslappcn.
Scheitellappenwindungen, gyr. angularis (g. ang.),
fissura calcarina (f. c), gyrus supramarginalis (g. smg.),
Ligula (L. 1.), Cuneus (cun.).
CO
H
Erklarung zu Tafel 30
Horizontalschnitt durch die oranze linke Hemis-
phare in der Mitte der Centralganglien.
Die innere Kapsel (c. i.) ist in ihrer grossten Aus-
dehnung getrofYen , man erkennt gut den vorderen
(c. i. a.) und hinteren (c. i. p.) Schenkel, das Knie.
Hinten die Gratiolet'sche Sehstrahlung (G).
Medial davon nucl. caudatus (n. c.) und Thalamus
opt., lateral der Linsenkern (Put.), capsula externa
(c. e.) claustrum (cL). Schwanz des nucl. caudatus im
Hinterhorn (c. St.).
Stirnlappen (1. fr.) , Centralwindungen (g. c.) , In-
sula (fossa Sylvii, f. S ), Schlafen-Occipitallappen (1. p.
u. 1. o.).
Der Balken (c. c.) ist vorne und hinten durch-
schnitten, dazwischen liegen septum pellucidum (s. p.),
fornix (f.), dahinter der plexus chorioideus (pi. ch.),
den III. Ventrikel deckend, Vorderhorn (c. a.), Unter-
horn (c. i.) des Ventrikels.
66
Tab. 30.
Tab 31
L.t
Erklarung zu Tafel 31.
Horizontalschnitt durch die Basis des Hirnstammes
von der linken Hemisphare.
(Ungefahr in der Hohe von Schnitt-Tafel 4, rechts).
Die innere Kapsel ist in ihre beiden Schenkel
(c. i. a. vorderer Kapselschenkel) getrennt, der hintere
bildet den Hauptbestandteil des Hirnschenkelfusses
(Ped.). Nucl. caudatus (c. st.) und Thalamus basis
(Th.) sind durchschnitten, in die regio subthalamica
tritt zwischen den vorderen Fasern des Pedunculus
(Pd.) durch die ansa lentiformis (a. 1.) aus dem globus
pallidus (gl. p.) des Linsenkerns, lateral davon dessen
Putamen (L.). Corp. subthalam. (c. sth.). Subst.
nigra (S. n), corp. geniculat. laterale (II), Schwanzteil
des nucleus caudatus (c. st). Kernregion des oculo-
motorius (N. Ill), Schleife (L. s.), roter Kern (n. r.).
Vorderhorn (c.a.), Unterhorn (c. i.) desSeitenventrikels,
Stirnlappen (L. fr.), Insula, Schlafenlappen (L. t.), Balken
(c. c), absteigender fornix (f. d.), Septum pellucidum
(s. p.). Claustrum (CI), capsula externa (c. e.)
40
Erklarung zu Tafel 32.
Fig. I. Senh'ccJiter Schnittdurch die vorderen Vierhugcl.
(Dicht anschliessend an Tafel 28, 1).
Die Thalami (Th. o.) (Pulvinar) sind durch die zwischen-
tretenden vorderen Vierhugel (c. q. a.) auseinander ge-
riickt. Uber den corp. quadrigem. ant, lagert das
Splenium corp. callosi (c. c.) mit dem Fornix (f.)
Im centralen Hohlengrau (C. H ) der x^quaeduct.
Sylvii (A.), unter diesem der Oculomotoriuskern (III)
(periph. Neuron), lateral davon die nasale V. Wurzel
(V. n.)
In den Vierhiigeln unterscheidet man ein ober-
fiachliches und ein tiefes Mark. Unter denselben das
Haubengebiet (tegmentum) mit dem beiderseitig sich
nahernden nucleus ruber (n. r.), lateral die obere (sensible)
Schleite (L. s.), an die sich aussen die untere (Vierhiigel-)
Schleife (L. i.) anschliesst. Lateral von dieser das corp.
geniculat. med. (c. g. m ) und laterale (c. g. L). Von
der Haube getrennt durch die Substantia nigra (S. n.)
der Hirnschenkelfuss (Pedunculus), in seinem mittleren
Bezirk die (motorische) Pyramidenbahn. Der Tractus
opticus (tr. o.) tritt in das corp. genicul. laterale, in den
vorderen Vierhugel und ins Pulvinar, um dort zu enden.
Von da ziehen die Fasern der Sehstrahlung centralwarts
weiter (in den OccipitallapenV
Weiteres Detail s. Photographic Tafel 35, 2.
Fig. 2. Sch?tztt zwischen zwrderein mid hinterem
Vierhugel.
Die Haubengegend hat sich vom Pulvinar thalami
vollends losgelost. Die Schleife (1..) zieht mehr basal-
warts unter die roten Kerne. Aus dem tiefen Mark (st. i.)
zieht die fontanenartige Haubenstrahlung (F. F.) der
Mittellinie zu, hier sich kreuzend (Raphe). Dicht unter
dem Oculomotoriuskern (n. Ill) im Hohlengrau liegt das
hier deutlich erkennbare hintere Langsbiindel (fasciculus
longitud. posterior (f.), lateral davon ziehen Tnalamus-
fasern weiter (Substantia reticularis). Im Oculomotorius-
kern erkennt man getrennte Einzelkerne. Im brachium
posticum (Br. a ) ziehen Fasern vom hint. Vierhiigel zum
corp. geniculat. med. In der Substantia nigra enden
Fasern aus dem Stammganglion.
41
Tab. 32.
Figl
Fig. 2
Erklarung zu Tafel 34.
Fig. I . Schnitt diwchs hintere Ende der Briicke.
In der Haube ist der Facialis- (n. VII) und Ab-
ducens-Kern (n. VI) aufgetreten. Die Facialisfasern (Vil)
Ziehen, wie rechts angegeben, im Bogen um den Ab-
ducenskern, sammeln sich zum Knie (g) und ziehen dann
horizontal und schliessHch basalwarts aus der Medulla
heraus (VII). Der Abducens (VI) verlauft einfacher.
Sein Kern ist mit der oberen Olive (ol. s.) deutlich
verbunden.
Substantia reticularis (Srt.), Schleife (L s.) etc. wie bis-
her. Lateral vom Facialisstamm zieht die mit der sensibien
V. Wurzel eingetretene caudale (absteigende Trigeminus-
wurzel) (V c.) herab. Nach aussen davon treten breit
die processus cerebelli ad pontem herab (pr. a. p.) und
zwischen diesen und den Bindcarmen legen sich die
corpora restiformia (s. C.) (process cerebelli ad medull.
oblong.) an, was auf dem folgenden Schnitt deutlich zu
sehen ist.
Fig. 2. Schnitt durch die Acusticuske?'ne.
Im Hemispharenmark des Cerebellum (Cb.) ist das
Corp. dentatum (c. d), im Mark des Wurmes (V) u. a.
der nucleus tegmenti (n. t.). Medial vom flocculus (Fl.)
des Cerebellum tritt der acusticus (VIII) ein. Sein ramus
cochlearis (VIII c.) endet im ventralen Acusticuskern
(n. \'III. c), lateral vom corp. restiforme (c. r.) (rechts
schematisch), sein r. vestibularis (n. VIII. v.) im dorsalen
Acusticuskern (n. VIII. d ) und lateral davon im nucleus
Deiters (n. D.) (Fortsetzung des loc. caeruleus). Aus
dem nucleus ventralis VIII zieht das corpus trapezoides
(c. tr.) quer durch die mediale Schleife (L. s.) (auch zur
oliva sup.) zu der lateralen Schleife der anderen Seite,
ein anderer Teil der (centralen) Acusticusbahnen zieht
in den striae acusticae (str. a.) (rechts schematisch) eben-
dahin. Die Pyramiden (P}'.) sind aus der Briicke heraus-
getreten.
43
Tab. 34.
i%/
Fix^2
Tafel 35.
Fig. 1.
Fig. 2.
•S-^^^^^.
Von hier ab folgen Photographien.
Erklarung zur Tafel 35.
Fig. I. ScJmitt durch den rechten Thala?mis opticus
in der Hohe der mittlerefi Commissur. (Etwas schrag nach
hinten abfallend).
Man erkennt gut die drei Kerne des Thalamus
(nucl. anterior [a], medialis [m], lateralis [1]). Aus dem
vorderen zieht in dieser Schnitthohe ein dickes Biindel
(das auf dem Horizontalschnitt Tafel 31 quer getroffen
ist (v) herab (Vic d'Acyr'sches Biindel), es endet im
corpus candicans derselben Seite (sein Uebergang auf
dasselbe ist deutlich auf dem ungefarbten Schinitt 2,
Tafel 8 zu sehen). Unter dem Thalamus liegt die regio
subthalam. mit Linsenkernschlinge (An. 1.), corpus Luys
(c. L), deren Fasern ziehen die innere Capsel durch-
querend zum glob, pallid, (gl. p.) des Linsenkernes, da-
runter Substant. nigra (S. n.).
In den seitlichen Kern (Gitterschicht) tritt aus der
inneren Kapsel (c. i.) der Stabkranz zum Thalamus ein.
Die mittlere Commissur (c. m). enthalt nur wenig Nerven-
fasern. Der mediale Kern bildet nach hinten das Pul-
vinar, in diesem verasteln sich Fasern aus dem tractus
opticus und der Sehstrahlung. Uebrige Bezeichnungen
s. Tatel 27.
Fig. 2. Schnitt durch vordere VierhUgel der linken Seite.
Man erkennt detaillierter den Faserreichtum als an
der Zeichnung Taf. 32, i. Die Bezeichnungen sind die-
selben wie dort.
Im Corp. geniculat. laterale (c. g. 1.) enden zahl-
reiche Opticusfasern sich aufsplitternd, ebenso im corp.
quadrigem. ant. (c. q. a.). In dieser Gegend muss die
Balm flir den Pupillarreflex (von hier zum oculomotorius-
Kern N III) zu suchen sein. Unterhalb der massenhaft aus-
tretenden Oculomotoriusfasern (III) beginnt der Hirn-
schenkelfuss (Ped.), an seinem medialsteh Abschnitt zieht
das Spitzka'sche Biindel (s) (das die centralen Bahnen
fiir die motorischen Hirnnerven wahrscheinlich enthalt)
vom Hirnschenkelfuss weg zur Haube in die Hohe, in
der Medianlinie spater sich kreuzend.
44
Erklarung zur Tafel 36.
Fisf. I. Schnitt dwch die Kaube hinter de7i hinteren
Vierhiigeln.
Der Aquaeduct beginnt eben sich in die Rauten-
grube (v. IV) zu erweitern.
Bezeichnung s. Fig. 2 Tafel t^Z-
Man beachte besonders den Aufbau der Substantia
reticularis (Srt.), welche Fasern aus den Sehhugeln ab-
wartsziehend und aus den Vorderseitenstrangen des Rticken-
marks aufsteigend enthalt. Naheres noch sehr vvenig be-
kannt. Die mediale (obere) Schleife (L. s.) (Hauptschleife)
zerfallt in viele Biindel, lateral die untere (L. i.;, die z. T.
zum hinteren Vierhiigel in die Hohe zieht.
Bindearme (B), nasale Wurzel (V n), fascicul. nasale
Qui ntuswurzel (V. n.), longitud. post, (f) ; die vielfache
Faser-Kreuzung in der Raphe der Haube ist deutlich
(centrale sich kreuzende sensible und motorische Bahnen
verlaufen hier), locus coeruleus (1. c). mit stark pigmen-
tierten Zellen.
Fig. 2. Schnitt durch die Quintuskernregio)i.
Der Schnitt enthalt im Ganzen dieselben Bestand-
teile wie der auf Tafel 33,2. Die Bezeichnungen sind
dieselben.
Man beachte das feinere Detail der Haube , der
Quintuskerne. Die caudale (absteigende) Wurzel mit
ihren Bundeln fVc) ist auf diesem Schnitt sehr deutlich
zvvischen dem motorischen (m) und sensiblen (s) Kern
zu erkennen. Centrale Haubenbahn (ct.), Substantia
reticularis tegmenti (Sr, t.), Briickenganglien (g) zwischen
den obertiachlichen (s) und tiefen (p), Briickenfasern (P).
Die Raphe der Haube (K) und der Bruckenfasern (R)
enthalt zahlreiche sich kreuzende Ziige.
Unterhalb der oberen Olive (o. s.) bei (L. i.) Fasern
des corpus trapezoides und der unteren Schleife (cent-
rale Akustikusbahnen).
Taf. 3G.
Fig. 1.
Fig. 2.
Taf. 37.
Y*'^'h-^^::^f
Fig.l.
}is2
Fif/. 2.
Erklarung zu Tafel 37.
Fig. I. Schnitt durch die rechte Haubengegend in
der Hoke des Facialisker7ies.
Man vergleiche die Bezeichnungen mit Tafel 34, i.
Aus dem in der Tiefe gelegenen Facialiskern (n. VII.)
steigen die Fasern einzeln in die Hohe.
Auch der Zug aus der oberen Olive (ol. ■ s.) zum
Abducenskern (N. VL, weiss), (welch letzterer aber erst
etwas weiter vorne deutlicher wird) ist zu erkennen. Aus
dem Kleinhirn zieht das corpus restiforme (Cr. I und die
processus cerebelli ad pontem (Cb.) herab.
Vom genu facialis (g. VII.) zieht der gesammelte
Stamm weiter unter dem Ependym. der Rautengrube (v. IV).
Zur Scbleife zieht aus dem. benachbarten ventralen
Acusticuskern das corp. trapezoides (durch Li.).
Lateral vom Facialisstamm liegt die absteigende
Trigeminuswurzel (V. c), dicht vor ihr die Substantia
gelatinosa (S. g.), der hoch herauf zu verfolgende Anfang
des Hinterhornes vom Riickenmark. Dorsal davon der
dorsale VIII. Kern (n. VIII.) und der nucleus Deiters
(n. D.) , obere, untere Schleife (L. s. i.), Substantia
reticularis (Sr. t.j, centrale Haubenbahn (c. t ), Raphe (K).
Fig. 2. Schnitt durch den vefitralen Acusticuskern
der linken Seite. (Anschliessend an Fig. 34, 2).
Aus dem Klein hirnmark ist das corp. restiforme (c. r.)
ganz heraus als die seitliche Wand der Rautengrube
getreten. Lateral von ihm liegt halbkreisformig der
ventrale VIII. Kern (n. v. VIIL), in dem der N. cochlearis
sich auflost, er erstreckt sich noch weit aufwarts, ist auch
auf Schnitt 34,2 noch machtig entwickelt. Von seiner
centralen Bahn sind hier deutlich die schwarz gefarbten
Fasern der striae acusticae (str. a.) liber den Boden der
Rautengrube zur Medianlinie verlaufend erkennbar. In
der Raphe (R.) kreuzen sie sich und ziehen in der
lateralen Schleife weiter. Dorsaler VIII. Kern (n. VIII. d.),
medial davon die Kernregion des glossopharyngeus (n.IX.),
Facialiskern (n. VII.), Substant. reticularis (Sr. t.), cen-
trale Hauhenhahn (c. t.), med. Schleife (L.), Pyramide,
fascicul. longit. post, (f.), flocculus vom Kleinhirn (fl.)^
absteigende Acusticuswurzel (a. d ).
46
Erklarung zu Tafel 38.
Fig. I . Schnitt diirch Kleinhirn und Medulla oblongata
(hinlerer Teil der Rautengrube).
Der IV. Ventrikel (v. IV) ist hier seitlich nur von
den weichen Hauten geschlossen, da die corp. restiform
(cr.) aus den Kleinhirnhemispharen vollkommen herausge-
treten sind Das Dach des Ventrikels bildet der Wurm (V.),
Oberwurm (v. s.), Unterwurm (v. i.)
Im Cerebellum das corp. dentat. (c. d.) und der
nucleus tegrnenti (n. t.). Der Hemispharenrand ist ab-
geschnitten. Nodulus (n).
An der Medulla erkennt man Pyramiden, Oliven,
corp. restiformia etc.
Fig. 2. Schnitt durch die Medulla oblongata in der
Hoke des Glossophai'yngeus — Vaguskernes.
Seitlich von den Pyramiden (Py.) sind die unteren
Oliven (ol.) aufgetreten. Aus den corp. restiform. (c. r.)
Ziehen die Kleinhirufasern (fol.) zur gekreuzten Olive
herab Zwischen den Oliven hat sich in der ,,01iven-
zwischenschicht" die (obere) Schleife (L.) neben die
Raphe (K.) aufgestellt, dorsal von ihr schUesst der
fascicul. longitud. post, (f.) an. Zwischen hinterem
Langsbundel und corp. restiforme liegt die Substantia
reticularis (S. r. t.) der Haube. Dorsal von ihr der
IX. und X. sensible Kern. Lateral davon der dorsale
VIII. Kern. Vor dem corp. rest, zieht die absteigende
IX., X. Wurzel, das Solitarbundel (s.) abvvarts, unter
demselben die absteigende V. Wurzel (V. c), lateral
von der Subst. gelatinosa (S. g.). Die IX., X. Fasern
treten neben dem Solitarbundel vorbei aus der Medulla
heraus. Medial davon in der Haube liegt eine, als
moiorischer Vaguskern (nucl. ambiguus) bezeichnete Zell-
gruppe (n. a.) , die auch auf den folgenden Schnitten
gut zu sehen ist. Mediale (ol. m), hintere Nebenolive (ol p).
47
Tafel 38.
>^ rin.>^"^ ' —'
Fig.
Tafel 39.
^^^
Fig. 1.
Fifj. 2.
Erklarung zu Tafel 39
Fig. I . Schnitt durch die Medulla in de?- Hoke des
X. ufid XII. Ke?'Jies.
Neben dem X, Kern tritt medial der des Hypo-
glossus (XII) am Boden der Rautengrube auf, dessen
Fasern nach aussen vom hinteren Langsbiindel (f) und
Schleife (L) durchtreten. Lateral von den Oliven ziehen
die fibrae arciiatae externae (fae) vom corp. restiform.
zur gleichseitigen Schleife, durch die Substant. reticularis
die librae arcuatae internae (fai) von der Schleife zum
medialsten Abschnitt des corp. restiforme der andern
Seite (kreuzen sich also in der Raphe). Ueber den
untern Oliven (ol) liegt die hintere medial von ihr
die innere Nebenolive (ol. m.). Aus dem corp. resti-
forme zieht die Kleinhirnseitenstrangbahn (Cb) tiefer
gegen die Pyramiden zu herab. Alles andere wie auf
dem vorigen Schnitt.
Fig. 2. Schnitt durch den Calamus scriptonis der
Medulla.
Die Corp. restiformia (c. r.) treten naher zusammen, die
Rautengrube (v. IV.) schliesst sich. In den corp. restif.
treten die Hinterstrangskerne auf. medial der nucl. Goll,
lateral der nucl. Burdach (n. f. p.). Aus diesen Kernen
Ziehen massenhaft die fibrae arcuatae internae (fai) herab
zur Schleife (L) der anderen Seite. Der Hypoglossuskern
(n. XII) senkt sich in die Tiefe. Der X. Kern endet.
Pyramide, Schleife (L), Subst. reticul. (Srt), Subst. gelatin.
(S. g.), absteig. V. Wurzel (V. c), Kleinhirnseitenstrang-
bahn (Cb), Solitaerbtindel (s), OHven (ol), fascic. long,
post, (t) etc. unverandert. Raphe der Haube (K).
48
Erklarung zu Tafel 40.
Fig. I. Schnitt diwch die Hintersti'angskerne.
Ueber den Kernen von Goll (n. G.) und Burdach
(n. B.) sind hier auch deutlich geschieden die Strange
dieser Kerne sichtbar (f. G. u. f. B).
Der Centralkanal ist mit dem XII. Kern (n. XII)
in die Tiefe der Medulla geriickt.
Die fibrae arcuatae internae (fai) und externae (fae)
sind deutlich. Alles iibrige wie auf den vorherigen
Schnitten , nur die Oliven (ol.) betrachtlich verkleinert.
Fig. 2. Schnitt durch die Medulla unterhalb der
Oliven.
Nach dem Verschwinden der Oliven wird die Med.
betrachtlich kleiner.
Die Hinterstrangskerne (n. G. B.) werden kleiner,
die entspr. Strange (funicul. Goll, funic. Burdach) grosser.
Neben dem XII. Kern tritt lateral auch der XL Kern
auf, dessen Fasern quer durchs Mark austreten.
Die Kleinhirnseitenstrangbahn (Cb) nimmt ein deut-
lich abgrenzbares Areal ein, dorsal von ihr die Substant.
geiatinosa (S. g.) und die absteig. V. Wurzel(V.c.) lateral
davon. Fibrae arcuatae int. u. externae, Subst. reti-
cularis (S. rt.) Schleife (L) (betrachtlich verkleinert),
Schleifenkreuzung (K), Pyramiden, innere Nebenolive.
Zvvischen den GoU'schen Strangen der sulcus longi-
tudinalis post. (S. p.) zwischen den Pyramiden der sul-
cus longitud. ant. (S a.). In den Pyramiden der nucleus
arciformis (n. a.).
49
Tafel 40.
i
Tafel 41.
Fig. 1.
K.ccrvl
Erklarung zu Tafel 41.
Fig. I. Schnitt dicht ilber der Pyramidenkreuzimg.
Die Pyramiden (Py.) treten mehr in die Tiefe und ver-
schieben sich gegeneinander, sie trennen dadurch die
schmale Schleifenschicht (fa.) auseinander. An ihrer
Spitze liegt noch der fascic. longit. post. (f.). Die Fibrae
arcuatae int. (fai.) ziehen noch deutlich aus dem GoU-
schen Kern (n. G.) zur gekreuzten Schleifenschicht.
Die Hinterstrangskerne (n. G. B.) werden kleiner,
die Substantia gelatinosa (S. g.) immer miichtiger (Beginn
des Hinterhorns), in der Substant. reticul. tegmenti (Srt.)
wird der Bezirk neben den Resten der Schleife und des
fascicul. longitud, post, zur Vorderhornanlage (corn. a.).
Lateral davon werden die Fasern der Subst. reticularis
zum Vorderseitenstrangrest (11.) und zum Gower'schen
Strang (G.), dahinter liegt die Kleinhirnseitenstrangbahn
(CI.). In der Mitte der hier verschwindende XII. und
der noch deutliche XL Kern. Die Nebenoliven ver-
schwinden. Der spinale Teil des N. XI entspringt im
lateralen Vorderhornabschnitt aus dort gelegenen Zell-
gruppen.
Fig. 2. Schnitt durch die PyramidenJzreuzung.
Die Hinterstrangskerne sind verschwunden, das Gebiet
ist ganz von den Hinterstrangsfasern (Goll'scher, Burdach-
scher Strang (f. G. B.) eingenommen.
Die Pyramiden ziehen sich kreuzend, das Vorder-
horn durchsetzend (D. Py.) in die Tiefe des Seitenstranges
der anderen Seite.
Das Hinterhorn (S. g.) ist deuthch erkennbar. Alles
andere wie auf dem obigen Schnitt.
Vorderhorn (C. a.), Centralkanal (c. c.) , Sulcus
anterior (S. a.), Sulcus posterior (S. p.))
50
Erklarung zu Tafel 42.
Die Schnitte sind von jetzt ab , dem usus gemass, umgekehrt
gestellt. Der dorsale Abschnitt sieht nach unten (S. p.), der ven-
trale (S, a.) nach oben.
Fig. I. Schnitt du?'chs oherste Halsmark dicht unfer
der Py7'amidenkreuzung. (i. Cervikalnerv.)
Die Pyramiden (Py.) sind grosstenteils aus dem
Vorderstrang verschwunden und befinden sich im ge-
kreuzten Seitenstrang. Im Vorderstrang liegt noch der
kleine angekreuzte Pyramidenslrang (Py. a.) und der Vor-
derstrangrest (fa.) (aus dem fasc. longitud. post.) Im
Seitenstrang befinden sich die gekreuzte Pyramidenbahn
(Py.) •, der Vorderseitenstrangrest (fal), die seitliche Grenz-
schicht (fl.) und das Gowers'sche Biindel (G.) als Fort-
setzung von Fasern der substant. reticularis tegm.; die
Kleinhirnseitenstrangbahn (C. b.) aus dem corp. restif.
(ventraler Abschnitt).
In den Hinterstrangen liegen der Goirsche (f. g.)
und der Burdach'sche Strang (f. B.).
In der Tiefe des sulc. longitud. ant. (S. a.) liegt
die commissura anterior (d.), die spinale Fortsetzung der
Pyramidenkreuzung, dahinter der Centralkanal (c. c.) und
die hintere Comisbur.
Vorderhorn (C. a.) und Hinterhorn (c. p.) sind voU-
kommen ausgebildet, im Hinterhorn die hoch oben schon
bemerkbare Substant. gelatinosa (S. g.) noch breit ent
wickelt. Die obersten Cervikalnervenwurzeln treten hier
aus dem Vorderhorn (vordere Wurzeln) und in den lateralen
Abschnitt des Burdach'schen Strangs (hintere Wurzeln
in die hintere Wurzelzone).
Fig. 2. Schnitt durchs obere Halsmark i?t der Hi) he
des 4. Ce7'vikalnerven.
Bezeichnung wie bei Fig. i. Die Subst. gelatinosa
(c. p.) im Hinterhorn ist wie auf den folgenden Schnitten
viel schmaler geworden. Ursprung des phrenicus in den
Vorderhornzellen (Ca ). -%^
51
I
Tafel 42.
Fig. 2.
Tafel 43.
rcL
Fig. 1.
Sj^
Erklarung zu Tafel 43.
Fig. I. Schnltt diu'ch die Halsmarkanschwellyng
in der Hohe des VII. Cervikal7ierve?i (piex. brachialis).
Die graue Substanz ist infolge der machtigen Entwick-
lung des Vorderhorns (C. a.) betrachtlich verbreitert.
Die Zusaramensetzung ist dieselbe wie auf 42,1 ange-
geben. Im Vorderhorn liegen die Zellen fur die mo-
torischen peripherischen Neuren der Armmuskeln (hier
speziell fiir Vorderarmmuskulatur). Man unterscheidet
eine mediale kleinere (m) und eine laterale (1) Gang-
lienzellgruppe. Die laterale (und mediale) zerfallt wieder
in eine vordere (1. a.) und hintere (1. p.) Abteilung. Ge-
naueres iiber die Lokalisation ist sicher nicht bekannt.
Die lateralen Gruppen diirften die eigentlichen motori-
schen Ganglienzellen enthalten. Hinter den motorischen
Zellgruppen liegen die sogenannten ,,Mittelzellen" (c)
um diese verasteln sich zahlreiche Collateralen aus den
hinteren Wurzeln und auch aus den Seiteastrangen
Die hinteren Wurzeln (r. p.) und ihr Verlauf sind besser
auf Tafel 47,1 zu erkennen.
Fig. 2. Schnitt durch das ober-e Briistmark in der
Hohe des III Brustnerven.
Fig. 3. Schnitt durchs mittlere Briistmark in der
Hohe des VI. Brz(stne?'ven.
Das Vorderhorn wieder schmal, aus ihm entspringen
die peripherischen Neuren fiir die Intercostalmuskeln.
Man erkennt an der Basis des Hinterhornes die Anlage
der Clarke'schen Saulen (CL). Canalis centralis (c. c).
Die Goirschen Strange verschwinden mehr und mehr
nach unten zu.
Die iibrigen Verhaltnisse ungeiindert.
Vordere Wurzeln (r. a.), hintere Wurzeln (r. p.).
52
Erklarung zu Tafel 44.
Fig. I. Schnltt diirchs witerste Bnist??iark in der
Hohe dcs XI. Briistncrven.
Das Vorderhorn (C.a.) nimmt zu, und andert seine
Configuration, die Clarke' schen Saulen (C. 1.) mit ihren
Zellen sind gross und heben sich scharf ab. Aus ihnen
Ziehen die Fasern zu dem gleichseitigen Kleinhirnseiten-
strang (C.l.) und verlaufen mit dieser cerebellar (zum
gekreuzten nucleus tegmenti im corp. restiforme). Die
Pyramidenseitenstrangbahn (Py.) tritt unterhalb des Ur-
sprungs der Kleinhirnseitenstrangbahn ganz an die Peri-
pherie heraus. Die Pyramidenvorderstrangbahn wird
kleiner und erschopft sich im obersten Lendenmark,
auch alle iibrigen Strange verschmalern sich, nachdem
sie den grossten Teil ihrer Fasern in hoheren Segmenten
abgegeben haben.
Fig. 2. Schnitt diirch das ohere Lendenmark , in
der Hohe des II. Liimbalnerven.
Fig. 3. Schnitt durch das untere Lendenmark in
der Hohe des IV. Lumbalnerven.
Das Vorderhorn und das Hinterhorn dehnen sich be-
deutend aus. Die graue Substanz gewinnt fast das Ueber-
gewicht iiber die weisse. Die Zellgruppen im Vorder-
horn sind analog denen des Halsmarks. Aus ihnen
entspringen die periph. Neuren fiir die Beinmuskeln.
Die hinteren Wurzeln (r. p.) riicken in dicken Biindeln
in die hinteren Wurzelzonen ein, ihre CoUateralen und
kurzen Aste strahlen bogenformig (r) ins Hinterhorn ein.
Naheres siehe Tafel 47,2.
53
""W^-z: Sa
Tafel 44.
, i'^V/. J.
Fig. 2,
Fig. 3.
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Tafel 77.
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Erklarung zu Tafel 77.
Degenerationen peripherischer Nerven.
Fig. I. Aiifsteig-ende sekunddre Degenerationim N. ischiadicics
bet Amputatioti des Unterschenkeh,
Bei einem Manne war vor 14 Jahren die hohe Unterschenkel-
amputation vollzogen worden. Die Figur zeigt den Rand eines
Nervenbiindels, in dem ein grosser Teil der Nervenfasern za Grunde
gegangen ist, besonders die groberen Fasern sind sekundar aufsteigend
degeneriert (in Folge der dutch den Funktionsausfall bewirkten pri-
maren Neuronzellenerkrankung im Lendenmark?), die feineren zum
Teil noch besser erhalten. (Vergk den normalen Querschnitt T, 46, 3).
Fig. 2. Absteigende Degeneration des rechten N. opticus
nach Zerst'oriing des linken corp. geniculat. laterale tind des
rechten Vier/iilgels.
Im Sehnerven verlaufen Fasern , die ihre Neuronzelle in der
Retina haben (grosster Teil) nebeu solchwi, die ihre Zelle in den
genannten subkortikalen Opticuscentren haben ; diese letzteren
degenerieren also absteigend, jene aufsteigend. Wir erkennen hier
eine sectorenformige Lichtung (x) im N. opticus. (Vergl. den nor-
malen Opticus Tafel 46).
Fig. 3. Compressionsneuritis des opticus.
Bei einem Fall von Akromegalie (s. d.) hatte eine maligne
Hypophysengeschwulst den N. opticus umfasst uud zur partiellen
Degeneration (x, x) gebracht. v ■= vagina n. optici. (Duralscheide).
Fig. 4. Motorischer Nervenast bei spinaler Mushelatrophie.
Man erkennt den betrachtlichen Faserausfall , diffus verteilt. (Zu
Fall Tafel 72, 3 gehorig.)
Fig. 5. Hintere Wiirzel vom Lendenmark bei Tabes dorsualis,
(Zu Fall Tafel 73, 3 gehorig.) Das vorliegende Biindel (x) der
hinteren Wurzeln enthalt kaum noch 10 normale Fasern, rechts da von
ist ein besser erbaltenes. V = Blutgefasse.
Fig. 6. B'undel vom N. peronetis bei neurotischer Muskel-
atrophie. Man erkemt den herdweise auftretenden Faserausfall bes.
in den mittleren Biindelbezirken. Riickenroarksbeteiligung ist nicht
ausgeschlossen (motor. Vorderhornzellen ?).
S3
Erklarung zu Tafel 78.
Neuritis multiplex.
Fig. 1 und 2. Priiparate voti sc/nverer alkoholischer Poly-
neuritis (i voni jy. cm r a lis ^ 2 vom jV. ischiadictis).
Ein 40jahriger Mann, starker Potator, erkrankt ziemlich akut an
zunehmender Schwache der Beine. die rasch zu vollkommener Lahmung
derselben fiihrt. Bei Druck starlie Schmerzempfindlichkeit , Patellar-
reflexe erloschen, Sensibilitatssloriingen, rasch sich entwickelnde Muskel-
atrophieen. Nach Strychnininjektionen verschlimmert cichi der Zustand !
Auch die Aime warden beteiligt. Psychische Storungen bestehen.
Exitiis nach 2V2 Monaten.
In alien peripherischen Nerven besteht ein hochgradiger Faser-
untergang, in manchen Blindeln (s. Fig. 2) kaum mehr 6 — 10 normale
Nervenqueischnitte (vergl. Tafel 46, 2). Diese Degeneration setzt sich
bis in oie vorderen Riickenmarkswurzeln fort.
^ig- 5 Qiiersc/inilt vom Halsmark dieses Falles.
Man erkennt die ungemein deutliche Atrophic der vorderen dnrch
den \'orderseitenstrang ziehenden Wurzeln (r. a.), auch im Vorderhorn
besteht eine merkliche Lichiung im medialen Bezirk (m.) desselben,
infolge der Degeneration der hier einstrahlenden vorderen Wurzeln.
Im GoH'schen Strang leichte aufsteigende Degeneration (lange
Fasern der hinteren Wurzeln).
Fig. 3. Neuritis postdiphtheritica.
Querschnitt durch ein iUindel vom N. cruralis mit hochgradiger
Faserdegeneration. Stammt von einem i 5 jahrigen Knaben, der nach
Abheilung einer Rachendiphtherie akut an Schlinglahmung, bald auch
an progressiver Lahmung der Beine erkrankte. Patellarreflexe erloschen
innerhalb 10 Tagcn, Schmerzen, Sensibilitatsstorungen gering. Exitus
an Vaguslahmung.
Fig. 4. Lcing'ssclinitt durch ein Ner-o enbu ndel vom N. ischia-
dictis bei infektioser multipler Neuritis (Landry''scke Paralyse).
Von einem Teil der degenerierten Nervenfasern restieren die noch
nicht wegtransportierten Zerfallsprodukte (Myelinkugeln). Die Nerven-
fasern befinden sich in alien moglichen Stadien des degeneraliven
Zerfalles.
Das Praparat riihrt von einem in seiner Entstehung unklar ge-
bliebenen Fall her. 30jahrige Frau, rasche schwere Erkrankung
(FieberV), complete Lahmung erst der Beine, rasch der Arme (auf-
steigende Paralyse); Patientin kommt in fast bewusstlosem, sehr ver-
nachlassigten Zustand erst zwei Tage ante exitum in arztliche Be-
handlung. (Riickenmark nicht untersucht).
89
4
Tafel 78.
I. Abschnitt.
Morphologic des Nervensystems.
(Tafel 1 — 10).
Das Nervensystem des Menschen setzt sich zu-
sammen
i) aus dem Central org an (Gehirn-Riickenmark)
nebst den daraus entspringenden periphe-
rischen Nerven und
2) aus dem Sympathischen Nervensystem,
bestehend aus dem vSympathicus-Grenzstrang
und dessen Fasergeflechten.
Beide Teile stehen unter einander durch zahlreiche
Nervenbahnen in Verbindung.
G e h i r n und R ii c k e n m a r k liegen in einer
knochernen Kapsel (Schadelraum - Wirbelkanal), aus
derselben treten die peripherischen Nerven heraus in
die Weichteile. Der Sympathicus - Strang liegt zu
beiden Seiten der VVirbelsaule, dicht vor derselben.
Gehirn und Ri.ickenmark sind von drei hautigen
Hiillen umgeben, den Hirnhauten.
Die ausserste ist die, dicht unter dem Knochen
iiegende und im Schadelraum Perioststelle vertretende
harte Hirnhaut, dura mater, eine derbe, fibrose
Haut. Sie umschliesst sackartig Gehirn-Ruckenmark,
und audi alle austretenden Nerven innerhalb deren
Austrittskanalen ; hier endet sie an den Lochrandern
der Schadelbasis festwachsend. In der dura verlaufen
die weiten Sammelkanale fiir das venose Blut des
Gehirns , die in die vena jugulai'. int. einmiindenden
sinus venosi (sin. falciform, sup., inf , cavernosus,
petrosus, transversus etc.).
Ins Innere des Schadelraumes treten Fortsatze der
dura ein. Der senkrecht von oben nach unten in der
sagittalen Medianlinie verlaufende, vorn an der crista
galli fest haftende processus falciformis major
(Sichelfortsatz), der den Schadelraum in seiner oberen
Halfte halbiert, und das als Dach der hinteren Schadel-
grube quer verlaufende Tentorium.
Die dura liegt dem Gehirn-Riickenmark nur lose
auf, unter ihr befindet sich ein mit Lymphe gefullter
Raum (subduraler Lymphraum).
Die zweite HuUe ist die diinne Spinnweben-
haut, Arachnoidea. Sie liegt dem Gehirn dicht,
dem Riickenmark loser auf. dringt aber in die Ver-
tiefungen des Gehirns nicht ein , sondern uberbruckt
dieselben. Bindegewebige Bestandteile der Arach-
noidea sind die Pacchionischen Granulation en
zu beiden Seiten des Sichelfortsatzes. Unter der Arach-
noidea liegt der in zahlreiche aber zusammenhangende
Facher zerfallende subarachnoideale Lymphraum (die
Cerebrospinalfllissigkeit enthaltend). Die innerste Hulle
bildet die pi a mater, mit der Arachnoidea zu-
sammen , als ,,weiche Haute'" bezeichnet. Die Pia
senkt sich, der Nervensubstanz dicht anliegend, in
alle P"urchen und Hohlen (als tela chorioidea) der-
selben ein. Sie fuhrt die zahlreichen Blutgefasse der
Gehirn-Riickenmarkssubstanz zu.
Das Gehirn zerfallt in die beiden Grosshirn-
hemispharen und den damit verbundenen Hirn-
5 tarn m, des letzteren direkte Fortsetzung ist das
Riickenmark. Das letztere verlauft ungefahr senk-
recht zur Lage des Grosshirns; dies kommt dadurch
zu stande , dass der Hirnstamm cine Kri.immung um
fast 90^ nach unten macht.
Das Gewicht des Gehirns vom Erwachsenen be-
tragt ca. 13 — 1400 g.
Die beiden, nur an ihrer medianen Flache unter
sich verbundenen Grosshirnhemispharen bestehen aus
ciner ihre Oberflache iiberziehenden grauen Schicht,
der Rind en subs t a n z, cortex cerebri und aus
eincr unter der Rinde, central gelegenen weisseii Masse,
der M a r k s u b s t a n z.
Die Rinde iiberzieht das ITemispharenmark nicht
glatt, sondern ist infolge der Biklung zahlreicher Fur-
chungen (sulci) in wurinformigen VVindungen (gyri) an-
geordnet (Oberflachenvergrosserung). Von den Win-
dungen ist ein Teil constant, ein anderer ist indivi-
duellen Variationen untervvorfen.
Jede Grosshirnhemisphare zerfallt in verschiedene
Lapp en (lobi); jeder Lappen umfasst mehrere Rinden-
windungen und einen Teil der Marksubstanz.
In der vorderen Schadelgrube liegt der lob us
frontalis, den vorderen Hirnpol bildend, mit
2 Hauptfurchen (sulc. front, sup. und inf) und 3 da-
durch abgegrenzten Windungen (gyr. front, sup, med.
und inf.).
Hintcr dem Stirnlappen liegt eine etwas hinter
der Mitte jeder Hemisphare von hinten oben nach
vorne unten zu verlaufende tiefe Furche, der sulcus
centralis von Rolando. Er trennt die beiden
jjCentralwi ndungen" (gyrus centr. ant. und post.).
Hinter den Centralwindungen liegt der I o b u s
pari eta lis, durch den sulc. interparietalis in die
Windungsgruppcn des lob. pariet. sup. und inf zerfallend.
An diesen Lappen grenzt der lob. occipitalis,
der den hi n tern Hirnpol bildet, VVie der Stirn-
lappen zerfallt er in 3 Windungen (gyr. occip. sup.
med. inf); der Occipitallappen liegt init seiner basalen
Flache dcm Tentorium auf.
In der mittleren Schadelgrube liegt der Schliifen-
lappen (lob. temporal.) mit 3 Furchen (sulc. temp,
sup. med. inf) und drei Windungen (gyr. temp. sup.
med. inf); derselbe ist nach vorn und oben durch
eine sehr tiefe und breite Furche, die fossa Sylvii
von Stirnlappen und Centralwindungen getrennt ; mit
den unteren Schcitellappenwindungen hangt er hinten
direkt zusammen. Es entstehen so im lob. pariet. inf.
drei bogenformige Windungen von vorn nach hinten
— 4 —
als gyr. supramarginalis, annularis und praeoccipitalis
bezeichnet.
In der Tiefe der Sylvischen Grube liegt ein
weiterer Lappen, die von den benachbarten Lappen
(besondei's dem lob. temp, und centralis) iiberdeckte
insula Reilii mit ihren kleinen gyri.
Die bisher angegebenen Windungen erkennt man
an der ausseren, convexen Hemispharenflache.
An der medialen Flache der Hemispharen
findet sich am Stirnlappen die Fortsetzung der obersten
Stirnwindung. Die C e n t r a 1 w i n d u n g e n vereinigen
sich im lob. paracentralis , der Parietallappen
setzt sich als Praecuneus fort. Dieser ist durch die
fissura parieto-occipitalis von der niedianen Occipital-
lappenflache getrennt. Die letztere zerfallt in den
Cuneus und darunter liegt getrennt durch die fissura
calcarina der lob. Hngualis.
An der Unte r flache des Schlafenlappens grenzt
an den gyr. temp. inf. der gyrus occipito-temporalis,
medial davon, getrennt durch den sulcus occipito tem-
poralis liegt die untere Ran dwi n du ng, der gyrus
Hippocampi, vorn als uncus endend. An der Basis
des Stirnlappens sind als Furchen noch der sul-
cus rectus und lateral davon der sulcus triradiatus zu
nennen (dem gyr. frontal, med. zugehorig). An der
von den oben genannten Windungen umsaumten
mittleren Partie der medialen Hemispharenflache andern
sich die \^erhaltnisse. Die Rinde endet oben als
gyrus fornicatus und unten als gyrus Hippocampi
(obere und untere Randwindung). Unter der oberen
Randwindung bricht die weisse Markmasse aus dem
Hemisphareninneren heraus , beide Teile vereinigen
sich und bilden so den Balken, corpus callosum.
Ueber der unteren Randwindung tritt ebenfalls
convergierend die weisse Markm.asse aus den Hemi-
spharen heraus (Hi rn sche n kelfus s) und bildet
vereint einen Teil des von hier ab beginnenden Hirn-
stammes.
— 5 —
Zwischen Balken und Hirnschenkel liegt eine Reihe
von Gebilden und Raumen verdeckt , die unten des
naheren besprochen werden. Die ganze genannte
mittlere Partie, die von den Randwindungen umsaumt
wird, ist also nicht mehr von Rindensubstanz iiber-
deckt.
Der Balken, durch den also beide Hemispharen
verbunden sind, bildet ein dickes Lager weisser Mark-
masse; sein grosster mittlerer Teil verlauft ziemlich
horizontal ; an seinem vorderen Abschnitte (genu corp.
call.) biegt er basalwarts und schliesslich etwas nach
hinten urn ; sein hinteres Ende verdickt sich zum Balken-
Wulst (splenium c. c.) Die im Innern jeder Hemi-
sphare liegende weisse Mark masse bildet den
Kern der bisher beschriebenen verschiedenen Hemi-
spharenlappen. Sie wird in ihrer oberen Halfte bis
zur Hohe des Balkens hauptsachlich aus dem ein-
strahlenden Marke des Balkens gebildet und heisst
hier auf dem Durchschnitt Centrum semiovale
Vieussenii. In seinem basalen Telle ist in das Mark
eingebettet eine ganseeigrosse grau-rotliche Masse, das
Stammganglion des Grosshirns (corpus striatum),
zerfallend in Linsenkern (nucleus lentiformis)
lateral und Schwanzkern (nucleus caudatus)
medial ; diese Teilung bewirkt der zwischen beiden ver-
laufende, oben schon angegebene Markzug, der an der
Basis jeder Hemisphare als Hirnschenkelfus hervortritt.
Im Innern jeder Hemisphare liegt ein Hohlen-
system, der mit Lymphe geflillte Seiten vent r ikel
fventricul. lateral.) Sein Dach wird durch die mediale
Halfte des jederseitigen centrum semiovale gebildet,
deshalb auch tegmentum ventriculorum genannt.
Die Oberflache des Stammganglions tritt als
Streifhiigel (corp. striatum) aus der Markmasse
frei heraus und ragt von aussen und unten in den
Seitenventrikel herein.
Dieser Teil des Seitenventrikels, der zwischen
dem seitHchen Balkenabschnitte und der Stammganglion-
— 6 —
oberflache liegt, heisst eel la media. Der Ventrikel
setzt sich nach vorne und hinten weiter fort : in den
Stirnlappen mit seinem Vor der horn (cornu anter.),
nach hinten in den Hinterhauptslappen mit seinem
Hinterhorn (cornu post.), nach unten in den Schlafen-
lappen mit seinem Unterhorn (cornu inf. \ Vorder-
und Hinterhorn Hegen allseitig geschlossen in der Mark-
substanz der Hemispharen ; das Unterhorn dagegen
ist gegen die Medianlinie zu offen (Unterschhtz) ; es
entsteht namlich durch eine Ein- und Aufrollung der
unteren Randwindung, des gyr. Hippocampi , welcher
dadurch in das Unterhorn hinein als ein Wulst (cornu
Ammonis) ragt. Das eigenthche Ende der Rinde
vom gyr. Hippocampi bildet der schmale gyrus den-
tatus (sive Fascia Tarini). (Dies X^erhalten ist gut zu
erkennen auf den Durchschnitten der Tafel 27).
Vom freien Rande des Ammonshornes nimmt die
markweisse Fimbria (das Endstiick des Markes
von gyr. Hippocampi bildend) ihren Ursprung. Sie
steigt mit dem oberflachhch gerippten Ammonshorn
(Digitationes c. A.) vom vorderen Ende des Unter-
hornes an nach hinten und aufwarts ; am Abgang des
Unterhorns von der cella media trennt sich die fimbria
vom corn. Ammon. und begibt sich als aufs t eig en-
der Schenkel des Gewolbes (crus ascendens
fornicis) mit dem der anderen Seite convergierend zur
unteren Flache des hinteren Balkenabschnittes (in dem
dadurch in der Mitte freibleibenden Dreiecke das Psal-
terium). Der vereinte fornix zieht unter dem Balken
mit diesem vereint eine Strecke weit nach vorn, trennt
sich aber, bevor er das Balkenknie erreicht, wieder
von dem Balken und steigt , in die beiden a b s t e i -
genden Sch enkel zerfallend, abermals in die Tiefe.
An der Basis biegen die crura descend, fornicis nach
riickwarts um und enden in den beiderseitigen corpora
candicantia der Gehirnbasis (s. d.).
Zwischen dem Balkenknie und den absteigenden
Gewolbsschenkeln bleibt infolge des beschriebenen
— 7 —
Verhaltens in der Mitte ein Raum frei, der durch
zvvei schmale I. eistchen (septum peUucidum) mit
eincm klcinen dazwischenliegenden Ilohlrauin (yentri-
culus septi pellucidi) ausgefullt ist. Seitlich voii jedem
Septum liegt der Seitenventrikel unter dem Balken.
In den Seitenventrikel ragt also vom Boden her
aus dem Hemispharenmark aufsteigend, der Streif-
hiigel mit seiner Oberflache herein. Sein vorderer
breitester Teil, gegen das Vorderhorn zu gelegen,
heisst Caput corp. str. (sein Durchschnitt nucleus
caudatus). Vom Kopf an zieht nach hintcn und
aussen verlaufend der schmale „Schwanz" desselben,
der am Abgang des Unterhorns nach unten umbiegt,
und schliesslich als ein Teil des Daches vom Unter-
horn hier weiter nach vorn zieht.
Medial vom Streifhiigel, verlauit ein schmaler
weisser Streifen parallel mit demselben, die stria cornea ;
sie trennt den Streifhiigel von einem medial und hinten
von ihm machtig hervortrctenden Gebilde, dem Tha-
lamus opticus, Sehhiigel, einer auf dem Durch-
schnitt gleich dem Stammganglion grau - rotlichen
Masse. Uie beiderseitigen Thalami treten sich einander
niihernd nach hmten mehr und mehr der Mittellinic
zu, der zwischen ihnen bestehende Hohlraum ist der
d r i 1 1 c o d e r m i 1 1 1 e r e V e n t r i k e 1.
Die Seitenventrikel der Hemispharen, speziell die
cella media derselben steht mit dem dritten Ventrikei
in direkter Verbindung durch einen schmalen Schlitz
dicht hinter den absteigenden Gewolbsschenkeln
(foramen Monroi).
Das Dach des III. Ventrikels wiirde der fornix
mit dariiberliegendem Balken bilden, vvenn nicht von
der Pia mater unter dem Splenium corp. callosi (Gross-
hirnschlitz) ein Fortsatz dieser Ilirnhaut in den hier
offenen III. Ventrikei hereindringen wiirde. Diese ge-
fassfiihrende Fortsetzung der pia verlauft unter dem
fornix dlinn ausgebreitet den III. Ventrikei deckend
nach vorn als tela chorioidea superior, sie ent-
— 8 —
halt in der Mitte zwei strangforinige, kornige Gebilde
(plexus chorioidei med.), diese dringen in dem
foram. Monroi aus dem III. in die Seitenventrikel ein
als plexus chorioid. lateral, und ziehen hier,
dem lateralen Rand des Thalamus aufliegend, nach
hinten , um schliesslich ins Unterhorn umzubiegen.
Dort hangen sie mit der durch den Unterhornschlitz
hereindringenden Pia zusammen.
Wie schon bemerkt wird die weisse Hemispharen-
markmasse durch die irn mittleren Teil jeder Hemi-
sphare auftretenden und gegen deren basalen Abschnitt
zu mehr und m.ehr an Ausdehnung gewinnenden grauen
Massen des Stamnjganglions und des Thalamus opticus
eingeengt. Die aus dem centrum semiovale tiefer
hinab ziehenden Markziige durchbrechen das Stamm-
ganglion als vorderer Schenkel der inneren
Kapsel und trennen dadurch den lateral gegen den
Insellappen zu gelegenen Linsenkern vom nucleus cau-
datus. Ein weiterer Teil des Hemispharenmarkes zieht
als hinterer Schenkel der inneren Kapsel
zwischen Linsenkern und Thalamus opticus nach unten.
Beide Schenkel treften am Knie der inneren Kapsel
zusammen. Die Bestandteile des inneren Kapselmarkes
treten teils in das Stammganglion und den Thala-
mus opticus ein und verschwinden darin. teils ziehen
sie in der inneren Kapsel weiter basalwarts und treten
als der oben schon angefuhrte H irnschenkelf us s
(Pedunculus cerebri) an der Hirnbasis aus den Hemi-
spharen heraus.
Der keilformig zwischen innerer Kapsel und Insel-
lappen sich einschiebende Linsenkern zerfallt in
mehrere Abschnitte, in einen lateralen grosseren Pu-
tamen, und mehrere medial gelegene entvvicklungs-
geschichtlich davon zu trennende Innen-Glieder, globus
pallidus genannt. Putamcn und nucleus caudatus
zusammen bilden das eigentliche Stammganglion.
Lateral vom Putamen setzt sich das Hemispharen-
mark als die dlinne Capsula externa nach unten fort;
— 9 —
zwisclien dieser und dem Marke des Insellappens liegt
noch einc schmale, parallel der Inscl v^erlaufende graue
Masse, die Vormaucr (claustruni).
Unter dem l.insenkern gewinnt das Hemispharen-
mark, das diirch die grauen Massen , wie angegeben,
aiif schmale Stieifcn (Capsula interna und externa)
eingeengt war, wieder mchr Ausdehnung, besonders
nach hinten zu als Mark des Schlafenlappens. Unter
dem vordercn Teil des Linsenkerns, eingelagert in die
Markmasse zwischen Stirn- und Schlafenlappcn, findet
sich an der Basis noch eine kleinere rundliche graue
Masse, der Mandelkern, nucleus amygdalae.
Der Thalamus opt. liegt erst nach Entfcrnung
desBalkens mit fornix und tela chorioid. an seiner Ober-
und Medianflache frei. Er zeigt vorn einen kleinen
Hocker (tuberculum ant.) und dehnt sich nach hinten
vorspringcnd als Pulvinar aus.
Durch die medialen Flachen der thalami vvird
die seitliche Wand des III. Ventrikels gebildet. An
der oberen inneren Kante des thalamus entlang zieht
die schmale, aus der Tiefe auftauchendc taenia medul-
laris, die nach hinten convergierend pedunculus conarii
heisst und sich mit dem i)ed. der cinderen Seite kreuzt;
seitlich von der Kreuzungsstelle liegt beiderseits das
kleine ganglion habenulae. Der Kreuzung liegt die
damit in keinem Zusammenhang stehende haselnuss-
grosse Zirbeldriise (Epiphyse, conarium, glandula pine-
alis etc.) auf.
Quer durch den III. Ventrikelhohlraum verlaufen
drei kurze Verbindungsstrangclchcn zwischen beiden
Seiten. Dicht vor den absteigenden Fornixschenkeln
in der Tiefe die starke, weisse Commissura ante-
rior, durch die Mitte des III. Ventr. die zerreissliche
graue Commissura media, dicht unter und vor den
sich kreuzenden pedunc. conarii die C o m m i s s u r a
p o s t e r i o r.
Unter dem jederseitigen Thalamusgebiet liegt ein
Bezirk, in den ein Teil der Markmassen aus Linsen-
10 —
kern, Thalam. opt. und Capsula interna eintritt, er
heisst regio sub thai a mica. In ihr liegt das ovale
corpus s u b t h a 1 a m i c u m und der Anfang des noch
weiter nach hinten im Hirnstamme reichenden roten
Kernes (nucleus ruber).
Der III. Ventrikel endet vorn zwischen den
beiden absteigenden und etwas auseinander weichenden
Fornixschenkeln ; nach unten setzt er sich , trichter-
fonnig sich verengend, als infundibuluni fort; dessen
Abschluss bildet die Hypophysis cerebri in der sella
turcica des Keilbeins. Nach hinten verliert der Ven-
trikel infolge der mit ihrer unteren Halfte sich mehr
und mehr aneinander lagernden medialen Thalamus-
flachen an Tiefe und setzt sich unter der ihn von
oben einengenden Commissura post, fort als ein enger
Kanal, Aquaeductus Sylvii.
Wiihrend die unteren Thalamushalften ganz ver-
wachsen, werden die oberen in ihrem hintersten Ab-
schnitte (Pulvinar) durch die hinter der commiss.
post, auftretenden Vierhiigel (corpora quadri-
gemina) auseinander gedrangt. Die Vierhiigel zer-
fallen in die zwei vorderen und in die zwei hinteren
Hiigel (cor p. quadrigem. ant. und post.). Von
den Vierhiigeln ziehen seitwarts die beiden Arnie
(brachia), das brach. ant. und post, zu den zwischen
den Vierhiigeln und dem Pulvinar sich einschiebenden
Kniehockern (corpus genie ulatum later ale und
mediale). Aus dem corp. genicul. lat. tritt der weisse
tractus opticus basalwarts aus.
Unter den Vierhiigeln zieht das Hohlensystem
als Aquaeduct weiter, die nachste Umgebung bildet
das centrale Hohlengrau , das audi , die Thalanius-
oberflache iiberziehend, den III. Ventrikel auskleidet.
Unter den Vierhiigeln liegt das durch den Zu-
sammentritt der Thalami aus der regio subthalamica
entstandene Gebict der Hanhc (tegmentum). Basal
von der Haubenregion sind aus den beiderseitigen
Hemispharen als Fortsetzung der Marksubstanz der
II —
vor
inneren Kapsel die HiniscJienhel convergierend hervor-
getreten; sie bildeii unter der Hirnschenkelhaube den
Hirnschenkelfuss (Pedunculus). Zwischen Haube und
Fuss liegt eine braunliche, halbraondformige Masse,
die Substantia nigra.
Hinter den Vierhiigeln schiebt sich, bedeckt vom
tentorium, das Kleinhirii (Cerebellum) unter den
Occipitallappen der Grosshirnhemispharen ein (in der
hinteren Schadelgrube). In der Mitte liegt der Wurm
(vermis), zu beiden Seiten die Hemispharen des
Kieinhirns.
Unter den Vierhiigeln zieheii aus der Hauben-
region die B i n d e a r m e ins Kleinhirn (processus
cerebelli ad corpora quadrigem.). Zwischen denselben
stellt das diinne velum meduUare ant. mit der lingula
den direkten Ubergang zum Kleinhirnwurme
Unter dem Marksegel tritt der
Aquaeduct durch und erweitert
sich, von den divergierenden Binde-
armen begrenzt, zum IV. Ven-
trikel. Den Zusammenhang des
Ventricularsystems lasst neben-
stehende Figur 1. erkennen.
Den Boden des IV. Ventrikels
bildet die Rauteng ru be (fossa
rhomboidalis). Unter ihr ver-
laufen die aus Hirnschenkel-Haube
und -Fuss weiterziehenden Be-
standteile des verlangerten
Markes (Medulla oblongata).
Das Dach des IV. Ventrikels
Teil des Wurmes (vermis inf.).
• c.cent
Fig. 1.
bildet der untere
In den Ventrikel
hinein tritt von hinten ein Pia-Fortsatz als tela chori-
oidea inf.
Die Hemispharen des Kieinhirns be-
stehen, wie die des Grosshirns , aus der oberflach-
lichen grauen Rinden- und aus der central gelegenen
weissen Marksubstanz. Sie zerfallen in eine Unzahl
— 12 —
kleinster, ziemlich parallel verlaufender Windungen,
die zu einzeinen Lappen angeordnet sind. Jeder
Lappen ist durch einen Teil des Wurmes mit dem
entsprechenden der anderen Hemisphare in continuier-
lichem Zusammenhang.
All der oberen Flache sind zwei Hemispharen-
lappen, der lob, super, ant. und post, (semilunaris),
beide verbunden durch den Oberwurm (lob. central.,
Monticulus, folia cacuminis).
An der unteren Flache befinden sich von vorn
nach hinten folgende Hemispharenlappen: Flocculus,
Tonsilla , lob. cuneiformis und lob. infer, post, (semi-
lunaris). Die Verbindung dieser Lappen stellt der
Unterwurm her (nodulus, uvula, pyramis, commissura
brevis sind dessen einzelne Bestandteile in derselben
Reihenfolge). Im Innern des Marklagers der Klein-
hirnhemispharen liegt das graue gefaltelte Blatt (corpus
dentatum cerebelli) und im Marklager des Wurms der
nucleus tegmenti (Dachkern) nebst anderen kleineren
zvvischen beiden gelegenen grauen Massen (embolus
(Propf), nucl. globosus).
Aus dem Kleinhirnmark ziehen nach vorne con-
vergierend die schon genannten Bindearme, nach
unten die processus cerebelli ad pontem,
weisse Markmassen, welche, die nach hinten ziehenden
Hirnschenkelfusszuge umfassend, an der Basis die
B r ii c k e (Pons V a r o 1 i) bilden. Nach hinten end-
lich Ziehen convergierend die processus cerebelli
ad me dull, oblong at. sive corpora resti-
formia (Strickkorper). Die Bindearme bilden die
seitliche Begrenzung der vorderen Halfte der Rauten-
grube, die corpora restiformia die der hinteren Halfte.
Die Form der Rautengrube entsteht eben durch die Con
vergenz dieser beiden Markstrange aus dem Kleinhirn.
Die Rautengr ube ist mit einer Schicht graucr
Substanz (centrales Hohlengrau) bedeckt, in der Mitte
der Grube verlaufen quer nach beiden Seiten zum
stumpfen Winkel convergierend die markhaltigen
— 13 —
weissen Fasern der Striae acusticae. Unter dem
Grau liegt die Fortsetzung der Bestandteile der Haube,
darunter, von den queren Briickenfasern des Cere-
bellum umfasst und durchsetzt, die des Hirnschenkel-
fusses , ausserdem liegt noch eine Anzahl kleiner
grauer Massen (Kerne) zwischen alien diesen sich
diirchflechtenden Markziigen ; all dies zusammen nebst
den hier austretenden Ner\'en baut die Medulla
oblongata auf.
Am hinteren Rande des Pons treten an der Basis
als Fortsetzung des Hirnschenkelfusses die markweissen
Pyramid en aus, lateral davon legen sich die Oliven
an, ein auf dem Durchschnitt vielfach gefalteltes,
graues Blatt.
Dorsal vom Pyramidenaustritt verschmalert sich
die Rautengrube mehr und mehr, die corp. restiform.
treten im spitzen Winkel zusammen, die Rautengrube
bildet hier den Calamus scriptorius. Am hintersten
Winkel (Obex) senkt sich der Ventrikel tiefer in die
Substanz der Medulla oblongata ein und geht, bald
ganz von der Oberflache verschwindend , in den im
Centrum des Markes gelegenen Centralkanal
iiber, der das ganze Ruckenmark als solcher durch-
zieht.
Die Markstrange der corpora restiformia
gliedern sich kurz vor ihrem Zusammentritt in einen
medial gelegenen Strang funiculus gracilis sive
f. Goll und in einen lateral gelegenen, den funi-
culus cuneiform is sive f. Burdach; beide zu-
sammen verlaufen anscheinend ununterbrochen als
HinterstrangedesRiic ken markes dorsal weiter
(funiculus posterior). Ventral spitzen sich die Pyra-
miden nach unten zu und treten von der Oberflache
hier in die Tiefe der MeduU. oblong, und auf die
andere Seite derselben, sich kreuzend' (Decussa tio
pyramidum); mit dem ventralsten Teil des corp.
restiforme , der nicht zu den Hinterstrangen tritt,
bildet dieser gekreuzte Pyramidenstrang zusammen
- 14 —
den Seitenstrang (funiculus lateralis) des Riicken-
markes Die Vorderstrange des Riickenmarkes
entstehen aus den unter den Pyramiden gelegenen und
nach deren Verschwinden zum Vorschein kommenden
Teilen (funiculus anterior).
Dm den Centralkanal , also in der Mitte des
Riickenmarkes , gruppiert sich die Fortsetzung der
grauen Substanz der Rautengrube mit ihren Kernmassen
als Vorder- und Hinterhorn angeordnet. Die
graue Substanz ist also hier mit dem Ventrikelsystem
in die Tiefe geriickt und liegt central, wahrend peripher
die weissen Markstrange angeordnet sind.
Die Medulla oblongata hat sich auf diese Weise
in das Riickenmark (Medulla spinalis) speziell
ins oberste Halsmark umgewandelt.
Wir haben noch einen kurzen Blick auf die Ge-
hirnbasis zu werfen. Vor den breit angelegten
Briickenmarkmassen treten die weissen Hirnschenkel
convergierend zusammen(Pedunculus cerebri). Zwischen
den Hirnschenkeln liegt in der Mitte die Substantia
perforata posterior, vor ihr die beiden erbsengrossen,
weissen Markhiigelchen (corp. candicantia, mammillaria).
Vor diesen die Fortsetzung des III. Ventrikels , das
Infundibulum mit der Hypophyse, davor das Chiasma
nervorum opticorum , zu dem sich die tractus optici
beider Seiten, den Pedunculus umgreifend, verbinden.
Das Riickenmark bildet einen rundlichen, weissen
Strang von ca. Kleinfingerdicke und zieht im Wirbel-
kanal knapp bis zum oberen Rande des 2. Len-
denwirbcls herab, umgeben von seinen Hauten.
Es nimmt von oben nach unten allmahlich an Umfansf
ab, bildet aber in seinem Verlauf zwei Anschvvell-
ungen, eine im Halsmark und eine im Lendenmark.
Diese Anschwellungen kommen durch starkere Aus-
dehnung der central gelegenen grauen Substanz der
Vorder- und Hintcrhorner zu stande. Zwischen beiden
Anschwellungen liegt das Brustmark, die untere Spitze
des Riickenmarkes bezeichnet man als conus medullaris.
15
Die drei Strange (Vorder-, Seiten-, Hinterstrang)
verlaufen, wie obeii geschildert, die graue Substanz
des \^order- und Hinterhornes umgebend, im conns
medullaris enden Strange und florner, der Seitenstrang
ist im conus noch am machtigsten, der Vorderstrang
am schmalsten. Die graue Substanz iiberwiegt hier
unten die weisse (im Halsmark etc. umgekehrt).
Zwischen beiden Vorderstrangen verlauft der tiefe
Sulcus longitudinalis anterior, zwischen beiden Hinter-
strangen angedeutet der sulcus longit. posterior.
Aus dem Hirnstamm und Riickenmarke treten als
?Ai Bi-indeln gesammelte Fortsetzungen dort verlaufender
Markstrangelchen die ■perifherischen JVerven aus.
Die Nerven zerfallen in die i2 Gehirn- und in
die 31 Rii c kenma rks nerve np aa re.
Die 12 Gehirnnerven entspringen an der Basis
cerebri (bis auf d^n vierten) in folgender Reihenfolge :
I. Nerv. olfactorius. Er wird gebildet durch
die zahlreichen kleinen, die lamina cribrosa des Sieb-
beins durchsetzenden Nervuli olfact. Diese treten in
den im sulcus rectus an der Basis des lobus frontalis
gelegenen bulb us olfact. ein. Der bulbus zieht
als tractus olfact. nach riickwarts und endet seitlich
vor dem Chiasma im trigonum olfactiv. Der tractus
olfactor. etc. stellt einen beim Menschen verkiimmerten,
bei den Tieren teilvveise zu einem machtigen vveiteren
Hirnlappen ausgebildeten Hirnabschnitt dar.
II. N. opticus. Beide Nerven treten aus den
Bulbi heraus, convergierend zum Chiasma zusammen,
unterliegen einer teilweisen Kreuzung (nasale mach
tigste Biindel) und ziehen als tractus optici iiber den
Hirnschenkelfuss weiter nach aufvvarts bis zum corpus
geniculat. lateral, in dem sie zu verschwinden scheinen.
III. N. o cul om o tori u s. Er tritt unter den
Vierhiigeln in vielen Biindeln durch die Substanz der
Haube und gelangt medial von dem Pedunculus am
vorderen Briickenrande an die Oberflache.
IV. N. trochlear is. Er trilt dorsal hinter
— i6 —
den hinteren Vierhligeln, im velum medul. sich total
kreuzend, hervor, von hier wendet er sich nach unten
der Basis zu und lauft uber den Pedunculus weiter
nach vorn,
V. N. Trigeminus. Er tritt mit einer vorderen
(mot.) und einer hinteren (sens ) Wurzel durch die
seitlichen Briickenfasern aus. Die hintere Wurzel
bildet das GangHon Gasserij dann zerfallt der Nerv
in seine drei Aeste.
VI. N. Abducens. Er entspringt vom Boden
der Rautengrube, durchsetzt die Medulla oblongata
und tritt am hintern Ponsrande hervor, seitlich von
den Pyramiden.
VII. N. facialis. Er tritt gemeinsam mit dem
folgenden nach aussen von der Olive am hintern Pons-
rande aus.
VIII. N. acusticus. Er wird durch zwei Wur-
zeln, den N. vestibularis (vord. med. Wurzel) und den
N. cochlearis (aus der Schnecke) (hint, lateral. W.),
gebildet und tritt mit dem facialis aus.
IX. N. Glossopharyngeus.
X. N. Vagus. Beide treten gemeinsam ventral
vom corpus restiforme in vielen Wurzeln aus. Der
erste bildet u, a. das ganglion petrosum , der zweite
das ganglion jugulare.
XI. N. Accessorius. Er kommt mit vielen
durch den Seitenstrang austretenden Wurzeln aus dem
oberen Halsmark und der Medulla oblonj^ata. Sein
innerer Ast tritt zum N. vagus.
XII. N. Hypoglossus. Er tritt zwischen Pyra-
mide und Olive in mehreren Biindeln aus.
Die Rilckemnarksncrven zerfalJen in die 8 Hals-
nerven , 12 Brust- , 5 Lenden-, 5 Kreuzbein- und i
(selten 2) Steissbeinnervenpaare \ sie stammen aus je-
weils einem bestimmten Ruckenmarksabschnitt (Seg-
ment), also aus den 8 Hals-, 12 Brust-, 5 Lenden
marksscgmenten etc. Jeder Nerv tritt aus seinem
Riickenmarkssegment in zwei getrennten Portionen,
— 17 —
,,Wurzeln", aus. Zwischen Vorder- und Seitenstrang
treten die vord er en (mot.) W urzeln (radix ant.),
zwischen Seitenstrang und Hinterstrang die hinteren
(sensibl.) Wur zeln (radix post.) aus. Beide Wur-
zeln vereinigen sich. nachdem noch die hintere Wurzel
das ganglion intervertebrale, eine knoten-
formige Anschwellung im Zwischenwirbelloch gebildet
hat, zum eigentlichen Nerven. Die Nerven fiir den
Hals, die Extremitaten etc. bilden unter sich, bevor
sie in den Weichteilen weiter verlaufen , durch viel-
fache Anastomosen die Plexus nervosi (plex-
cervicalis, brachialis, lumbalis, sacralis etc.). Aus den
Plexus erst entspringen die pe riph erischen Nerven
sensu strictiori. In den periph. Nerven verlaufen da-
durch gemischt Fasern aus der vordern und hintern
Wurzel nicht nur eines Hohenursprungs, sondern aus
verschiedenen Riickenmarkssegmenthohen (^naheres
s. Tafel 23). Die Nerven wurzeln fiir die untere Ex-
tremitat verlaufen infolge ihres hohen Ursprungs (Hohe
des I. Lendenwirbels s. Tafel 23) vor ihrem Austritt
durch die foram. intervertebralia noch eine Strecke
weit neben dem conus medullaris und noch weiter
nach abwarts als c a u d a equina.
Der Grenzstrang des Symfathiciis zerfallt in
eine Reihe kleiner Knotchen (Gang lien), die vom
Hals an beginnend (gangl. suprem., medium, imum)
an der Vorderflache der Wirbelsaule hinab gelagert
sind; vor jedem Wirbel liegt ein Ganglion; dieselben
sind unter sich durch diinne Nervenstrange verbunden.
Zu den Ganglien treten auch Nervenfasern aus den
Hirnnerven und Riickenmarksgeflechten. Am Steiss-
bein endet der Grenzstrang im medialen ganglion
impar. Aus dem Grenzstrang und seinen Ganglien
treten die sympathischen Nerven, teils den Blutgefassen
folgend , teils in Gehirn- Riickenmarksnerven weiter
verlaufend, zu den innervierten Organen (zu alien
glatten Muskelfasern), zum Teil bilden sie erst in der
Nahe dieser weitere Ganglien (Herzmuskelganglien,
Gekros-, Darm- etc. Ganglien). 2
— i8 —
Die a r t e r i e 1 1 e n Blutgefdsse des G e h i r n s
entspringen aus der Carotis interna und der Art.
vertebralis und dem durch Anastomosen beider
gebildeten basalen cir cuius arteriosus Willesii
(s. Tafel V). Aus ihm entspringen die in der Pia
weiter verlaufenden Arterien : a. corp. callosi (fiir
Balken, Mediane Gehirnflachen), a. fossae Sylvii (fiir
die Umgebung der Grube und die Stammganglien),
a. chorioidea (fiir die V^entrikel), a. profunda (fiir die
Hinterhaupts- und Schlafenlappen) u. s. f. Die Blut-
gefasse der Gehirnsubstanz sind sogenannte E n d -
arterien, d. h. sie stehen nicht in so ausgiebiger
Anastomosenverbindung, dass benachbarte Gefasse fiir
sie notigenfalls vikariierend eintreten konnen. Die
Arterien des Riickenmarkes entspringen zuni
Tail aus der art. vertebralis als a. spinal, ant. und post.,
zum Teil kommen sie auch aus den a. intercostales
etc. Die Gefasse treten von alien Seiten , besonders
aber vom sulcus longitudinalis ant. aus hinein.
J'/5j
(arotii ////.
Fis. 2.
Fig.
Vorstehende Zeichnungen zeigen die Bkitgefass-
verteilung, Fig. 3 diejenige der a. fossae Sylvii (A. f. S.)
zu den Stammganglien und der inneren Capsel (a. 1. st.
= art. lenticulostriata, ein in in der Pathologic wicli-
- 19 —
tiger Ast), Fig. 2 Riickenmarksquerschnitt mit Ge-
fassen; man beachte die Versorgung der grauen Sub-
stanz durch die vordere Sulcusarterie.
Der Abfluss erfolgt fiir das Gehirnblut durch
die P i a 1 V e n e n in die Sinus venosi (aus dem
III, Ventr. die vena magna Galeni) , von hier in die
vena jugularis int.
Im Riickenmark erfolgt der Abfluss in den, zahl-
reiche Anastomosen bildenden, Breschet'schen
Ven en plexus, der die dura mater umspinnt.
Die L y m p h b a h n e n des Gehirns und Ritcken-
marks kommunicieren mit den Lymphraumen, welche
durch die Haute gebildet werden, die Ventrikelraume
stehen mit den subarachnoidealen Lymphraumen in
offener Verbindung (Liquor cerebrospinalis.)
Die N erven der pia und dura sind sympathischen
Ursprungs, teils (fiir die dura) entstammen sie dem
sensiblen Trigeminus.
2*
II. Abschnitt.
Entwicklung und Bau des Nervensystems.
(Tafel 11—48).
Das Centralnervensystem entsteht aus dem aus-
seren Keimblatte (Ektoderm) der Embryonal-
anlage, indem in der Mitte des Fruchthofes, aus dem
Ektoderm (Ectoblast) , paarige Wiilste (Medullar-
wiilste) in der Langsrichtung sich bilden, die zu-
sammentretend sich zur Medullar r in ne einsenken.
Durch den Schluss der lateralen Wulstrander am dor-
salen Abschnitt entsteht daraus das.Medullarro hr.
Aus den geschichteten Epithelzellen des
Medullarrohrs bildet sich die Geriistsubstanz (Glia)
des Centralnervensystems und die eigentliche n e r-
vose Substanz. Die Haute und Blutgefasse sind
mesodermalen Ursprungs.
Laterodorsal von der MeduUarrinne legt sich eine
aus Zellen bestehende Leiste (Ganglienleiste) an,
die schliesslich neben dem Medullarrohr in dessen
ganzer Langsausdehnung verlauft. Aus dieser Leiste
bilden sich die Intervertebralganglien und die den-
selben analogen Ganglien der sensibeln Hirnnerven
(Riechganglien , gangl. Gasseri , cochleare, jugulare,
petrosum etc.).
Das Medullarrohr zerfallt an seinem nasalen, kol-
bigen Ende noch im ersten embryonalen Monate in
anfanglich drei ,,primare Hirnblaschen", das erste
und das dritte nochmals in je zwei weitere ; das pri-
mare Vorderhirn- (in Vorderhirn- und Zvvischen-
hirn weiter zerfallend), das Mittelhirn- und das
Hinterhirnblaschen (letzteres in das Hinter-
hirn undNachhirn sekundar zerfallend) biklen also
3 respektive 5 Hirnblaschen; aus diesen entvvickelt
— 21 —
sich das ganze Gehirn. Der Hohlraum des MeduUar-
rohres wird zum Ventrikelsystem , die Wandungen
des Rohres und der Blaschen verdicken sich zu den
Gebilden des Riickenmarks und Gehirns.
Das Vorderhirn zerfallt durch den bald von
oben her einwachsenden und das Blaschendach (Pal-
lium) eindriickenden Processus falciformis der dura
in zwei Halften (die Grosshirnhemispharenanlage). Sie
iiberragen durch ihr rascheres Wachstum bald die
iibrigen Hirnabschnitte. Die Wand des Vorderhirn-
blaschens verdickt sich zur Hemispharen-Rinde und
-Mark, vom Boden her ragt in den zum Seitenventrikel
gewordenen primaren Hohlraum die Anlage des Stamm-
ganglion ein, die schliesslich mit der lateralen Wand
(an der Capsula externa) verwachst, medial zu , aber
frei bleibt (nucleus caudatus).
Aus den Hemispharenblaschen bricht an der
medialen Flache der Balken, die Medianlinie iiber-
bruckend und mit dem der andern Seite verwachsend,
hervor.
Die Rinde , anfanglich glatt , bildet durch Ein-
senkung (2. — 3. Monat) die ersten Furchen und Win-
dungen, zuerst tritt die fossa Sylvii auf (naheres siehe
Tafel 12).
Aus dem Zwischenhirn entstehen die Thalami
opt. und die iibrigen Gebilde , welche den zum III,
Ventrikel sich umbildenden Hohlraum umgeben (Hy-
pophyse, Conarium, tract, opticus, tractus olfactorius).
Der Thalamus verwachst an der ,,Schlussplatte" mit
dem hintersten Abschnitte des Stammganglion ; hier
also hangt das Vorderhirn mit dem Zwischenhirn
zusammen.
Aus dem Mittelhirn entstehen die Vierhiigel,
Haube und Fuss des Hirnschenkels , der Hohlraum
verengt sich zum Aquaeduct.
Aus dem Hinterhirn entsteht das Kleinhirn,
aus dem Nachhirn die Medulla oblongata.
— 22 —
Im Mittelhirn findet fruhzeitig schon eine Kriim-
mung nach unteu statt (Briickenbeuge).
Die mikroskopische Untersuchung des Central-
nervensystems lasst dessen Zusammensetzung aus zwei
Gewebsarten — der Geriistsubstanz, Glia und
der darin eingelagerten Nervensubstanz (Nerven-
zellen und -fasern) erkennen. Beide entstehen in der
Art aus den (ektodermalen) Epithelzellen des MeduUar-
rohrs, dass ein Teil derselben , Spongioblasten,
sich vom Centralkanal aus vermehrend, zahlreiche,
ein feines Netzwerk liefernde, Faserchen nach alien
Richtungen aussendet und so die Glia bildet (Spinnen-
zellen, Astrocyten),
Ein anderer Teil der Zellen — Neuroblasten
— entwickelt sich als Keimzellen, sendet bald einen
dicken, langen Fortsatz und spater zahlreiche feinere
Verastelungen aus; aus ihnen entstehen die Ga nglien-
zellen und Nerven fasern. Ansammlungen
solcher Keimzellen finden sich an bestimmten Stellen
des Centralnervensystems , so in der ganzen Gross-
und Kleinhirnrinde und den als modificierte Rinde
aufzufassenden Stammganglien; ferner im Thalamus,
in den Vierhiigeln etc. und schliesslich vom Mittel-
hirn ab in der Umgebung des Centralkanals bis zum
Ruckenmarksende hinab, in einer als ,, centrales Kern-
lager" bezeichneten Anordnung.
Die iibrigen Abschnitte des Centralnervensystems
vverden hauptsachlich von den langen Fortsatzen dieser
Zellen gebildet ; diese bilden in ihrer Gesamtheit spater
die Marksubstanz , ,,weisse Substanz", die Zellenan-
sammlungen dagegen die ,,graue Substanz".
Der Complex : „Nervenzelle mit zugehorigem
Nervcnfortsatz'' wird in seinem Gesamtverlauf und
Zusammenhang als ein Neuron (to vEupov, Nerven-
einheit) bezeichnet.
Die langen Ganglienzellfortsatze aus Hirnrinden-,
Stammganglien- und Thalamus opticus-Zellen verlaufen
grosstenteils ganz innerhalb des Centralorgans , be-
— 23 —
ginnen und endeii also dort, — c e n t r a 1 e N e u r e n
— , diejenigen aus den perikanalikularen Kernlagern
dagegen wachsen zum einen Teil aus dem Centralorgan
heraus, der Korperperipherie zu — peripherische
Neureii — ; die letztgenannteii bilden die aus dem
Mittel- und Nachhirn auswachsenden motorischen
G e h i rn n e r V e n und die aus dem ventralen Kern-
lager des Riickenmarks (Vorderhorn) austretenden
motorischen Riickenmarksn erven, die als ,, v or-
der eWu rzeln" aus dem Vorderhorn heraus wachsen,
den dort gelegenen Ganglienzellen als lange Fortsatze
dirckt entspringend. Dies die Entwicklung der periph.
motor. Neuren.
Gerade umgekehrt verhalten sich die sensibeln
Nerven. Diese wachsen aus den Zellen der Spinal-
gang lien in die dorsalen Kernlager des Rticken-
marks (Hinterhorn etc.) herein — sensible Riicken-
marks nerven — , ebenso wachsen aus den analogen
Zellen des Ganglion Gasseri, cochleare, petrosum,
jugulare, der Retina, der Riechschleimhaut die sen-
sibeln Gehirnnerven in das Gehirn (bulb, olfact. Mittel-
hirn, Nachhirn) hinein. Zugleich tritt aus den ange-
gebenen Zellen auch ein weiterer Fortsatz peripher
aus und tritt als sensibler peripherischer Nerv
zur Haut. Dieses Neuron hat demnach seine Zelle
ca. in der Mitte seines Verlaufes. Dies also die Ent-
stehung der peripher ischen sensibeln Neuren.
Im Laufe der Entwicklung bilden sich die Neuro-
blasten nach und nach zu Ganglienzellen um , ihre
Nervenfortsiitze konnen zum Teil betrachtliche Lange
erreichen. Diese Fortsatze umgeben sich ungefahr
vom 5 Monat ab mit einer Hi.ille, die sie in ihrem
ganzen Verlauf begleitet, es erfolgt die Markscheiden-
anlage. Jeder lange Fortsatz umgibt sich mit einer
weichen, weissen Markschicht und wird dadurch zur
definitiven, funktionsfahigen Nervenfaser.
Die Markscheidenentwicklung erfolgt fur die ver-
schiedenen Neuroncomplexe zu verschiedener Zeit,
— 24 —
sie dauert von der angegebeneii Zeit des Embryonal-
lebens bis ins Kindesalter, ja noch viel langer fort;
successive umkleidet sich ein Teil der Fortsatze nach
dem andern mit Mark, und bedingt dadurch die be-
kannte weisse Farbe der Marksubstanz. Die Anlage
erfolgt im AUgemeinen nach dem Grundsatz, dass die
zuerst in Fun kt ion tretenden Bahnen audi zuerst
sich mit Mark umkleiden ; so entwickeln sich zuerst
die peripherischen Reflexbahnen , die sensibehi cen-
tralen Leitungsbahnen vor den motorischen, die Pro-
jectionsbahnen vor den Associationsbahnen u. s. f.
(Naheres siehe Tafel 48).
Die ausgebildete NeurogUa besteht aus vielen
kleinen Zellen (Stiitzzellen, Gliazellen), deren massen-
hafte Auslaufer ein Netzwerk unzahHger feinster
Faserchen bilden , zwischen den in sie eingelagerten
Ganglienzellen und Nervenfasern. An der Wand des
Centralkanals und des Ventrikelsystems bestehen die
urspriinglichen Epithelzellen als Cylinderepithelaus-
kleidung (Ependym) fort.
Die fertigen Ganglienzellen sind teils grosse
Zellen von der verschiedensten Form , alle mit deut-
lichem Kern, aber sehr verschieden gestaltetem Proto-
plasma, haufig mit Pigmenteinlagerung, teils kleine
„Kornerzellen" fast nur aus Kernsubstanz bestehend.
Von den Zellen treten nach alien Seiten Fortsatze aus,
solche, die sich vielfach in der Nahe der Zelle baum-
formig verasteln (Dendriten- oder Protoplasma-
Fortsatze) und einer, der als der oben angegebene
Neuroblastenfortsatz zuerst entsteht und spater Axe n-
c }1 i n d e r f o r t s a t z genannt wird.
Nach seinem Austritt aus der Ganglienzelle um-
kleidet sich dieser Axencyhnderfortsatz mit Marksub-
stanz und heisst dann „Nervenfaser.''
Die Nervenfaser besteht also aus dem Axen-
faden, der wieder aus zahlreichen Einzelfibrillen sich
zusammensetzt , und der ihn umgebenden, in Seg-
menten angeordnetcn M a r k s c h e i d e. Da wo Nerven-
— 25 —
fasern aus dem Centralorgan austreten (periph. Nerven)
lagert sich eine weitere, sehr diinne Hiille um die
Markscheide, die S ch wan' sche Scheide, das Neu-
rilemma.
Der Axencylinderfortsatz kann sehr verschieden
lang sein, immer aber endet er ebenfalls mit einer
Verastelung , der Faseraufsplitterung, schon vorher
gibt er haufig Seitenastchen, in verschiedenen Hohen
ab (Collater alen) , die ebenfalls mit Aufsplitterungen
enden. Die Zellen mit langem Fortsatz (Deiters'scher
Typus) bilden die iiberwiegende Mehrzahl gegen solche
mit ganz kurzem, in der Zellnahe schon sich auf-
splitternden Fortsatz (Golgi'sche Binnenzellen).
Ganglienzelle mit ihrer Zellverastelung iind Axen-
cylinder mit seiner Endaufsplitterung bilden eine ana-
tomische und physiologische Einheit, ein Neuron.
Alle Nervenbahnen bestehen aus hinter einander
geschalteten Complexen solcher Neuren. Ein ana-
tomischer direkter Zusammenhang dieser Neuren scheint
nicht zu existieren *) sie greifen vielmehr wie Ma-
schinenrader in einander, indem zwischen die Axen-
cylinderaufsplitterung des einen, die Zellverastelung
des andern Neurons eingreift. Gehirn, Riickenmark,
periph. Nerven und sympathisches Nervensystem sind
ausschliesslich aus solchen Neuren aufgebaut.
Die Uebertragung der Erregung von einem Neuron
aufs andere geschieht wohl durch einen Bewegungs-
vorgang in diesen Aufsplitterungen. Die Leitung er-
folgt im Axencylinderfortsatz cellulifugal, in den Zell-
verastelungen cellulipetal. Kein Neuron steht nur mit
einem , sondern stets mit mehreren Neuren (,,Schalt-
zellenneuren") in Beziehung, was eben durch die zahl-
losen Zellverastelungen und die Collateralen ermog-
licht wird.
Diegraue Substanz des Nervensystems (Rinde,
'"■") Am wahi-scheinlichsten ware von den verschiedentlich
auch von hervorragenden Forschern behaiipteten Neurenana-
stomosen noch die der Protoplasmafortsatze.
— 26 —
Ganglien, Kernlager) besteht ausser dem Gliagrund-
gevvebe aus Ganglienzellen, deren Dendriten und mehr
oder weniger zahlreichen Nervenfasern (teils mark-
haltige, teils auch marklose (blasse Remak'sche) Fasern.
Die vveisse Substanz (Marklager der Hemi-
spharen, Balken, caps, int., Pedunculus, Ruckenmarks-
strange, peripher. Nerven) besteht nur aus markhaltigen
Nervenfasern, die Markhiille bedingt Farbe und Con-
sistenz der Substanz.
Der feinere mikroskop. Bau der einzelnen Be-
standteile des Centralnervensystems ist aus dem Text
der Tafeln 13 — 21 und aus den Zeichnungen besser
als aus jeder Beschreibung ersichtlich.
Fassen wir kurz den inneren Zusammenhang in
iolgendem zusammen:
In den Zellschichten der Grosshirnrinde
entspringen und enden die das Centrum semiovale
zusammensetzenden Markfasern. Sie zerfallen in drei
verschiedene Systeme.
I. Die Com mis surenb ahn en.
Sie bilden den grossten Teil des centralen
Marklagers als Balkenfaseru ng. und ver-
binden symmetrische Stellen der Windungen der
linken und rechten Grosshirnhemisphare. Die
durch die Balkenfasern nicht verbundenen Rinden-
stellen (basale Schlafen- und Hinterhauptslappen-
windungen) werden durch die dafur eintretende
tiefgelegene Commissura anterior versorgt.
II. As s ociationsbahnen.
Dieselben werden gebildet durch Markziige, die
innerhalb einer jeden Hemisphere die einzelnen
Rindenwindungen unter sich verbinden , benach-
barte Windungen durch die fibrae propriae, ent-
ferntere Windungen und Lappen durch die ..kurzen
und langen Associationsbiindel." Sie ziehen inner-
halb der Hemisphare von Windung zu Windung
und durchziehen zu grosseren Bundeln vereint die
— 2/ —
Marksubstanz, um in entfernteren sich aufzulosen.
Einige dieser l^iindel habeii Namen (cingulum,
fasciculus uncinatus, fascic. longitud. infer, ver-
binden den Schlafenlappen mit Stirn- und Hinter-
hauptslappen, fascicul. longitud. sup. und subcallosus
verbinden den Stirnlappen mit deni Hinterhaupts-
lappen u. A.). Insbesondere ist der Schlafenlappen
und Occipitallappen durch zahlreiche Associations-
ziige in seinen eigenen und mit den iibrigen gleich-
seitigen Rindenteilen innig verknlipft.
III. Die Pr oj ections bahnen.
Dies sind die wichtigen FaserzUge, die aus alien
Teilen der Hirnrinde entspringend oder in den-
selben endend durch die quer verlaufenden Com-
missuren- und die langsverlaufenden Associations-
bahnen zwischen durchtretend, vveiter nach ab-
warts Ziehen, um also tiefer gelegene Telle des
Hirnstammes und Riickenmarks mit der Hirn-
rinde in Verbindung zu bringen. Die Gesamt-
heit dieser Bahnen heisst der Stabkranz.
Die Stabkranzbahnen zerfallen je nach dem
Ort, an dem ihre Ayencylinderaufsplitterung statt-
findet in kurze und lange Bahnen.
Zunachst ziehen die Stabkranzbahnen. sich aus
der ganzen Rinde her sammelnd in der Capsula
interna (vord. und hinterer Schenkel) weiter ab-
warts, sie durchbrechen also das Stammganglion.
1) Die kurzen Stabkranzbahnen.
a) Ein Teil der Stabkranzbahnen tritt aus alien
Windungen der Hirnrinde her in den Tha-
lamus opt. aus der Caps. int. ein, als vord.,
hint, und unterer Thalamusstiel sich sam-
melnd, und verschwindet im Thalamus (Stab-
kranz zum Thalamus), teils iiberziehen diese
Fasern vor ihrem Eintritte seine Oberflache
(stratum zonale).
b) ein weiterer Teil tritt ahnlich in den nucleus
— 28 —
caudatus eiii und lost sich darin auf (als
Associationsbahnen aufzufassen).
c) ein aus dem Occipitallappen (cuneus) stam-
mender Teil, der im hintersten Abschnitt des
hintern Kapselschenkels sich sammelt, tritt
zu den primareii Opticus-Centren: Pulvinar
thalamic zu corpus geniculatum laterale und
Corp. quadrigeminum ant. (als Gratiolet'sche
Sehstrahlun^ bezeichnet.) Von hier aus zieht
anschliessend der tractus opticus weiter.
2) Die Ian gen S tabk ranzbah n e n.
Dieselben ziehen aus alien Teilen der Rinde
stammend in der capsul. int. weiter abwarts und
gelangen unter dem Thalamus teils in die regie
subthalamica und von da in die Hirnschenkel-
haube, teils in den Hirnschenkel fus s,
a) H a u b e n b a h n e n
Dieselben treten teils direkt aus der innern
Kapsel (hinterer Schenkel), teils nach Durch-
setzung der Innenglieder des Linsenkerns
(Linsenkernschlinge aus globus palidus) und
Durchbrechung des medial davon gelegenen
inneren Kapselteiles in die Haube und ver-
laufen dort als Sch leifenbahn weiter ab-
warts durch die Medulla oblongata bis an
deren unteres Ende. Mediale und laterale
Schleifenbahn (sensible centrale Bahn),
b) H i r n s c h e n k e 1 f u s s b a h n e n.
Alle bisher nicht abgezweigten Stabkranz-
fasern treten aus der inneren Kapsel (vord.
und hint. Schenkel) in den Hirnschenkelfuss
iiber und somit aus ihrer Hemisphare heraus.
Man unterscheidet hier P^aserziige von dreierlei
Herkunft.
a; Das mediale Pedunculusbiindel.
Dieses stammt moglicherweise aus der Stirn-
lappenrinde, lauft durch den vorderen Kapsel-
29
schenkel und endet in den BriickengangHen
(frontale Briickenbahn).
p) Das laterale Pedunciilusbiindel.
Dieses kommt sicher aus dem Schlafen-
iind Hinterhauptslappen, tritt durch den hin-
teren Kapselschenkel und endet ebenfalls in
den Briickenganglien (temporo - occipitale
Briickenbahn).
y) Das mittlere Pedu ncu 1 u sbiindel.
Die Pyramide7ihahn.
Dieses stammt aus den Rindenzellen der
Centralwindungen und deren Umgebung,
sammelt sich zu den Kapselabschnitten, die
im Knie und im vorderen Drittel des hinteren
Schenkels verlaufen und gelangt im Hirn-
schenkelfuss zwischen die beiden unter a und
P erwahnten Biindel zu liegen.
Dieser Abschnitt ist auch der einzige Bestand-
teil der Hirnschenkelfussfasern, der aus der Briicke
an deren hinterem Rande als Pyramide wieder heraus-
Fig. 4.
— 30 —
tritt und als Pyramidenbahn weiter im Riickenmark
abwarts verlauft; sie tritt, wie schon gesagt, zum
grossten Teil sich kreuzend, in den Seitenstrang, der
ungekreuzte kleinere Teil bleibt im Vorderstrang.
Diese Balin ist die langste von alien Stabkranz-
fasern, sie ist in ihren langsten Fasern bis in den
(gekreuzten) Seitenstrang des conus medullaris zu
verfolgen. Vom Hirnschenkel an gibt sie fort-
wahrend Fasern ab, die zu den motorischen Kernen
der entgegengesetzten Seite verlaufen. Sie bildet
die centrale motorische Bahn.
Die Lage dieser Bahnen illustriert gut das um-
stehende, nach Edinger modificiert gegebene Kapsel-
schema; die Bahnen sind ihrer Richtung und Lage
nach eingeschrieben.
Zu diesen aus der H i r n r i n d e stammenden
S t ab k r anzf asern treten nun noch solche, die aus
dem Stammganglion und Thalamus opticus
entspringen und als kurze Bahnen weiter abwarts ver-
laufen. Hierher gehoren:
1. die aus dem nucleus caudatus und Putamen
zum Thalamus opticus, inneren Glied des
Linsenkerns und noch weiter abwarts zur Sub-
stantia nigra des Hirnschenkels verlaufenden
Fasern,
2. die aus dem Thalamus entspringenden und zur
Haube weiterziehenden und dort endenden
Bahnen (nucleus ruber, Subst. reticularis).
In der Hirnschenkelhaube beginnen neue Fasei-
ziige. Einmal das dicht unter dem centralen Hohlen-
grau verlaufende hintere Langsbiindel (fasc icul.
long, post.), das einzelne Hirnnerven verbindend
bis ins Halsmark zu verfolgen ist Sodann ein
machtiger aus dem roten Kern austretender und
mit dem der andern Seite sich kreuzender Markzug,
der als Bindearm (process, cerebelli ad corp. qua-
drigem.) zu den Klcinhirnhemispharen verlauft und im
corp. dentat. und der Rinde derselben endet.
— 31 —
Aus dem Kleinhirn treten ferner aus oder ein :
die process, cerebelli ad pontem, die zu den
Briickenganglien der anderen Seite (also gekreuzt)
Ziehen und dort enden, und die processus cere-
belli ad medullam oblongatam (corp. resti-
form.); sie enthalten Faserzuge aus dem Kleinhirn
zu den Oliven, zu den Hinter- und Seitenstrangen
(Kleinhirnseitenstrangbahn) des Riickenmarks (teils
kurze, teils lange Bahnen).
Ausserdem enthalt das Kleinhirnmark auch ahn-
lich wie das Grosshirn Commissuren- und As-
sociation sziige.
Der Aufbau des Riickenmarks aus den Pro-
jektionsfasern der Gross- und Kleinhirnrinde, den Pyra-
miden, corp. restiform. etc., ist nach dem oben (Seite 14)
gesagten verstandlich. Wir erkennen auf dem Riicken-
marksdurchschnitt dessen beide Halften , getrennt
vorne durch den sulcus longitud. ant. In der Median-
linie verlauft quer die weisse Commissura anterior von
einem Vorderstrang resp. Vorderhorn zum andern.
Dahinter liegt der enge canalis centralis, dahinter die
schmale Commissura posterior.
Die graue Substanz , in Form der Vorder- und
Hinterhorner angeordnet, ist umgeben von den Vorder-,
Seiten- und tlinterstrangen.
1. Der Vorderstrang enthalt die ungekreuzte
Pyramidenbahn und den Vorderstrangrest (Fort-
setzung von Bestandteilen der Substantia reti-
cularis der Haube).
2. Der S eitenstrang: die gekreuzte Pyramiden-
bahn, die Kleinhirnseitenstrangbahn (aus corp.
restiform.), das Gowers'sche Biindel, den
Vorderseitenstrangrest und die seithche Grenz-
schicht (z. T. aus der Haube stammend) ;
3. der Hinterstrang enthalt das Goll'sche
und Burdach'sche Biindel und die Wurzel-
zonen.
- 32 —
Die weiteren genaueren Angaben iiber den Ver-
lauf und die Bedeutung der bisher besprochenen und
anderer Bahnen folgt in Abschnitt III. Das Bisherige
mag zum Verstandnis der in Tafel 24 — 47 enthaltenen
Serienschnitte , deren Studium erst in die topogra-
phische Gehirnanatomie einftihrt , ausreichen. Auch
die feineren Verhaltnisse der grauen Substanz der
Rinde , Stammganglien , des Thalamus , der Nerven-
kerne lassen sich nur an der Hand von Abbildungen
verstandlich vortragen , auch hierfiir muss Tafel und
Tafeltext eintreten.
In den Serienschnitten ist der raschen Orientie-
rung halber die Hirnrinde iiberall rot , die Stamm-
ganglien, der Thalamus, die Kernlager durchweg blau
wiedergegeben.
III. Abschnitt.
Anatomie und Physiologic der w^ichtigeren
Nervenbahnen.
(Tafel 49-52.J
Eine Bahn nennen wir das anatomische Substrat
fiir die Uebertragung einer bestimmten physiologischeii
Erregung, von der Ganglienzelle bis zum erregten
Endorgan, in seinem ganzen Zusammenhang.
Jede physiologisch einlieitlich funktionierende Bahn
besteht aus mehreren an einander anschliessenden
Neuroncomplexen. Jeder einzelne INeuroncomplex
aber bewahrt seine voUkoinmene anatomische und
teilweise auch physiologische Selbstandigkeit.
Es gibt Bahnen, die aus zwei und solche , die
aus mehr, drei, vielleicht noch mehr, hinter einander
..geschalteten^' Neuroncomplexen zusammengesetzt sind.
Die wichtigeren dieser , dem Projektions-
s}'stem der Gross- und Kleinhirnrinde angehorenden
Bahnen sind folgende :
A. Bahnen nut hekannter Fttnktion.
r. Die motorische, kortiko-muskulare,
centrifugal leitende Bahn. aus zwei Neuron-
complexen bestehend ;
2. die sensible, centripetal leitende Bahn,
aus mindestens zwei, wahrscheinlich z. T. mehr
Neuroncomplexen bestehend.
Beide Bahnen stehen unter einander in zwei Ab-
schnitten ihres Verlaufes in Verbindung.
a) Es besteht eine untere Verbindung derselben :
die dem Willenseinfluss entzogene Reflex-
bahn (in den subkortikalen Kernlagern);
— 34 --
b) eine obere Verbindung- (in der Rinde) ; die
Balin der bewusstenWillensreaktionen.
Der Verlauf der motorischen Bahn ist ein viel
besser bekannter und einfacherer als derjenige der
sensiblen Bahn. Wir betrachten diese Bahnen und
ihre Verbindungen nun in der angefuhrten Reihenfolge.
/. Die motorische Bahn.
Die Bahn im Ganzen wird zusammengesetzt durch
zwei aneinander anschhessende Neuronkomplexe, durch
das cent rale und durch das p e ripherische mo-
torische Neuron.
Die Zellen des centra len Neurons, in der
Hirnrinde der Centralwindungen gelegen, (Pyramiden-
zellen der Rinde) , senden ihre Nervenfasern in ihrer
Gesamtheit als „Py ra m ide nba hn" bezeichnet, auf
dem bekannten Weg im Stabkranz durch Knie und
vorderes Drittel des hintern innern Kapselschenkels
in den Hirnschenkelfuss . von hier durch die Briicke
tretend, ziehen sie als Pyramiden weiter.
In der Pyramidenkreuzung tritt der grosste Teil
der P'asern in den Seitenstrang, hier als gekreuzte
Pyrami denseitenstrangbahn weiter verlaufend.
Im Halsmark, in der Tiefe des Seitenstrangs liegend,
tritt diese Bahn nach unten zu immer mehr an die
Peripherie des Seitenstranges heraus , sie endet erst
im conus medullaris. Ein kleinerer Teil verlauft, ohne
sich zu kreuzen , im Vorderstrang als Pyramiden-
vorderst rang bahn ; sie ist nur bis ins oberste
Lendenmark zu verfolgen.
Auf diesem langen Wege treten von dem Hirn-
schenkelfuss an, nach unten zu, in alien Hohen be-
stimmte Faserziige von der Bahn ab und ziehen sich
kreuzend auf die andere Seite (s. Figur 6, welche die
Pyramidenbahn von unten her betrachtet zeigt) Ihre
Fasern enden , sich aufsplitternd , in den motorischen
Kernregionen des Ilirnstammes und RLickcnmarks.
Die Gesamtmasse der Pyramidenbahn nimmt infolge
35
dessen nach unten zu bestandig ab. Ausserdem treten
von den durchziehenden Fasern noch Collateralen zu
hoher gelegenen Kernen.
Innerhalb der genannten in verschiedenen Hohen-
abschnitten (Segmenten) von Hirnstamm und Riicken-
mark gelegenen Unterstationen splittert sich also
schliesslich die gesamte centrale Neuron masse auf.
Ihre Faser auf s plitt erung umgibt die Zellver-
iistelung der hier gelegenen Ganglienzellen des
p e r i p h e r i s c h e n m o t o r i s c h e n Neurons, das \'on
da ab beginnt.
Der Nervenfortsatz dieser Zellen tritt als vordere
Nervenwurzel aus Hirnstamm und Vorderhorn der-
selben Seite aus und verlauft als F'aser der motor-
ischen Nerven zum Muskel, in dessen einzelnen Muskel-
fibrillen die Faseraufsplitterung (motorische Endplatte)
stattfindet.
Das centrale motorische Neuron verlauft also ge-
kreuzt, das peripherische ungekreuzt, s. Textfigur 7.
;6
In der aus diesen zwei Neuren gebildeten Bahn ver-
laufen die in den Hirnrindenzellen entstehenden motor-
ischen Impulse zum Muskel und zwar infolge der
Kreuzung des centralen Neurons von jeder Hemis-
pharenrinde aus zur Muskulatur der entgegengesetzten
Korperhalfte.
Jede Neuronzelle i.ibt einen erhaltenden Einfluss auf
ihre Fortsatze, also auch auf den langen Axencylinder-
fortsatz aus. Authebung dieses Einflusses hat den
Schwund der betreffenden Xervenfaser zur Folge, aber
auch die Ganglienzelle selbst erleidet Veranderungen
nach eingreifenden Storungen innerhalb der Neuron-
continuitat. Die Zelle des peripherischen Neurons iibt
ausserdem einen solchen Einfluss auch auf die ver-
sorgten Muskelfasern aus.
Im einzelnen sjnd die nach dem Abgang der
peripherischen Nervenbahnen von oben nach unten
eeordneten wichtio-sten Bestandteile der motorischen.
Bahn die folgenden :
i) N. oculomotorius. Sein cent ral er Neuron-
komplex entspringt an unbekannter Stelle der Him-
rinde (gyrus angularis .') , lauft durch das Knie der
innern Kapsel , zweigt aber von der Pyramidenbahn
schon im Hirnschenkel vielleicht als Bestandteil des.
Spitzka'schen BUndels ab (s. Tafel 3$, 2, s). Das-
selbe entstammt dem am meisten medial gelegenen
Abschnitt der Pyramidenregion im Pedunculus, wendet
sich medial und aufwarts und endet nach erfolgter
Ueberschreitung der Mittellinie im Oculomotoriuskern
der gekreuzten (und gleichseitigen .^) Seite, der im
centralen Hohlengrau unter dem Aquaeductus Sylvii
liegt. Um die dort gelegenen Ganglienzellen findet
die Endaufsplitterung des centralen Neurons fiir den
oculomotorius statt. Mit diesen Zellen und ihrer Ver-
astelung beginnt das peripherische Neuron. Die
Nervenfasern treten aus dem Kern als Oculomotorius-
Wurzeln auf derselben (zum kleinern Teil auch sich.
— 37 —
kreuzend auf der andern) Seite aus und laufen im
Oculomotoriusstamm weiter zu den Augenniuskeln.
(Naheres liber Verteilung und Funktion siehe Tafel-
erklarung 23. Die Lage des Oculomotoriuskernes etc.
ergibt sjch aus Tafel 18 und 19, sowie aus Text-
figur 5, S. 42 (hieraus ist auch die mutmassliche
Reihenfolge der den einzelnen Augenmuskeln ent-
sprechenden Kernabschnitte zu ersehen).
2. N. trochlearis. Centrales Neuron wie
bei I verlaufend, nach der Kreuzung findet die Faser-
endaufsplitterung im gekreuzten trochlearis Kern, unter
den hintern Vierhiigeln hinter dem Oculomotorius-
Kern statt. Das peripherische Neuron beginnt
dort und tritt als N. trochlearis hinter den Vierhiigeln
sich total mit dem der anderen Seite kreuzend hervor.
3. Motorischer Quintus-Ast. Das cen-
trale Neuron desselben entspringt an unbekannter
Stelle der Hirnrinde (gyrus parietalis infer, r) , tritt
durchs Kapselknie hinter den Augenmuskelfasern,
trennt sich vom Hirnschenkelfuss im Spitzka'schen
Biindel (?), kreuzt sich in der Raphe der Haube und
splittert sich um die Zellen des motorischen Quintus-
kernes, der seitwarts in der Haube der Briickengegend
gelegen ist. Von hier zieht ais periph. Neu ron die
motorische Quintus-Wurzel weiter, sie tritt als vordere
Wurzel aus der Brilcke heraus und erhalt auch Fasern
aus dem mot. Kern der anderen Seite. Auch die
nasale Quintuswurzel (radix descendens) soil motor-
ische (trophische?) Fasern fiihren. Sie entspringt von
dem lateralen Abschnitte des centralen Hohlengraus
des Aquaeductus an nach unten zu aus dortselbst
gelegenen grossen Zellen, bis sie sich der austretenden
vorderen Quintuswurzel anschliesst.
4. N. abducens. Sein centrales Neuron ver-
lauft wie bei i, nach der Kreuzung findet die Faser-
endaufsplitterung im Abducenskern unter der Rauten-
gfube, nahe der MitteUinie, statt. Von seinen Zellen
— 3^ -
aus tritt das peri ph. Neuron als N. abducens, den
hinteren Bruckenteil durchziehend, heraus.
5) N. facialis. Sein centraler Neuronkomplex
entspringt aus den Zellen des unteren Drittels der
Centrahvindungen, die Bahn verlauft weiter ini hinteren
Schenkel der inneren Kapsel (hinter dem Knie), zvveigt
von der Pyramidenbahn im Spitzka'schen Biindei ab
(.'), kreuzt sich in der Haubenraphe und tritt dann
zu dem Facialiskern der anderen Seite , welcher in
der Tiefe der Medulla oblongata seitvvarts in der
Haube langgestreckt liegt. Von hier treten als peri-
p h e r i s c h e s Neuron die einzelnen Facialisfasern nach
oben und innen zum genu facialis sich sammelnd zu-
sammen und biegen schliesslich in grossem Bogen
nach aussen und dann abwarts um, erst jetzt treten
sie aus der Medulla oblong, als N. facialis heraus.
Dies de-i ,,untere" (Mund-Wangen facialis).
Das cent rale Neuron fur den ,,oberen" Fa-
cialis (Stirnfacialis) scheint anders , in unbekannter
Weise zu verlaufen ; sein perip h er. Neuron soil aus
dem hintersten Abschnitt des Oculomotoriuskernes
austreten und zum Facialisstamm gelangen.
Fiir den orbicularis oris Ast wird die Beteiligung
von Fasern aus dem Hypoglossuskern angenommen (.-)
6. Motor. Glossopharyngeus-Vagusteil.
Das cent rale Neuron stammt aus unbekannten
Rindenabschnitten (mittlere Stirnvvindung.?), zieht mit
der Pyramidenbahn abwarts und gelangt m unbe-
kannter Weise, sich kreuzend, zum nucleus ambiguus,
dem hiefijr angenommenen motorischen Kern in der
Tiefe des hinteien Abschnittes der Medulla oblongata.
Von hier gesellen sich die Fasern des peri p he r-
ischen Neurons hauptsachlich dem Vagus bei.
7. H y p o g 1 o s s u s. Das c e n t r a 1 c Neuron ent-
springt aus dem unteren Dritt^il der Centralwindungen
(vor dem Facialiscentrum) liiuft in der inneren Kapsel
hinter der P'acialisbahn abwarts, zweigt sich im
— 39 —
Spi tzk a' schen Biindel (?) von der Pyramidenbahn
ab, gelangt, in der Haubenraphe sich kreuzend, zum
Hypoglossuskeni der anderen Seite, um dessen Zellen
es sich verastelt. Von hier tritt das peri ph. Neuron
als N. hypoglossus durch die Medulla aus.
Die unter 5, 6 und 7 geschilderten Bahnen, und
zwar die aus der 1 i n k e n He m i s p h a r e stammenden,
sind speziell fiir den Sprachakt eingelibt. Ihre cen-
tralenNeuren zusammen bilden also die centrale
S p r a c h b a h n , ihre p e r i p h e r i c h e n die p e r i -
pherische Sprachbahn. Eine e i g e n e
S p r a c h b a h n ist auch angenommen worden , je-
doch nicht ervviesen.
8. A c c e s s o r i u s. Sein centrales Neuron
soil, aus der basalen mittlerenStirnwindung(?)kommend,
niit der Pyramidenbahn verlaufen; auf unbekanntem
Wege gelangt es zum gekreuzten Accessoriuskern in
dem unteren Abschnitte der Medulla und ini obersten
Halsmark. Von hier zieht das pe rip her. Neuron
vveiter als N. accessorius. P^in bedeutender Teil des
Nerven (innerer Ast) zieht mit dem N. vagus weiter.
9. Die motor. N e r v e n b a h n e n der
o b e r e n E x t r e m i t a t. 1 hr c e n t r a 1 e r Neu-
roncomplex entspringt d^w Zellen des mittleren
Drittels der Centralwindungen (bes. der vorderen
Windung) , zieht durch den hinteren Schenkel der
inneren Kapsel (vord. Drittel) abvvarts, mit der Pyra-
midenbahn weiter durch Hirnschenkelfuss und Briickc
in die Pyraraide. In der Pyramidenkreuzung gelangt
der grosste Teil in den Seitenstrang der anderen
Seite , zum kleineren Teil (hier bestehen individuelle
Schwankungen) ziehen sie ungekreuzt ini Vorder-
strang abwarts. In der Hohe des Halsmarkes biegen
die Fasern successive senkrecht um und verlaufen aus
der Pyramidenseitenstrangbahn ins gleichseitige, aus
der Pyramidenvorderstrangbahn (durch die vordere
— 40 —
Commissur) ins gekreuzto V o r d e r h o r n ■■^). Hier
verasteln sie sich um die Vorderhornzelleii (besonders
laterale Gruppen) und deren Dendriten.
Mit diesen Zellen beginnt das p e r i p h e r i s c h e
Neuron dieser Balin. Die Nervenfasern dieser Zellen
treten als vordere Wurzeln (4. Cervical- bis i. Dorsal -
wurzel) aus und gelangen zu dem Plexus brachialis,
von dem aus sie in den verschiedenen Armnerven
weiter verlaufen. (Naheres siehe Tafel 23 und deren
Erklarung) ; iiber die Lage der Vorderhornzellen und
deren Beziehungen zu den einzelnen Muskeln gibt die
Textfigur S. 42 am anschaulichsten Aufschluss.
Oberhalb von diesen Bahnen verlaufen diejenigen
fiir die Hals- und Nackenmuskeln, unter derselben die
fur dieBrust- und Rumpfmuskeln. Deren Topographie
ist ebenfalls aus den angegebenen Tafeln zu ersehen.
Ueber ihren c e n t r a 1 e n Verlauf ist wenig bekannt.
Das Centrum fiir die Rumpfbevvegungen soil in den
oberen Stirnwindungen liegen. Fiir diese Bahnen ist
die Abkunft nicht nur aus der g e k r e u z t e n ,
sondern auch der gleichseitigen Hemisphare
wahrscheinlich. Es ist auch fiir andere, besonders
bilateral funktionierende Muskeln (Auge, Stirn-
muskel etc.) die gleichzeitige Innervation von der
Hemisphare derselben und, wie beschrieben, der
g e k r e u z t e n Hemisphare aus, wahrscheinlich. Doch
sind diese ungekreuzten (oder doppeltgekreuzten?)
centralen Bahnen fiir den Menschen nicht naher be-
kannt (ungekreuzter Pyramidenvorderstrangr s. unten-
stehende Anmerkung).
10. Die mo to rise hen Bahnen fiir die
untere Extremitat. Ihr centrales Neuron ent
springt im oberen Drittel der Centrahvindungen und
des lob. paracentralis, zieht in der Pyramidenbahn
*) Diese schliessliche Kreuzung auch der Pyramidenvorder-
strangbalin wird neuerdings mit (jrund bestritten, und datiir
die Endigung der Hahn im gleichseitigen Vorderhorn
angenommen.
— 41 —
durch den hinteren Schenkel der inneren Kapsel
(Mitte des Schenkels), dann weiter abwarts , wie bei
9 beschrieben, erleidet also eine teilweise Kreuzung,
und gelangt der Hauptmasse nach im Pyramiden-
seitenstraiig in das Lendenmark herab. Hier biegen
seine Fasern urn , ziehen ins Vorderhorn und haben
hier ihre Endaufsplitterung. Aus den Vorderhorn -
zellen (besonders der lateralen Zellgruppen) treten als
peripher. Neuron die vorderen Wurzehi (i. — 5.
Lumbal- und i. — 5. Sacral wurzel) aus, gelangen in den
Plexus lumbalis und sacralis und von hier in die
€igentlichen Extremitatennerven (s. Tafel 23 und um-
stehende Textfigur 5, in welcher die Beziehungen der
Muskeln zu den Segmenten des Hirnstarames und
Riickenmarks auf der rechten Seite angegeben sind.
11) Die motorischen Bahnen fiir Blase,
Mastdarm und S exualorgane entspringen an un-
bekannter vStelle im Gehirn ; ihr centrales Neuron
zieht nicht im Pyramidenseitenstrang, sondern viel-
leicht im Vorderseitenstrangr es t abwarts, es
endet in der grauen Substanz des Sacralmarkes. Von
hier zieht das peripher. Neuron in der 2. — 4. Sacral-
wurzel zum Plexus pudendus etc. und schliesslich zu
den Muskeln der genannten Organe (s. Tafel 23).
12) Zu dem Sympathicus ziehen centrale
motor. Fasern (unbekannten Rindenursprungs) in den
Seitenstrangen , sie scheinen im Vorderhorn (bes.
Seitenhorn) zu enden. Hier begin nt das peripher.
Neuron, das in den vorderen Wurzeln austretend,
schliesslich in den Ganglien des Grenzstranges und
deren analoga sich aufsplittert. Von den hier befind-
lichen Zellen beginnt das motor, sympathise he
Neuron, dessen Fasern zu den verschiedenen glatten
Muskelfasern zieht (Gefasse , Eingeweide , Herz ■ ?],
Driisen etc.).
2. Die sensible Bahii.
Da sie die Sinneswahrnehmungen von der Peri-
pherie zum Centrum leitet, sei sie auch in dieser
— 42 —
La qe der Se g mente
Sensibilitaet _ ' _ Moiilitaet
Musoulus
sphincUr LTidis
ct/tar~tS
rectus tnf ?up
obi infer
oU. super
M^LStettr terTtporaJis^
/>Ury^ou/£t
reef us extern
nUfriische GeSuJlLsmaskelrLiiunterrr Toryals)
Gaumfn . Rachenmu-fikelri
Kthlkopfmuskeln
Zunaenmus/cel/i
SternocUtdo/JUistotdeuf
tvefe ^ack€nmusk£in
Cu^uClarts . Serr-o-ius an,'
Duiph nzarrm
Deltoideus.BK^p^J'fctorati:, (part cla.v\
DracJxtal uU . \uptRUt ^/?y I
Triceps MUf^im dorsi fect^ ndis V&^^-y^
Exiensorvs carpi, et *^^9ii \
riexorej carpi ce digit |
Jnterofsfi luJTtbruates \
Thenar, HupotAenar |
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QberScftenJiei ^ ,
at*/serx
Untrr^iJtrnMui aufa
Fusi>
Scruiurn prrm^i^'
3lair MaitdUirrii
itercostales
HLurkenjriuskpl.i
Ba u ch rrtuskeO i
dti t^nUrschenhrls
Ad^ucii^r^n ( *^'-' Obers^/wrJirU
A bductoren
Quadriceps
FltJtortn
Peronn
Tlexoren . Exun^or^r, ^n «4/i «/i^
GluUUl "' i,^^
Pfruttai \
BUuen ■ VWui/fi^ia/*z/"
Mastdarrn J
Fif
Erkldriing der Ahkitrzimgen :
tr. olf — iractiis olfactorius, c. g. 1. = corpus geiiiculatum lateral., p., r.,
cr., pat., A., hezeichnen die ungefahre Lage des Refle.xcentriims fiir Pupillarreflex
(p) fiir die respiratorischen Keflexc (r.) , fiir den Creniaster (cr.), Patellarsehneii
(pat.) und .\chillessehnenrcfle,x (A.) Blasen- und Mastdarmcentren in Sacralinarlc
sind duich Kreise angegeben, anch die Centren fiir die Erection, Ejakulation, die
Wehenihati^keit liegen hicr wahrscheinlich vor.
— 43 —
Richtung besprochen ; zuerst also sei das peripher-
ische Neuron geschildert. Der peripherische
sensible Neuroncomplex der Extremitaten und
des Rumpfes lauft in den sensibeln Fasern der peri-
pherischen Nerven (ihre genauere Verbreitung in der
Haut ergibt sicb ausTextfigur lo — 12, sieheauch Figur 5
linke Seite) durch die Plexusfasern spinalwarts und
endet". vor dem Eintritt ins Riickenmark in den Zellen
der Spi nalgangli en. Aus jeder Zelle tritt in der
entgegengesetzten Richtung wieder eine F^'aser aus;
diese Fasern sanjmeln sich zu den hinteren Wurzeln
und jetzt erst tritt das sensible peripherische Neuron
ins Ri-ickenmark, indem die hinteren Wurzelfasern in
zwei Fortionen in den die Hinterhorner umgebenden
Teil der Hinterstrange eintreten. Jede Wurzelfaser
teilt sich nach ihrem Eintritte T-formig in einen auf-
und in einen a b steigenden Ast. Die beiden For-
tionen sind :
1) Der kleinere laterale Teil der hinteren
Wurzeln. Er tritt an der Hinterhornspitze in die dort
gelegenen Li'ssauer'schen Felder und jede ihrer Fasern
gabelt sich hier in den auf- und absteigenden Ast.
Beide sind kurze Bahnen, sie treten bald rechtwinklig
nmbiegend ins Hinterhorn ein und splittern sich um
dortselbst liegende Zellen auf.
2) Der media le, starkste Teil der hinteren
Wurzelfasern tritt in die laterale Partie der Hinter-
strange (^funicul. Burdach) , die deshalb die hintere
Wurzelzone heisst; hier erfahren diese Fasern ihre
gabelige TeiluDg in den auf- und absteigenden Ast.
Die absteigenden Aeste sind kurze Bahnen,
sie biegen bald rechtwinklig ins Hinterhorn um und
verasteln sich dort, die aufsteigenden sind teils
ebenfalls kurze, teils aber iange Bahnen.
Die kurzen biegen bald um und ziehen teils
ins Hinterhorn, teils noch welter bis ins Vorderhorn
und in die Clarke' schen Saulen, hier sich um Zellen
verastelnd. Die langen Bahnen ziehen zunachst
— 44 —
im Burdach'schen Strang weiter aufwarts, werden aber
bald durch die auf hoher g-elegenen Querschnitten neu
hinzutretendeii aufsteigenden langen Wurzelfasern inehr
der Medianlinie zu genahert; die im Lendenmark ein-
tretenden langen Fasern verlaufen daher im Halsmark
in den Goll'schen Strangen weiter, nach aussen davon
verlaufen die hoher (im Brust- und Halsmark) einge-
tretenen hinteren Wurzelfasern.
Diese langen aufsteis^enden Bahnen enden schliess-
lich mit ihrer Faseraufsplitterung in der Medulla
oblongata, um die Zellen der Hinterstrangs-
kerne (nucleus fun. Goll und nucleus fun. Burdach).
AUe diese verschieden verlaufenden Fasern bilden
zusammen den sensibein peripherischen Neuron-
complex. Die Zelle dieses Neurons liegt also
ausserhalb des Riickenmarks im Intervertebralganglion,
als Zellverastelung (Dendriten) ist der stark in die
Lange gedehnte peripherische Nerv mit seinen Haut-
endverzweigungen, als Nervenfortsatz ist die hintere
Wurzelfaser mit ihren in verschiedenen Teilen und
Hohen des Ri.icken marks endenden Faseraufsplitter-
ungen zu betrachten.
Die Faseraufsplitterungen erfolgen:
1) in den Hinterstrangskernen der Me-
dulla oblongata (Goll'scher und Bur-
da c h ' s c h e r K e r n),
2) in den H i n t e r h o r n e r n, in seinen verschie
denen Teilen,
3 ) in der sogenannten Mittclzone (zwischen
Vorder- und Hinterhorn),
4) in den C 1 a r k e ' s c h c n S a u 1 e n,
5) im Vo rderhorn,
um daselbst liegende Nervenzellen. Von den unter
I — 4 genannten Stellen aus nimmt der anschliessende
cent rale sensible Neu ro n c omp le x seinen An-
fang. J^eziiglich der unter 5 genannten Endigu ngen
siehe Reflexbahnen. Bis hieher ist alles verhaltnis-
massig sicher gestellt, der weitere Verlauf, der jetzt
— 45 —
sich anschliessenden centraleii sensiblen Bahnen aber,
ist immer noch viel umstritten, wenn auch klarer wie
fruher. Die strittigen Punkte soUen unten kurz be-
sprochen werden, jetzt folge die Darstellung des Weiter-
verlaufes der Auffassung, die am meisten den Postu-
laten der Pathologie entspricht. Anatomisch ist der
Verlauf fiir den Menschen noch niclit volikommen
sicher gestellt.
Das centrale sensible Neuron beginnt ge-
mass der P^ndaufsplitterung des peripherischen teils
in den angegebenen Teilen der Medulla oblongata,
teils in der grauen Substanz der Hinter- und Vorder-
horner des Riickenmarkes. Die einzelnen Partieen
seien in der oben (i — 4) angegebenen Reihenfolge
besprochen.
i) Aus den Zellen der Hinterstrangskerne
(nucleus GoU und Burdach) in der Med. obi. nimmt
das centrale Neuron seinen Ursprung. Die Fasern
Ziehen als f i b r a e a r c u a t a e i n t e r n a e im
Bogen nach unten und wenden sich der Raphe zu ;
hier iiberschreiten sie die Medianhnie (Schleifen-
kreuzung, ihr Beginn an Schnitt Tafel 41, I zu sehen,
sie endet in der Hohe von Schnitt Tafel 39, 2). Nach
dieser Kreuzung gelangen die Fasern, sich sammelnd,
dorsal iiber die bereits tiefer schon gekreuzten Pyra-
miden, neben den Vorderstrangrest und werden hier
als Schl eif ens chic ht (Hau ptschleife, Laqueus
superior) bezeichnet. Die Schleife nimmt bei ihrem
weiteren centralen Verlauf an Umfang zu und for-
miert sich zwischen den jetzt auftretenden Oliven als
Olivenzwischenschicht, stets der Medianlinie dicht an-
liegend. Weiter aufwarts zieht die Schleife in der
Haubenregion weiter und legt sich breit entwickelt
quer unter dieselbe (hier auch mediane Schleife ge-
nannt); so lauft sie durch die Briickenhaube. In der
Hirnschenkelhaube verlasst sie die Medianlinie ganz
und formiert sich lateral vom roten Kern. Von hier
gelangt die obere Schleife in die regio subthalamica.
- 46 -
Ungefahr in der Hohe, in der der rote Kern endigt,
tritt sie nun teils durch die Capsula interna (Pedun-
culusfasern) quer durch als ein Teil der Lin sen -
k e r n s c h 1 i n g e (ansa lentiformis), durchbricht die
Innenglieder des Linsenkerns und gelangt, in dem
hinteren Kapselschenkel aufsteigend, in die Rinde der
hinteren Centrahvindungen und des Parietallappens.
Hier findet die Faserendaufsplitterung der Neuron-
fasern um Zellen statt, die in diesen Rindenteilen ge-
legen sind. Im glob, pallidus ist dieser Teil wahr-
scheinlich irgendwie unterbrochen.
Ein anderer Teil der oberen Schleife tritt an-
scheinend aus der regio subthalamica direkt der inneren
Capsel bei , steigt im hinteren Schenkel derselben
(hinter der Pyramidenbahn) aufwarts und endet wohl
alich an der oben genannten Rindenstelle.
Ein Teil dieser Schleifenfasern (oder alle?) scheint
in den Ganglien der regio subthalamica, des glob,
pallidus und im Thalamus opticus (lateraler basaler
Kernabschnitt) irgendwie unterbrochen zu sein. Zur
Rindenleitung ware dafiir ein drittes (centrocorticales")
Neuron erforderlich (im Stabkranz des Thalamus?.^),
doch haben wir dariiber keine sichere Kenntnis.
Dies also die obere, auch Rinden-Thala-
m u s s c h 1 e i f e genannt.
2) Die in den Hinterhornzellen beginnenden cen-
tralen Neuren bilden kurze, rneist innerhalb des Riicken-
markes wieder endende ]3ahnen. Ihre Fasern treten
in die gleichseitige Seitenstranggrenzzone (f. 1. der
Serienschnitte Tafel 39 ff.) auch in den Hinterstrang
(ventrales Feld desselben). Nach kurzem Verlauf auf-
warts, z. T. auch abwarts, enden sie, in die graue
Substanz wieder einbiegend , und sich aufsplitternd.
An sie schliessen sich dann ahnliche Bahnen an; die
Leitung erfolgt also relaisartig, indem eine kurze Bahn
an die andere anschliesst.
Diese Fasern treten in der Medulla in die Sub-
— 47 —
stantia reticularis tegmenti ein und enden in deren
Kernen {?).
Von den Zellen der Subst. reticularis (nucleus
magnocellularis in ihrer Gesamtheit) sollen , der
Schleife sich anlegend, Fasern rindenwarts ziehen.
3) Aus den Zellen der Mittelzone ent-
springen dreierlei Fasern, teils lange, teils kurze Bahnen.
a) Fasern, die in den gleichseitigen Vor-
derseiten Strang treten und in ihm auf-
steigen. Ein Teil ist kurz , endet wieder
in die graue Substanz einbiegend. Ein an-
derer Teil steigt weiter auf und gelangt
zur Subst. reticularis tegmenti (der Schleife
beitretend ?) (fal der Schnitte).
b) Fasern , die in den gleichseitigen
Gowers'schen Strang treten und
als lange Bahnen zur Medulla aufsteigen.
Alle langen Bahnen geben bei ihrem Vev-
lauf in verschiedenen Hohen Collateralen
zur grauen Substanz ab.
Der Gowers'sche Strano; tritt ebenfalls
in die Substant. reticul. tegmenti der Me-
dulla ein. Seine Endigung ist im Hirnstamme
(Thalamus?) noch strittig.
c) Fasern, die aus den medial gelegenen Zell-
gruppen (bes. des Vorderhorns) stammend,
(Commissurenzellen) vvenden sich der Mittel-
linie zu, kreuzen sich in der vorderen
Commissur und treten durch das Vorder-
horn der anderen Seite in den Vorderseiten-
strang dieser Seite, hier als lange (?) Bahnen
aufwarts verlaufend mit den unter a ge-
nannten. In der Medulla treten sie vielleicht
der Schleife bei (wahrscheinlich unter-
brochen in den Zellen der Substant. retic.
der Haube) und laufen mit derselben central-
warts weiter der Rinde zu.
48
4) Aus den Zellen der Clarke' schen Saulen treten
die Fasern der centralen Bahn in die gleichseitige
Kleinhirnseitenstrangbahn (C b der Schnitte),
laufenaufwarts,schliessen
sich in der Medulla dem
corpus restiforme an, als
dessen ventralsten Teil,
gelangen mit diesem ins
Kleinhirnhemispharen-
mark und enden im Wurm
(im gekreuzten nucleus
tegmenti ? desselben.
Die ist also in kurzem
der Verlauf der sensibeln
centralen Neuren fiir
Rumpf und Extremitaten.
Wir sehen, dass ein Teil
derselben (durch die
Schleife) direkt zur Hirn-
rinde (gekreuzt in der
Schlejfenkreuzung) ver-
lauft, ein anderer (durch
dieKleinhirnseitenstrang-
bahn) direkt zum Klein-
hirn gelangt. Ein dritter
Teil (bes. Vorderseiten-
strang) gelangt dagegen
nur bis zur Substant.
reticularis tegmenti der
Medulla oblongata (zum
teil gekreuzt in der vord.
jurip,h.!s^erir.
. hiitl.
Commissur);
miissen wir
'Ep.ide
von hier
(beginnend
Fig ya. Schema der sensibeln liahn.
Erklarung zu Figur ya; periph. Neuron (getiipfelt), i, 2, 3
kurze Bahnen, 4 lange Bahn, Die Umschaltstellen sind durch kleine
Kreise bezeichnet. Central. Neuron (geslrichelt), £ Clarke'sche
Saule (Kleinhirnseitenstrangbahn), II unterbrochene, III lange Vorder-
seitenstrangleitung, H Hinterstrangskerne , SIV Schleifenkreuzung.
— 49 -
in den Kernen der Substant reticularis?) ein weiteres
(centrocorticales) Neuron bis zur Rinde annehmen ;
diese Fasern soUen sich auch teilweise (Vorderstrang-
rest) der oberen Schleife beilegen ; in dieser ver-
lauft demnach schliesslich die Hauptmasse der centralen
sensiblen Neuren wieder gesaminelt zur Hirnrinde.
Der andere Teil zieht ebenfalls in der Haube (Sub-
stantia reticularis) wenigstens bis zum Thalamus opti-
cus. Von hier weitere Bahnen?
Strittig in dieser Darsteliung ist der Antheil,
welcher der Commissurenkreuzung zukommt. sie
wird von Manchen geleugnet und nur eine unge-
kreuzte Leitung ixn Vorderseitenstrang angenommen.
Die hintere Commissur enthalt auch einige sich kreuzende
Fasern, doch ist deren Bedeutung ebenfalls nicht sicher.
Strittig ist auch der Weiterverlauf der Schleife aus
der regio subthalamica, bezw. der im Thalamus unter-
brochene Teil, der Anteil der Linsenkernschlinge und
noch andere Punkte. Vergleiche zu dem oben Ge-
sagten nebenstehende Darsteliung der sensiblen Bahnen.
(Fig. 7a).
Was nun die Leitung der einzelnen sensibeln
Qua lit a ten anlangt, so ist nach den pathologischen
Erfahrungen fiir den Menschen folgendes als wahr-
scheinlich hinzustellen.
Die Gesamtleitung der Sensibilitat von Haut und
tieferen Weichteilen aus Extremitaten und Rumpf er-
folgt im peripherischen Neuron durch die sensibeln
Nerven iiber die Spinalganglienzelle durch die hintere
Wurzel ins Riickenmarck. Ob fiir die verschiedenen
Oualitaten schon in diesem Verlauf verschiedene Bahnen
vorhanden sind, ist noch nicht entschieden. aber wahr-
scheinlich.
Nun wissen wir, dass die Taste mp fin dung
einen anderen Weg geht, oder doch gehen kann, als
die Temperatur- und Schmerzempfindung. Die
letzteren werden auf den ins Hinter- etc. Horn ein-
tretenden Bahnen geleitet und miissen im \^ or der-
- 50 -
seitenstrang (central. Neuron) weiter gelangen, ein
Teil derselben verlauft sicher in gekreuzten Bahnea
(vordere Conimissur ?) und gelangt mit der Schleife
in die Hirnrinde und so zum Bevvusstsein.
Die Tas tempfindung und die Muskelem-
pfindungen soUen in den langen Bahnen der Hinter-
strange zu den Hinterstrangskernen und von da auf
dem geschilderten Weg (fibrae arc. int.) in die ge-
kreuzte Schleife gelangen, von hier zum Rindenbo-
wusstsein. Die Hinterstrangleitung, (vvenigstens fur
Tastsinn) scheint aber ersetzbar zu sein durch andere
(kurze, relais-artig weiterleitende ?) Bahnen. Sicher
aber ist die Weiterleitung in der Schleife (grossten-
teils, aber nicht vollkommen in der gekreuzten).
Die sensibeln Blasen-Mastdarm etc. N e r v e n
Ziehen in der 3. — 5. hinteren Sacralwurzel ins Riicken-
mark, ihre peripherischen Neuren enden in der grauen
Substanz des Sacralmarkes. Von hier (oder erst holier ?
lange aufsteigende Hinterwurzelfasern.?) beginnt die
centrale Leitung vielleicht in den langen Hinterstrangs-
bahnen (GoU'sche Strange.^) aufsteigend. Ober den
centralen Weiterverlauf ist nichts Sicheres bekannt,
Auch aus den Eingeweiden (Peritoneum, Darm, Driisen)
treten in den sympathischen Geflechten (bes.
Splanchnicus) , sensible Fasern in die Spinalgangl.
und hinteren Wurzeln ein, und scheinen im Seiten-
strang weiter zu verlaufen (Kleinhirnseitenstrangbahn ?).
Mitder Schleifenbahn der Haube ziehen auch die
centralen Neuren fiir die verschiedenen sensibeln
Gehirnnerven (bis auf olfactor. und opticus) zur
Hirnrinde weiter. Dieselben seien hier in der Reihen-
folge ihres Eintritts von unten nach oben zu besprechen.
1. Der sensible Glossopharyngeus- Vagus
Anteil. Seine peripherischen Neuronfasern laufen
in den beiden periph. Nerven zu den Zellen des
ganglion petrosum und jugulare (diese also bilden das
Analogon der Intervertebralganglienzellen) und treten
aus diesen aus und in den bctreftenden Nervenwurzeln
- 51 —
durch die Medulla obi. zu deni sensibeln Glossopharyng.
Vagus-Kern am hiiiteren Ende der Rautengrube, um
dessen Zellen die Fasernendaufsplitterung stattfindet.
Ein Teil endet nicht an dieser Stelle, sondern lauft
als Solitarbundel (fascicul. solitar. (s) , absteigende
Vagus etc, Wurzel) eine Strecke abwarts, um sich
ebenfalls um Zellen in seiner Nahe (Hinterhorn) auf-
zusplittern.
Aus diesen und den Zellen des sensibeln Kernes
entspringt das centrale Neuron, dieses verlauft der
Raphe zu, hier sich kreuzend und gesellt sich der
medialen, oberen (nach Anderen der lateralen s. u.)
Schleifenbahn bei, mit dieser zieht der centrale
Neuroncomplex rindenwarts, an den Endstellen der
Schleifenbahn (hintere Centralwindung?, fiir die Ge-
schmacksfasern in der basalen unteren Stirnvvindung ?)
sich um Rindenzellen aufspHtternd.
2) sensibler Trigeminus. Seine peripher.
Neuronfasern treten aus den drei sensibeln Quintus-
asten sich sammelnd in die Zellen des Ganglion Gasseri
ein und als hintere Wurzelportion aus; diese durch-
setzt die Briickenfasern und splittert sich um die Zellen
des sensibeln Qui n tusker nes auf. Ein Teil der-
selben verlauft aber als ,, absteigende (caudale, V c)
Quintuswurzel (friiher falschlich radix ascendens ge-
nannt) eine weite Strecke bis ins oberste Halsmark,
allmahlig sich erschopfend, weiter. Diese absteigende
Quintuswurzel ist auf alien Durchschnitten der Me-
dulla oblongata lateral von dem Rest des Hinterhorns,
der Substantia gelatinosa der Haube, deren oberstes
Ende eben den sensiblen V. Kern bildet, sichtbar.
(Die vorne als motor. Wurzel beschriebene ,,nasale
V. Wurzel'' gait bisher fur sensibel, ihre Bedeutung
ist noch unklar. Wenn sie, wie wahrscheinlich, mo-
torisch ist, miisste sie auch ,,absteigend'' genannt
werden). Ein weiterer Teil schliesslich soil aus der
sensibehi V. Wurzel direkt zum Kleinhirn gelangen
(direkte sensorische Cerebellarbahn), sie wurde also
— 52 —
als ein Analogon der Kleinhirnseitcnstrangbahn des
Riickenmarks zu betrachten sein.
Aus den Zellen des sensibeln Kerns und denen
der Umgebung der radix descendens entspringt das
cent rale Neuron. Seine Fasern iiberschreiten in
der Haubenraphe sich kreuzend die Medianlinie und
gelangen zur (medialen ?) Schleifenba hn, mit der-
selben Hirnrindenwarts (hintere Centralwindungen)
ziehend; hier ist ihre Fasernendaufsplitterung.
3) N. acusticiis. Er zerfallt in zwei, verschiedene
Funktionen ausiibende Aste, den N. cochlearis und
den N. vestibularis.
a) N. cochlearis, Schneckennerv, der eigent-
liche.Hornerv. Sein peripherisches Neuron
beginnt im Cortischen Organ der Schnecke
und tritt in die Zellen des in der Schnecke
liegenden ganglion cochleare (Analogon der
Intervertebralgangl.) ein und wieder aus ; als
N. cochlearis tritt er zur Medulla , oblongata
und splittert sich um die Zellen des nucleus
ventralis acusticus, lateral das corp. restiforme
umgreifend auf. Von hier zieht als centrales
Neuron das corp. trapezoides unter der Haube
und die striae acusticae (strittig !) iiber der Haube
der Medulla der Raphe zu, kreuzt sich und
lauft als late rale untereVierhiigelschleife
weiter. nach aussen von der medialen, oberen
Schleifenbahn gelagert, Ein Teil verlauft audi
ungekreuzt in der gleichseitigen lateralenSchleife
(und tritt auch zur Oliva superior durch Fasern
des corp. trapezoides in Beziehung). Die laterale
Schleife zieht bis unter die Vierhiigel an der
angegebenen Stelle weiter und endet zum Teil
im hinteren Vierhiigel und corp. geniculat me-
diale (daran anschliessend dann eine dritte
centrocortikale Bahn [:]). Von hier gelangt die
centrale Acusticusbahn in die regio subthala-
mica und von da in den hinteren Schenkel der
— 53 —
inneren Kapsel (hinter den oben beschriebenen
direkten sensibeln [oberen] Schleifenfasern der
inneren Kapsel), aus ihr treten die Fasern in
die Rinde des Schlaf enlappens (gyrus
temporal, sup er.).
b) Der N. vestibularis. Sein periph. Neuron
entspringt den Bogengangen des Labyrinths,
hat dort seine Neuronzellen und endet sich
aufsplitternd um Zellen des ,,dorsalen Acusticus-
kernes" und benachbarter Zellgruppen (nucl.
Deiters), ein Teil bildet die absteigende VIII.
Wurzel, wahrend ein anderer als direkte sen-
sorische,Cerebellarbahn zum Kleinhirn aufsteigt.
Von dem sensibeln Kern aus zieht das cen-
trale Neuron (corp. trapezoides .■^) in der Raphe
sich kreuzend zur (medialen }) Schleife unci so
rindenwarts. Rindenstelle unbekannt.
Anders als die bisher beschriebenen sensibeln
Nerven verlaufen N. opticus und olfactorius, die iiber-
haupt nicht als peripher. Nerven, sondern als modifi-
cierte Gehirnteile aufzufassen sind , wie ihr Bau und
ihre Entwicklung beweist.
4) N. opticus. Sein periph erisches Neuron
iiegt ganz innerhalb der ausseren Retinaschichten. Sein
centrales Neuron entspringt dort anschliessend, in
den inneren Schichten, die Neuronfaser lauft im N.
opticus centralwarts. Im Chiasma iindet eine partielle
Kreuzung statt in der Weise , dass die Fasern aus
beiden linken Retinahalften in dem linken tractus
opticus, die aus den rechten Halften in dem rechten
tractus opticus zu verlaufen kommen. Es kreuzen
sich also die beiden Faserbi-indel aus den nasalen
Retinahalften.
Jeder tractus opticus enthalt also Fasern von
beiden N. optici und zwar sind dies anscheinend lange
und kurze Bahnen.
Die langen ziehen im tractus opticus zum corpus
geniculatum laterale und dasselbe umgreifend direkt
— 54 —
in den benachbarten hintern Schenkel der inneren
Kapsel . in dessen hinterstem Abschnitte weiter zum
Occipitallappen verlaufend (Sehstrahlung). Die Existenz
dieser ,,direkten" Fasern wird mit Grund bestritten.
Die kurzen Bahnen, sicher weitaus die zahlreichsten,
erfahren in den ,,primaren Opticuscentren" (corpus
geniculat. laterale, corp. quadrigem. ant. und Pulvinar
thalami ihre Faserendaufsplitterung um die dort-
selbst gelegenen Zellen. Von diesen Zellen aus ziehen
als drittes (centro-corticales) Neuron die Nervenfasern
dieser Zellen, der ,, Sehstrahlung" beitretend (hinterer
Kapselschenkel), weiter der Occipitalrinde zu (Cuneus).
Um deren Zellen splittern sich die Fasern beider
Teile auf.
Im tractus opticus befinden sich aber auch Fasern,
die aus dem vorderen Vierhiigel stammend, centrifugal
und grosstenteils gekreuzt der Retina zu verlaufen
(absteigende Opticusfasern). Ihre Bedeutung ist unklar.
5) N. olfactorius. Als peripherisc hes Neu-
ron sind zu betrachten die in den Sinnesepithelzellen
(Analogon der Spinalganglienzellen?) der Membrana
olfactoria beginnenden Nerv^uH olfactorii, diese ver-
laufen (marklose Fasern) zum bulbus olfactorius und
splittern sich um dort gelegene Zellen (die glomeruli
oUact. bildend) auf. Von hier zieht das centra le
Neuron im tractus olfact. weiter. Ein Teil verlauft
gekreuzt (commissura anter.) ein Teil ungekreuzt zur
Rinde des gyrus fornicatus und gyrus Hippocampi.
(Auch fornix , corp. candicantia und verschiedene
Faserzi-ige des Zwischenhirns gehoren der ,,Riech-
faserung-' und ihren Associationsbiindeln an).
Dies der Verlauf der scusihcln Baku; auch ihr
centrales Neuron verlauft also zum grossten Teil
gekreuzt, das peripherisc he ungekreuzt (s. Fig. 7).
Der grosste Teil der Empfindungen gelangt also stets
in die gekreuzte, ein kleinerer aber in die Rinde der
gleichseitigen Hemispharen , ganz analog dem Ver-
halten der motorischen Bahn.
55
Wir wenden uns nun zur Besprechung der V^er-
bindungen zvvischen der motorischen und sensibeln Bahn.
Es sind in physiologischer Verbindung das peri-
ph erische motorische und sensible Neuron (R e f 1 ex-
bahnj und das centrale motor, und sensible Neuron
(Bahn der bewussten Willensreaktion).
a) Die Rejiexhahnen.
Wir verstehen unter einem Reflex einen unwill-
vV. sens
i^ miilor
Fig. 7.
In Fig. 7 bedeutet: p = peripher., c = centrales Neuron, d ■=.
Kreuzung, / = lange, b = kurze periph. sensibl. Ruckenmarksbahn.
kiirlich erfolgenden Bewegungsvorgang, der durch einen
sensibeln Reiz ausgelost wird.
Der ganze Vorgang verlauft innerhalb der peri-
ph eri sc h e n Neuren *), diese bilden also die Reflex-
bahn (Reflexbogen). Dieselbe zerfallt in den sensibeln
*) Ob innerhalb des Sympathicus Reflexbabnen vorhanden sind
(Reflexcentrum in den Ganglien desselben), ist unenischieden.
- 56 -
Teil (sensibles peripher. Neuron teihveise) und den
motorischen Teil (motor, periph. Neuron) und als
Verbindungsstiick einen vom sensibeln Neuron nach
seinem Eintritt in das Riickenmark resp. Hirnstamm
abzvveigenden Ast, die Reflexcollaterale, die als
kurzer Fortsatz der hintern Riickenmarkswurzeln oben
(S. 44) als zu den motorischen Vorderhornzellen (unter 5)
ziehend bereits beschrieben ist.
Die Reflexbahnen werden bei der fotalen Faser-
anlage zuerst markhaltig, entsprechend der Thatsache,
dass die ersten embryonalen Bewegungsvorgange reflek-
torischer Natur sind.
i) Die Haut- und S ehnenreflexbahnen.
Sie sind in ihrem Verlauf noch am besten be-
kannt.
Ihren sensiblen Schenkel bildet das peripherische
sensible Neuron , ihren Verbindungsast die Reflex-
coUateralen , die sich um Vorderhornzellen verasteln.
Wahrscheinlich dienen zu diesem Zweck nicht alle
motorischen Vorderhornzellen, sondern nur ein Teil
derselben. Man unterscheidet einen kurzen und einen
langen Reflexbogen.
a) der kurze besteht in einer CoUaterale, die
direkt aus dem Hinterstrang durchs Hinter-
horn zur Vorderhornzelle zieht. (Fussohlenreflex.
Patellarsehnenreflex, spinale Reflexe),
b) der lange Reflexbogen entsteht dadurch,
dass die Reflexcollaterale um eine Hinter-
hornzelle sich aufsplittert. Von dieser Zelle
aus tritt ein ab- und aufsteigender Ast mit
mehreren Collateralen erst zu einer oder mehreren
(auch in verschiedenen Hohen des Vorderhorns,
ev. auch Hirnstamms gelegenen) motorischen
Ganglienzellen. Es werden also so reflektorische
Uebertragungen auf weitere Muskelgebiete er-
moglicht ; dadurch wird auch die fiir verschie-
dene Reflexe aus klinischen Griinden postulierte
— 57 —
Gehiinbeteiligung verstandlich. Die Fasern des
hint. Langsbi-indels scheinen in diescr Weise
zu funktionieren.
Die Lokalisation einiger hiehergehoriger Reflexe
ergibt sich aus der Texttafel 5, S. 42. (Naheres s.
IV, 3.)
2) Die komplizierter en R efl exba hnen.
Sic sind in ihreni naheren Verlaufe noch sehr
wenig gekannt.
Die Schluck-, Niess-, Husten reflexbahn
setzt sich zusammen aus den sensiblen Trigeminus-
glossopharyngeus-vagusfasern und den entsprechenden
motorischen Nerven vago-accessorius.
Der Conjunktivalr efl ex aus Trigeminusfaciahs-
fasern.
Der Pupillarreflex aus opticus-oculornotorius-
fasern. (Vierhiigel-oculomot. Kern ?)
Die ReflexcoUateralen miissen von dem betrefifen-
den sensibehi Nerven zum entsprechenden motorischen
Kernlager ziehen. Fiir einige Reflexe wird auch eine
Rindenbeteiligung vermutet. Fur die Lokalisation
anderer wichtiger von Acusticus, opticus etc. ausge-
loster Reflexe fehlen vorlaufig die Anhaltspunkte.
Siehe Ausfiihrlicheres iiber diese Reflexe im Ab-
schnitt IV, 4).
Die reflectorisch ausgelosten Biasen-, Mastdarm-
u. s. w. Funktionen haben ihren Reflexbogen (siehe
sensible und motor. Bahnen derselben) im Sacralmark.
b) Die Willensbahn.
Ueber den Reflexbogen, der aus den beiden peri-
pherischen Neuren sich zusammensetzt, ist gewisser-
massen wie ein zweiter Bogen der gestellt, welcher von
den centralen motorischen und sensibeln Neuren und
deren Verbindungsbahnen in der Grosshirnrinde ge-
bildet wird. Er dient der Uebertragung von einem
bevvussten Empfindungs- zu einem willkurlich veran-
lassten Bewegungsvorgang, also dem Willensakte.
Zu gleicher Zeit iibt das centrale motorische
Neuron einen hemmenden, das centrale sensible
- 58 —
Neuron einen controllierenden Einfluss auf den
Reflexvorgang aus.
Die Bewusstseinsvorgange spielen sich alle
in der Hirnrinde ab. in der die sensibeln Bahnen enden
iind die motorischen beginnen. In ihr liegen auch die
postulierten Verbindungsbahnen zwischen diesen beiden
Rindenpartieen von verschiedener Bedeutung. Eine
direkte Aufsplitterung der sensibeln Neuronfasern urn
die motorischen Ganglienzellen ware wenigstens teil-
weise denkbar, ist aber doch unwahrscheinlich; es
diirften vvohl zwischen beide ein oder mehrere andere
Neuren (transcorticale) eingeschaltet sein (siehe das
Schema Tafel 13).
Eine ungefahre Anschauung von dem Wesen der
Bewusstseinsvorgange in der Grosshirnrinde erhalt man
durch die Betrachtung des Entwicklungsganges. den
die fotale und kindhche seelische Thatigkeit einschlagt.
Dieselbe beginnt im wesentHchen allerdings erst nach
der Geburt, doch spielen sich auch schon im fotalen
Leben eine Reihe von Empfindungs- und Reflex-
vorgangen ab.
Die ersten Bewegungen werden reflektorisch aus-
gelost, die Reflexbahnen umkleiden sich ja, wie schon
angegeben, friihzeitig mit Markscheiden. Auf dem
Wege der, lange vor den centralen motorischen Bahnen
markhaltig werdenden Haubenbahn (Schleife) erfolgt
offenbar primar, als Grundlage fur die spatere Willens-
tliatigkeit, das Eintreten von den Sinneseindriicken
aus der gesamten Korperoberflache in die Hirnrinde
(speziell der hinteren Centralwindung und des Parietal-
lappens). Die dort gelegenen Zellen oder Neuren
haben die spezifische Eigenschaft diese Sinneseindrucke
in irgend einer Art (durch chemische? physikalischer
Vorgange) dauernd aufzubewahren und als Er-
in nerungsbi 1 der unter Umstanden wieder zu re-
producieren.
Im postfotalen Leben kommen ausserdem noch
dazu die Erinnerungsbilder der Schallwellen.
— 59 -~
die durch acusticus-laterale Schleife in die obere
Schlafenwindung g-elangen iind dort ,,aufgespeichert"
wcrden, ebenso die der Lichtempfindungen, die
durch opticus- Sehstrahlung ziehend im Occipitallappen
(speziell Cuneusrinde, Umgebung der fissura calcarina)
deponiert werden. Aehnlich verhalt sichs niit Ge-
ruchs- und Geschmacksempfiiadungen.
Alle diese verschiedenen Qualitaten von Er-
innerungsbildern , die also in raumlich getrennten
Rindenabschnitten lokalisiert sind, werden unter
einander wieder verkniipft durch die Associations-
vorgdnge mit Erinnerungsbildern sowohl der gleich-
seitigen Hemisphare (durch die Associationsbahnen
sensu strictiori) als der andern Hemisphare (durch die
Comniissurenbahnen).
Durch die Associationsvorgange entsteht erst die
Begriffsbildung. Jeder Begriff besteht also aus
einer Summe associierter Erinnerungsbilder. Hoher
gestellte Associationen bilden die Ideen, deren Ver-
knijpfung die logischen Denkvorgiinge. Die Re-
produktion dieser Associationen nennt man eine
Vorstellung. Nur ein Teil aller Associationen ist
zu einer bestimmten Zeit jedesmal in Eluss, ein
andrer Teil latent.
Die Summe der jedesmal fliissigen Associationen
plus die neu eintretenden Sinneseindrlicke machen einen
Hauptbestandteil des ]3ewusstseinsinhaltes aus.
Dieser Inhalt ist demnach einem bestandigen Wechsel
unterworfen. Ein vermutlich nicht geringer Teil der
Associationen verlauft aber auch unter der Schwelle
des Bevvusstseins (unbewusste Associationen).
Ausser den genannten gelangt nun noch eine
andere Art von Empfindungen in die Hirnrinde, und
zwar gerade solclie, die zu ,,unbewussten Associa-
tionen" verarbeitet werden:
Dies sind die bei den friihzeitig stattfindenden
reflektorischen Bewegungsvorgangen centralwarts weiter
geleiteten Muskel- und Gelenkempfmdungen; diese lagern
60
sich in den Centralwindungen ab (wahrscheinlicb in
nachster Nahe der motorischen Centren) als die ,,In-
nervationsgefiihle" der durch die verschiedenartige
Muskelthatigkeit hervorgerufenen Bewegungsvorgange
(kinasthetische Erinnerungsbilder).
Durch die Reproduktion dieser auch im post-
fotalen Leben fortvvahrend sich ablagernden und durch
(unbewusste) Association weiter verkniipften Erinner-
ungsbilder der Innervationsempfindungen wird auf un-
bekannte Art die bewusste, gewollte Muskelthatigkeit
ermoglicht und deren zweckmassiger Ablauf reguliert.
Die Bahn, in der diese Uebertragung von den End-
stellen der centralen sensibeln Neuren auf diejenigen
der centralen motorischen Neuren statthat (sie muss
in der Rinde liegen), ware das eigentliche Analogon
der Reflexcollateralen der peripherischen Neuren.
Ein Beispiel moge das Besprochene versinnlichen.
Auf Tafel ii, 3 erkennt man die Reflexbahn, ihr
sensibles Stuck (braun) — die Reflexcollaterale —
ihr motorisches Stiick (blau). Dariiber gestellt die
centrale Bahn fiir die bewussten Aktionen, ihr
sensibles Stiick (griin) — • Verbindungsneuron (schwarz)
— ihr motorischer Abschnitt (rot). Die Erinnerungs-
bilder der Sinneseindrllcke und Muskelempfindungen
lagern sich um die sensibeln (grlinen) Rindenaufsplitter-
ungen herum ab, also in den (schwarzen) Commissuren-
und Associationsneuren der Rinde, welch letztere
Bahnen zu anderen Rindenstellen ziehen und aus
andern kommen.
Bei einem Stich in die Zehe zuckt zunachst re-
flektorisch das betreffende Bein (Reflexverlauf im
braunen Neuron zuni blauen, Reflexiibertragung im
Lendenmark), zu gleicher Zeit ist im grunen Neuron
die sensible Reizung zur Hirnrinde gelangt, hat, asso-
ciiert mit verschiedenen Erinnerungsbildern, die be-
wusste Schmerzempfindung verursacht. Diese erregt
(da ein neuer Stich droht — Association mit optischen
frischen Sinneseindriicken)- vermittelst der Auslosung
— 6\ —
der betreffenden Innervationsgefuhle (lob. paracentralis)
die ZLir Fortbewegung des Beines notigeii motorischen
Bahnen (rot-blau), und damit die von ihm versorgten
Muskeln.
Von den verschiedenen in dieser Weise ablaufenden
Rindenthatigkeiten interessiert uns hier besonders der
Sfraclrcorgang' .
Im oberen Schlafenlappen der 1 in ken Hemisphare
lagern sich beim Sprechen lernenden Kinde die Klang-
bilder der gehorten Worte ab (Wortklangcentrum,
sensorisches Sprachcentrum). Die Bedeutung der
Klangbilder zu erkennen (ihre Begriffsbildung) wird
erst durch umfassende associative Thatigkeit ermoglicht.
Von hier fiihrt eine Bahn (Verbindungsstiick) zum
Wortsprech centrum (motorisches Sprachcent-
rum) im Fuss der unteren linken Stirnwindung
(Broka'sche Windung). Hier oder docli in der Nahe
sind die Innervationsgefuhle (kinasthetischen Erinner-
ungsbilder) aller zum Sprechakte notwendigen Muskel-
synergien (Zunge, Mund, Gaumen, Kehlkopf etc. Mus-
keln) durch Uebung, Nachahmung abgelagert und
deren vom sensorischen Sprachcentrum aus angeregte
Reproduktion lost schliesslich die komplizierten Be-
wegungsvorgange aus, die zur Erzeugung von Buch-
staben, Worten, Satzen notwendig sind. 1st durch
einen ungliicklichen Zufall das Gehor beim Kinde er-
loschen, so ist natiirlich die Spracherlernung unmog-
lich (Taubstummheit). Alle diese Vorgange bei Er-
lernung der Sprache geschehen nun unter fortwahrenden
Associationsvorgangen mit den Erinnerungsbildern aus
anderen Centren, besonders mit den optischen und
taktilen. Je mehr Erinnerungsbilder in der Rinde
sich aufspeichern und je zweckmassiger sie durch
Associationen sich befestigen, um so grosser ist der
geistige Fond des betreffenden Gehirns.
Die Sprachcentren liegen, wie die unten noch zu
besprechenden andern Centren fiir Lesen und Schreiben
in der Rinde nur einer Hemisphare, bei alien Rechts-
— 62 ~
handern in der linken (bei den Linkshandern in der
rechtenl Das motorische Sprachcentrnm ist wohl
identisch mit den Centren des Facialis, Hypoglossus etc.
Beim Lcsen leriien lagern sich die Schrifl-
erinnerungsbilder im Sehcentrum ab (lob. occipital.),
gelangen aber erst durch Association mit dem akusti-
schen (Klangbild-)Centrum und auch init dem nriotori-
schen Sprachcentrnm zum Bewusstsein ; weil wir beim
Lesen lernen stets die Schriftbilder in ein Klangbild
und ein Sprechbewegungsbild (lautes Lesen) um-
wandeln. Im spateren Leben konnen sich manche
A'lenschen mehr und mehr von diesen Associationsvor-
gangen emancipieren.
Beim Schreibeii lernen lagern sich die Schreib-
erinnerungsbilder als Innervationsgefiihle der Schreib-
bewegungen im rechten Armcentrum (mittl. Drittel
der Centralwindungen der linken Hemisphare) ab,
sie stehen in innigster associativer Verkniipfung mit
optischen und akustischen Erinnerungsbildern dieser
Seite.
Bei verschiedenen Individuen treten mehr die
optischen, bei anderen mehr die kinasthetischen Schrift-
Associationen in den Vordergrund.
Die Hauptregionen derHemispharenrinde, in denen
diese Vorgange sich abspielen, sind also die Zentral-
windungen, obere Schlafenwindung, die Parietal- und
Occipitalwindungen. Fiir die hoheren geistigen Funk-
tionen der Intelligenz wird besonders der Stirnlappen
als anatomisches Substrat bezeichnet. Doch hat man
sich immer zu vergegenwartigen, dass die komplizierten
Vorgange des De nk verm ogens nur in weiter aus-
und aufgebauten Ass ociati on sop erati o nen be-
stehen, die Summe dieser Associationen kann unmog-
lich nur an die Thatigkeit eines Lappens gebunden
sein.
Den Unterschied in der Verteilung der Centren
auf beiden Hemispharen zu Gunsten der linken zeigt
- 63 -
Fig-. 8. Die ,,latenten" Rindeiifelder sincl weiss. Die
(getiipfelten) ,,Sinnescentren" enthalten also die psy-
chosensorischen und psychomotorischen Felder,
Projektionsbahnen neben Associationsbahnen, die
anderen (weissen) Rindenvvindungen sollen ausschliess-
lich Associationsfasern enthalten.
H.a
Fig. 8.
Vorgange diene
Zum Verstandnis der Sprach- etc
Fig. 9. Die Bahnenverkniipfung beim Sprechen,
Schreiben, Lesen lasst sich, vvie
wenn wir bezeichnen:
folgt,
wiedergeben,
PCUluS J
iutfica-
mit I die sensorische
Sprachbahn , I deren
Centrum,
mit 2 die motorische
Sprachbahn , II deren
Centrum,
mit 3 die optischeBahn,
HI das optische Centrum,
mit4 die kinasthetische
Bahn fiir Sprach- und
Schreibbeweguiigcn, IV
deren Centrum,
mit 5 die motorische
Schreibbahn, V deren Centrum, (Armcentrum).
Mit X sei die Begriffsbildung, die wir also nicht
an ein Centrum
den Effekt der gesammten associativen
Ein Teil der wichtigen jedesmaligen Associationen ist
mit der Bezeichnuncr a in Klammer beic^efug^t.
bracfHum.
als gebunden
auffassen, sondern als
Thatigkeit.
64 -
X
Sprechen lernen : 1 (a 3) — I— Ilia I V') — 2
X
Lesen lernen : 3 — III — I (a IV) — II
X
Schreiben lernen: 3 — III — I (a IV, all) — \' — 5
Spontanes Sprechen: x — II (a IV, a I) — 2
X
Spontanes Lesen: 3 — III — I (alVj — II — 2
Spont. Schreiben : x — I (II) — III — V (alV) — 5
Nachsprechen^) : 1 — I — II (a IV) — 2
Nachschreiben: 3 — III — V (alV) — 5
Diktatschreiben: 1 — I (alll) — \^ (a IV) — 5
Weitere wichtigere Einzelheiten werden bei der
allgemeinen Symptomatologie (Abschnitt IV. 3) be-
sprochen, um Wiederholungen zu vermeiden.
Es sei noch der Coordination der motorischen
Thatigkeit gedacht.
Jeder auch der geringste Bewegungsvorgang spielt
sich durch das Zusammenwirken mehrerer Muskel-
gruppen ab. Die Regulierung des zweckmassigen
Ablaufes der verschiedenen beteiligten Muskelaktionen
bei jeder einzelnen Bewegung nennt man Coordination.
Schon bei einer einfachen Muskelaktion miissen
Agonisten und Antagonisten coordiniert arbeiten, viel
mehr noch bei den komplicierteren in verschiedene
auf einanderfolgende Einzelaktionen zerfallenden Be-
wegungsvorgangen (z. B. Gehen, Sprechen u. s. \v.) ;
hier muss nicht nur der einzelne Bewegungsvorgang.
sondern auch der zeitliche Ablauf in der Reihenfolge
derselben zweckmassig geregelt werden.
Zusammenwirkende P*luskelgruppen beziehen ihre
peripherischen und wohl auch centralen Neuren oder
doch einen Teil derselben aus ZcUagern, deren ein-
zelne Zellen unter sich in besonders inniger Verbind-
*) Wenn mechanisch geschehend, ohne Begriffs- (x) Associationen.
— 65 -
ung stehen, (Coordinationscentreii und -Bahnen des
Gehirns und Riickcnmarks). So sind z. B. die Augen-
muskelkerne , die Hypoglossuskerne besonders innig
verkniipft. Auch von e i n e r Zelle aus konnen die
Bewegungsimpulse (durch die Collateralen) auf ver-
schiedene Muskcln iibertragen und dadurch die coor-
dinierte Muskelaktion unterstiitzt vverden.
Wichtig ist fur das Zustandekommen der Coor-
dination die Regulierung durch die sensiblen Em-
pfindungen (besonders Muskelempfindungen). Dar-
iiber und iiber den Einfluss des Klein hi rns auf die
statische Coordination eriibrigt noch zu sprechen.
Das Kleinhirn iibt wohl zweifellos einen Einfluss
auf die statische Coordination und die GLeich-
gewichtserhaltung des aufrecht stehenden und
gehenden Korpers aus. Es erhalt zu diesem Zvveck
in centripetal leitenden Bahnen die Muskelempfind-
ungen (auch optische, taktile u. s. w.) aus der Korper-
peripherie. Die corpora restiformia fiihren den Teil
der Hinterstrangsfasern, der nicht zur Schleife gelangt,
aus den Hinterstrangskernen ins Kleinhirn \ ebenso
gelangt, wie wir wissen, die Kleinhirnseitenstrangbahn
(unbekannter Funktion) und Fasern aus n. vestibularis
(Bogengange-Gleichgewichtsorgan?) und n. trigeminus
(direkte sensorische Cerebellarbahn) dahin.
Wie nun aber der Kleinhirneinfluss auf die Coor-
dination zu deuten ist, dariiber bestehen nur unsichere
Vermutungen.
Das Kleinhirn steht mit dem Gross him ver-
schiedentlich in Verbindung, es ware also denkbar,
dass es auf die motorischen Rindenfelder desselben
einen regulierenden Einfluss ausiibt, also indirekt auf
die Muskelthatigkeit einwirkt. Gerade mit diesen Cen-
tren scheint es aber nicht direkt verbunden zu sein.
Aus dem Kleinhirn ziehen die Briickenfasern zu
den gekreuzten Briickenganglien. In diesen endet
auch, wie wir gesehen haben, sowohl die frontale, als
die tempor o-occipitale Briickenbahn.
— 66 —
Es erscheint also jede Kleinhirnhemisphare mit
dem Stirii-, Schlafen- und Occipital-Lappen der ge-
kreuzten Grosshirnhemispharen in direkter Verbindung,
Des weiteren kommt aus dem roten Kern der
Haube (der hinwiederum mit dem Thalamus (Schleife r)
etc. verbunden ist) der Bindearm zur gekreuzten
Hemisphare des Kleinhirns. Diese Grosshirn- Klein-
hirn-Bahnen kennen wir, ihre Funktion ist unklar, sie
scheint aber mit der Coordination in Zusam.menhang
zu stehen.
Auch eine dire kt e Beeinflussung der Muskulatur
durch das Kleinhirn ist anatomisch denkbar. Vom
Kleinhirn Ziehen die Olivenfasern im corp. resti-
forme zur gekreuzten OHve, von hier flihrt die centrale
Haubenbahn nach oben, die „OHvenbahnen" im Seiten-
Strang tiefer abwarts zu Zellen des Vorderhorn's (?).
Alles inAllem: wir wissen noch nichts Sicheres
darliber.
IV. Abschnitt.
Allgemeine Pathologie und Therapie der Er-
krankungen des Nervensystems.
(Tafel 53—68).
1. Uber die Ursachen der Erkrankuneen des
Nervensystems.
Die Erkrankuncren des Nerv^ensvstems entstehen
entweder als primare Affektionen der Nervensub-
stanz selbst, oder sie kommen im Gefolge von Er-
krankungen der anderen besonders der benachbarten
Gewebe des Korpers (Blutgefasse, Haute, Knochen
u. s. w.) s e k u n d a r zAistande.
Die haufigsten Ursachen dieser „sekundaren"
Nervenkrankheiten sind:
a)Entartung des Blutgefassapparats und
deren Folgezustande, (Arteriosklerose, Throm-
bose, EmboHe, Ruptur, Aneurysma), dadurch
kommen Ernahrungsstorungen aller Art oder
mechanische Compression und Zerstorung der
Nervensubstanz zustande ;
b)akute oder chronische entzlindliche
Prozesse in den Him-, Riickenmarkshauten (Me-
ningitis acuta, tuberculosa, syphihtica etc.) und
im Knochen (Osteomyelitis, Caries, Gumma)
von Schadel und Wirbelsaule. Diese konnen
zu Compression und Ernahrungsstorungen fiihren,
teils auch direkt auf die Nervensubstanz liber-
greifen per continuitatem ;
c) T u m o r e n b i 1 d u n g aller Art in den genannten
Geweben(Sarcome, Carcinome, Osteome, Solitar-
tuberkel^ Gummigeschwulste, Cysticerken etc.) ;
— 68 —
deren Folge ist meist Compression der benach-
barten Nervensubstanz, auch Narbenbildung
kann ahnlich schadigend wirken.
d) Metastasenbildung, von Eiterherden in
andern Organen aus (Pyamie, Lungenabscesse),
tuberkulosen Herden , malignen Tumoren etc.
e) durch In t oxikati on, infolge der Aufnahme
und Bildung von giftigen Stoffen im Blut bei
bestehenden, anderweitig im Korper lokali-
sierten Krankheitsherden (Diphtheric, Septi-
kamie, Erysipel, Typhus, Syphilis, Nephritis,
Diabetes etc.).
f) bei bestehenden Allgemeinerkrankungen
der Korperconstitution (Anamie , Kachexie,
Chlorose u. s. w.).
Zu den ,,primaren" Erkrankungen des Nerven-
systems werden die unter e und f oben angeRihrten
haufig noch gerechnet. Ausserdem gehoren hieher
eine Reihe von anderen toxischen und infektiosen
Erkrankungen , die im Nervensystem selbst sich ab-
spielen (Blei, Arsen, Secale, Alkoholvergiftung, Polio-
myehtis acuta, Myehtis acuta, Tabes dorsuahs, Neu-
ritis acuta u. s. f.).
Sodann sind hieher alle die durch fehlerhafte
Embryonalanlage bedingten Erkrankungen (Muskel-
atrophie, hereditare Systemerkrankungen u. a.), sowie
die Reihe der ,,funk ti onellen" Nervenerkrankungen
zu rechnen.
Man bezeichnet als fun kti on el le Erkrankungen
solche, bei denen es mit den bisherigen Untersuchungs-
methoden nicht moglich war, anatomische Ver-
anderungen im Nervensystem nachzuweisen. Es fehit
also bei diesen die Kenntnis iiber genaueren Sitz und
Charakter der Erkrankung. Man fasst sie bisher, ob
mit Recht oder Unrecht, nur als Storungen im Ab-
lauf der Funktion auf (durch molekulare, chemische.?
krankhafte Prozesse bedingt). Ihr Gebiet wird mit
derVerfeinerung derUntersuchungsmethoden ein immer
- 69 -
kleineres. Hieher gehoren : Hysterie , Neurasthenic,
eine Reihe von psychischen Erkrankungen (Melancholie,
xManie etc.) u. a.
Im Gegensatz zu den funktionellen bezeichnet
man die oben genannten Nervenkrankheiten mit nach-
weisbaren anatomischen Veranderungen als ,,organ-
ische" und lokalisierbare Erkrankungen.
Eine weitere Einteilung der Nervenkrankheiten
ist die nach den Ursachen. Man teilt dieselben
darnach ein in die endogenen, in der Anlage des
Organismus bedingten, und indie exogenen, spater
erworbenen (toxischen, infektiosen etc.) Erkrankungen.
In Anerkennung der Mangelhaftigkeit unseres
VVissens von den Ursachen und vor allem aus didak-
tischen und auch diagnostischen Uberlegungen ist es
aber ratsam , auch die anderen Einteilungsprinzipien
mitbestimmend sein zu lassen.
Zum Verstandnis der endogenen, durch fehler-
hafte Embryonalanlage bedingten Nervenerkrankungen
sei noch folgendes hervorgehoben. Es gibt eine Reihe
von Erkrankungen , von denen die eine oder andere
bei verschiedenen GHedern einer Familie wiederholt
in derselben oder einer ahnlichen Form auftreten
kann. Auf welche VVeise der Fehler in die Generations-
reihe gelangt ist, lasst sich vorlaufig nicht eruieren.
Gleichwie nun fiir die meisten Organe (Herz,
Niere, Leber) im Senium ein vollkommener Ersatz
des bei der Organfunktion verbrauchten Parenchym-
materials nicht mehr mogUch ist und so eine ,, senile"
Atrophic des betreffenden Organs (insbesondere des
Parenchymas desselben) eintreten muss, so kann man
sich auch vorstellen, dass bei manchen Individuen fi.ir
einzelne Organe oder Organteile diese ,,Abnutzung"
schon friihzeitiger eintreten kann, wenn dieselben
nicht mit der notigen Lebenskraft von Haus aus aus-
gestattet sind. Es wird also in diesen Fallen zu
einem Schwunde dieser Telle kommen, nachdem die
,,Ersatzfahigkeit" fiir das verbrauchte Material derge-
•o
stalt fehlt (Lebercirrhose, Schrumpfniere etc.). Fiir
verschiedene Nervenbahnen gilt nun auch das bisher
gesagte. Infolge einer fehlerhaften Anlage der Balm
geht sie vor dem Tode des Individuums, haufig schon
lange Jahre vorher, langsam und unaufhaltsam zu
grunde (Involutionskrankheiten).
In neuester Zeit ist die Hypothese aufgestellt
worden, dass die Auswahl der jeweils in dieser Weise
einer Degeneration unterworfenen Bahnen, in der Art
durch deren Funktion bestimmt wird, dass die am
meisten beschaftigten Bahnen (Reflexbahnen,
sensible Bahnen. Pyramidenbahnen) am leichtesten
dieser Degeneration verfallen, besonders bei ander-
weitig schon bestehenden Ernahrungsstorungen (Ka-
chexie, Intoxikation).
Ausser bei diesen spielt auch bei der Entstehung
der ex og en en Nervenerkrankungen zweifellos ange-
borne oder irgendwie erworbene, in ihrem Wesen aber
noch unklare ,. Disposition'' eine nicht wegzu-
disputierende Rolle.
Bei manchen Erkrankungen kann man auch eine
oder mehr konkurrierende ,,auslosende" Ursachen
konstatieren. Geistige Uberanstrengungen, Excesse
aller Art und vor allem das Heer der verschieden-
artigsten korperlichen Leiden iiben einen grossen Ein-
fluss als solche aus.
2. Allgemeines iiber die patholog.-anatomischen
Veranderungen bei Nervenkrankheiten.
Die Erkrankung kann entweder wahllos einen be-
stimmten Abschnitt des Nervens}'stems mit den ge-
rade dort gelegenen Nervenzellen und Fasern be-
treften (Diffuse-, Herderkrankung, im Riicken-
mark: O ue rschn i tt serkrankung), oder sie kann
auf einen Complex von anatomisch und funktionell
zusammengehorigen Zellen, oder Fasern, oder
— 71 —
ganzerNeuren, oder schliesslich ga nz er Bahnen
sich ausdehnen (Sy s te m-Er krankungen).
Erkranken gleichzeitig zwei oder mehr ver-
schiedene Neuroncomplexe oder Bahnen, so spricht
man von ,,combinierter Systemerkrankung.
Bei Herder krankungen wird durch einen
Bluterguss die betreffende Stelle der Nervensubstanz
zertriimmert iind es entsteht dadurch auf der Ober-
ilache des Organs ein Defekt, innerhalb der Organ-
SLibstanz eine Hohlung, in der die Reste des Blut-
farbstofYs lange noch nachweisbar sind, der grosste
Teil des Inhalts wird resorbiert.
Bei Ernahrungsstorungen ( Arterienverschluss, Com-
pression, entziindliche Processe) tritt Erweichung oder
Eiterung (bei Anwesenheit von Eitererregern) ein. Die
betreffenden Zellen und Nervenfasern werden nekro-
tisch und zerfallen vollkommen. Durch Leukocyten
werden die Zerfallsprodukte (Fett-, Eiweiss-Kornchen)
weiter transportiert (Kornchenzellen). SchliessHch
resultiert ebenfalls ein Defekt, eine Cyste. Um alle
Defekte herum verdickt sich das Gliagewebe zu einer
derben Hiille, die Cyste auch teilweise ausfullend.
Durch diesen Narbenprocess erfolgt spater auch eine
Schrumpfung des Herdes.
Eine jede Herderkrankung hat aber ausser diesen
lokalen, primaren Folgen noch eine Reihe anderer
Erkrankungsprocesse sekundar zur Folge. Es treten
namlich ausgehend von der betreffenden Herderkrank-
ung die sogenannten ,sekundaren Degenera-
tion en" sowohl in aufsteigender, wie in absteigender
Richtung (fiir verschiedene Bahnen verschieden) zum
Teil durch das ganze Nervensystem hindurch zu ver-
folgend ein.
Diese Degenerationen entwickehi sich nach folgen-
den Grundsatzen :
Jede Neuronzelle iibt, wie wir a. a. O. schon
sahen, einen nutritiven Einfluss auf ihre Teile, die
Fortsatze, aus. Eine Zerstorung- der Zelle oder eine
— 72 —
Aufhebung des Zusammenhangs der Zelle mit der
betreffenden Zellfaser hat den sekundaren Zerfall der
distalen, von der Zelle getrennten Telle zur Folge.
Die Degeneration beginnt sofort nach der Schadigung
des Zusammenhanges in dem am meisten peripher
gelegenen Telle des betreffenden Neuronabscbnitts,
also in der Faserendaufsplitterung und umfasst schliess-
lich den betreffenden Teil in seinem ganzen Verlauf.
Der Degenerationsprocess erfolgt also cellulipetal
fiir den jeweils von der Zelle abgetrennten Faserteil.
1st die Continuitatstrennung eine totale und plotzlich
erfolgende (Trauma) so tritt die Degeneration gleich-
zeitig im ganzen Verlauf der Faser ein. 1st der De-
generationsprocess abgelaufen , was nach einigen
Wochen bis Monaten meist der Fall ist, so resultiert
also fiir das Riickenmark :
eine absteigende Degeneration der
motorischen (centrifugalen) Neuren (Neu-
ronzellen oberhalb des Herdes), eine auf-
steigende Degeneration der sen sib el n
(centripetalen) Neuren (Neuronzellen unter-
halb des Herdes), also eine Degeneration der
Bahn im Sinne der Leitung.
Es gibt auch Bahnen, die nach beiden Richtungen
hin degenerieren zu konnen scheinen (z. B. die Schleifen-
bahn). Man hat dies z. T. als Folge des Funktions-
ausfalles , als eine ,,Funktionsatrophie" aufgefasst.
Vielleicht aberfuhren diese Bahnen Fasern verschiedenen
Ursprungs. Auch die Neuronzelle selbst erleidet bei
Faserunterbrechung sekundare Veranderungen, wenn
sie in ihrer Funktionsausiibung gehindert ist. Ausfiihr-
iicheres iiber diese Degenerationen ergeben Taf. 55,3,
Taf. 61—68.
Die mikroskopisch erkennbaren anatomischen Ver-
anderungen scheinen beim primaren oder sekundaren
Zerfall des Nervengewebs im wesentlichen die gleichen
zu sein. Wir wissen eben, abgesehen von groben
morphologischen Alterationen, ungemein wenig von
— 73 —
den feineren krankhaften Vorgangen in der Nerven-
zelle und Nervenfaser. Die G anglienzelle n er-
leiden eine Triibung ihres Protoplasmas , zerfallen,
schrumpfen, verlierenihreFortsatze und konnenschliess-
lich vollkommen verschwinden.
Die N erven fasern quellen auf, ihre Markscheide
zerfallt in einzelne Tropfen und wird schliesslich re-
sorbiert , der Axencylinder geht schon vorlier zu
Grunde (Degenerationsprocess). An die Stelle der
verschwundenen Nervenzellen und Fasern tritt immer
dicht verfilztes, neugebildetes Gliagewebe mit zahl-
reichen Blutgefassen, deren Wandungen verdickt sind;
auch Rundzelleninfiltration, im Anfang Kornchenzellen,
sind haufig nachweisbar. Schliesslich tritt in dieser
Weise die sogenannte „Sklerose", narbiger Binde-
gewebsersatz der zu Grunde gegangenen Fasern, auf.
x\nstatt der Sklerosierung kann auch nur eine einfache
Atrophic des betreftenden Abschnittes eintreten. Dies
hangt zum Teil von der Art der Erkrankung und von
der Schnelligkeit ab, mit der die Processe sich ab-
spielen, zum Teil auch von anderen Umstanden (siehe
Text zu Tafel 64, 2).
3. Allgemeines und Spezielles liber die Sympto-
matoloeie und Lokalisationslehre der Nerven-
erkrankungen (Topische Diagnostik).
Bei den verschiedenen Erkrankungsprocessen
konnen die nervosen Organe in zweierlei Weise
reagieren. Entvveder sie konnen zu krankhafter
Thatigkeit gereizt werden, oder ihre Funktion kann
gehemmt und schhessHch ganz aufgehoben werden.
Haufig gehen die beiden Erscheinungen so ineinander
liber, dass bei Beginn des Erkrankungsprocesses mehr
die Reizungs- , beim Fortschreiten desselben daran
anschliessend die Lah m un gse r schein u ngen , das
Erloschen der betreftenden Funktion, in den Vorder-
grund tretcn.
— 74 —
Die Erkrankung der motorischen, cortico-
muskularenBahn kann als Reizungssymptome
grosse Krampf-Anfalle, Muskelkrampfe (tonische an-
haltende, klonische aussetzende), biindelformige und
fibrillare Muskelzuckungen, als Lahmungssymptome,
Schwache (Parese) oder Lahmung (Paralyse) ein-
zelner oder mehrerer Muskelgebiete zur Folge haben,
je nach der Ausbreitung des sJErkrankungsgebietes.
Die Erkrankung der sensibeln Bahn kann als
Reizsymptome neuralgieahnliche heftige Schmerzen.
krankhaft gesteigerte Empfindlichkeit (Hyperaest-
hesie, Hy peralgesi e), als Lahmungserschein-
ungen Abschwachung oder vollkommene Aufhebung
der ganzen Sensibilitat oder auch nur einzelner Qua-
litaten verursachen (Anaesthes ie, Analgesie,
Thermanaesthesie).
Die F>krankung der coordinator ischen
Rahnen hat die Beeintrachtigung oder Sistierung der
Coordination der Muskelaktionen zur Folge (Ataxia,
Bewegungsataxie, statische Ataxic).
Entscheidend fur den Eintritt der Symptom e ist
weniger die Art des Erkrankungsprocesses als die
Lokalisation undAusdehnung desselben. Hiebei
ist wichtig, die Unterscheidung der Herderkrankungen
von den systematischen; die Symptome der letzteren
sind viel mehr constant und gesetzmassig, wie die-
jenigen der ersteren, die eben nach der Topographic
des Herdes variieren.
Die grundlegenden Thatsachen fur die Sympto-
matologie der Nervenkrankheiten sind die folgenden :
Eine Lasion des centralen motorischen JVettro?is
hat die Lahmung des von ihm versorgten Muskels zur
Folge, die Muskelthatigkeit ist dem Willensein-
flusse entzogen. Die Lahmung muss infolge der
Kreuzung des centralen Neurons auf der ent-
gegenge set zten Korperhalfte eintreten. Die
Lahmung ist spastisch, d. h. die betreffenden
Muskeln bieten bei passiven Bewegungen einen Wider-
— 75 —
stand, der Tonus der Muskulatur ist erhoht (Hyper-
tonic), die Muskeln liaben die Neigung zur spontanea
Verkiirzung (Contracturenbild ung). Ausser einer
massigen ,,Inactivi tatsatrophie" tritt fur ge-
wohnlich keine eigentliche ,, degenerative" Muskel-
atrophie ein , der Muskel bleibt in seinem Proto-
plasmabestand erhalten. Die Reflexbahn ist nicht
unterbrochen, die Reflexauslosung vielmehr erleichtert
(erhoht e Reflexe). Sitzt die Erkrankung in der
Nahe der Zellen dieses Neurons (Hirnrinde,
Centralwindungen), so konnen als anfangliche Reiz-
erscheinungen unwillkiirliche Zuckungen des oder der
betrefifenden Muskeln eintreten (motorische Reiz-
erscheinungen, tonische und klonische Krampfe,
epileptiforme Krampfanfalle (halbseitig oder beider-
seitig, chorea tische unwillkiirliche langsam er-
folgende ungeordnete Bewegungen, athetotische
unwillkiirliche, iibermassige, ungewohnliche Finger- etc.
Bewegungen.
Eine Lasion des -pert-pherischen 7notorischen JVeti-
rons fiihrt ebenfalls zu einer Lahmung des betroffenen
Muskels. Die Lahmung liegt aber, infolge des un-
gekreuzten Verlaufes des Neurons, auf der gleichen
Sei te der Korperhiilfte. Diese Lahmung ist eine s c h 1 a f f e ,
d. h. es besteht kein Widerstand bei passiven Be-
wegungen, der Tonus der Muskulatur ist herabgesetzt
(Hypotonic, Atonic), es besteht keine Neigung zur
Contracturenbildung. Der Muskel verfallt je nach der
Art der Erkrankung rascher oder langsamer einer
degenerativen Atrophic (das Protoplasma der Muskel-
fibrillen triibt sich, zerfallt kornig und wird resorbiert),
der Muskel wandelt sich schliesslich in eine fibrose
Masse um, das Protoplasma seiner Muskelfasern ist
vollkommen verschwunden. Sielie auch noch Elektro-
diagnostik, dies. Abschn., 4).
Der Reflexbogen ist unterbrochen, die Re-
flexe sind also erloschen. Als Reizerscheinungen
sind oft aufzufassen die ,,fibrillaren" Muskel-
- 76 -
zuckungen, die in den kleinsten Biindelchen der be-
fallenen Muskeln ohne Bewegungseffekt sich abspielen,
der Muskel kann infolge dessen in einer bestandigen
wogenden Unruhe sein, schliesslich erloschen dieselben
natiirlich auch.
Die Lasion der sensibeln Bahn bedingt Sen-
sibilitatsstorungen aul der entgegengesetzten
Korperhalfte bei Erkrankung des centralen, auf
der gleichen Seite bei solcher des peripherischen
Neurons. Ausserdem aber bestehen keine so durch-
greifenden Difterenzen in den Symptomen, wie bei der
motorischen Bahn. Als ein auf die hinteren Wurzeln
(periph. Neuron) zu beziehendes Symptom fasst man
die Reizerscheinungen auf, die aus heftigen, neuralgie-
ahnlichen, reissenden Schmerzanfallen bestehen.*)
Da die motorische Bahn das ganze Nervensystem
in der Art durchzieht, dass vom Hirnstamm an neben
dem weiterziehenden centralen die Reihe der peri-
pherischen successive abgeht, so beniitzt man bei
Herderkrankungen zu einer genauen Lokalisations-
diagnose die oben angefiihrten motorischen Symptome
bei Storung der centralen Bahn gewissermassen als
Abscissenaxe, auf der die anderen Herdsymptome
als Or din a ten die Hohe angeben.
Wir betrachten nun die Symptome der Herd- und
System-Erkrankungen.
I. Die Symptome von Herderkrankungen
A. des Gehirns.
Dieselben zerfallen in die direkten (Herdsymp-
tome im eigentlichen Sinn) und in die in direkten
(Fernwirkung auf benachbarte Gehirnteile), sowie endlich
in die A llgemeinsympto me (durch die Art der
Lasion und ihre Entwicklung bedingt) ; zu letzteren ge-
horen: Fieber, Kachexie, Erbrechen, Kopfschmerz,
"*) Auch ,, central*' sollen Sclimerzempfindungen ausgelost werden
konnen.
- 71 —
Storungen der psychischen Thatigkeit. Bei ausge-
dehnten Lasionen besteht Bewusstseinsstorung (Coma,
Somnolenz). In folgendem sind natiirlich nur die
direkten Herds\'mptome besprochen.
I. Symftoiue bei Lasionen der Hirnrinde.
a) des Stirnlappens.
Erkrankungen desselben verlaufen haufig ohne
nachweisliche Symptome. Bei ausgedehnten Herden
bestehen manchmal psychische Storungen (Apathie,
Demenz).
1st speziell die untere Stirnwindung in ihrem
hintersten Abschnitte in der linken Hemisphare zer-
stort, so besteht Verlust der w illkiir lichen Sprach-
innervation (motorische Aphasie).
Bei grosserer Ausdehnung kann, wenn das Arm-
centrum in den Centralwindungen mitbetroffen ist, zu-
gleichauch Unfahigkeitwillkiirlichzuschreiben
(A g rap hie) bestehen.
Bei Lasionen beider Stirnlappen sind auch Stor-
ungen der Rumpfbewegungen, der Stimmbildung be-
obachtet worden.
b) der Centralwindungen.
Erkrankung des oberen Drittels und des
lob. p arac entralis hat spastische Lahmung der
ganzen u n t e r e n Extremitat der gegeniiberliegen-
d e n Seite zur Folge, Monoplegia cruralis, even-
tuelle Reizsymptome bestehen in klonischen Zuck-
ungen, choreatischen, athetotischen Bewegungen des
Beines.
Lasion des mittleren Drittels bedingt ge-
kreuzte spastische Monoplegia brachialis even-
tuell motor. Reizerscheinungen in diesem Arm.
Lasion des unteren Drittels verursacht ge-
kreuzte Monoplegia facialis, event. Zuckungen
in diesem Facialis-Gebiet (nur die ,, untere" Faclalis-
muskulatur ist beteiligt).
_ 78 -
Lasion des Gebietes unter und vor dem Facialis-
centrum bedingt Monoplegia lingualis, Lahm-
ung des gekreuzten Hypoglossus, die Zunge weicht
nach der gelahmten Seite ab.
1st die Herdausdehnung in den Centralwindungen
eine betrachtlichere, liber ein Centrum hinausreichende,
so beteiligen sich natiirlich audi mehr Muskelgruppen
der gekreuzten Seite, Hemiplegia partialis, H. totalis
(bei vollkommener Extremitaten-, Facialis-, Hypoglossus-
Lahmung). Die eventuellen Reizerscheinungen konnen
bei Rindenlasionen in diesem Bezirk auch in Form
der cortikalen partiellen Epilepsie (Jackson-
Epilepsie) auftreten, indem es von dem primaren
Herd aus zu einer successiven Erregung samtlicher
motorischer Centren (in der Reihenfolge ihrer Lage)
kommt; die Krampfanfalle spielen sich dementsprechend
in derselben Reihenfolge in der gegeniiberliegenden
Korperhalfte ab und konnen (durch die Commissuren-
bahiien!) auch auf die andere Hemisphare iibertragen
werden. Eestehen Rindenherde in den Centralwind-
ungen bei der Hemispharen so besteht doppelseitige
spastische Lahmung, Diplegia facialis, brachi-
alis etc. (S. Pseudobulbaerparalyse).
Die Muskellahmung in diesen Fallen ist eine
spastische (s. o.), die Sehnenreflexe der gelahmten
und auch haufig der anderen Seite sind erhoht, die
Hautrefiexe der gelahmten Seite dagegen haufig herab-
gesetzt.
c) Parietallappen.
Seine Lasion hat manchmal Storungen' in der
Sensibilitat der gegeniiberliegenden Korperhalfte zur
Folge (Muskel- und Hautempfindungen). Doch ist
die Art dieser Storung (Hemianaesthesie) noch nicht
geniigend klar. Km Herd im gyr. angularis kann
Augenmuskelstorungen Ptosis am gegeniiberliegenden
Auge, gleichsinniges Abweichen beider P)ulbi nach
der Seite des Herdes (deviation conjuguee) zur
P'olge haben.
— 79 —
Durch Lasionder links seiti gen unterenScheitel-
lappenwindungen (gyrus supramarginalis?) soil
Unfahigkeit zu lesen (Alexie) (wahrend die Sprach-
fahigkeit nicht gestort ist) verursacht werden.
d) Occipitallappen.
Seine einseitige Zerstorung hat die als ,,Hemi a-
nopsie" bezeichnete Sehstorung zur Folge, d. h.
Blindheit der gleichseit igen beiden Netzhauthalften.
Bei Zerstorung z. B. des linken Lappens: Blindheit
der beiden linken Retinahalften oder was dasselbe
ist: Ausfall der von der rechten Halfte des Gesichts-
feldes eintretenden Lichtempfindungen, also rechts-
seitige Flemianopsie. Bei umfangreicheren Lasionen
besonders in der linken Hemisphaere kommt Ausfall
der optischenErinnerungsbilder und deren Asso-
ciationen zu Stande (Seelenblindheit, Unfahig-
keit einen gesehenen Gegenstand seinem Be griff nach
zu erkennen, event, audi bezeichnen zu konnen
(optische Aphasie).
Bei doppelseitigen Herden kann voUkommene
(Rind en-) Blindheit bestehen.
e) S chlafenlappen.
Zerstorung der oberen Windung in der linken
Hemisphare hat den Ausfall der akustischen Wort-
klangerinnerungsbilder und deren Association en zur
Folge (sensorische Aphasi e=:= Mangel des W or t-
verstandnisses bei erhaltener Sprachfahigkeit).
Bei beiderseitigen Lasionen besteht ,,Rinden-
taubhe it.'*
f) Mediane Hem ispharenf lache.
Der lob. paracentralis ist bei den Centralwind-
ungen, der Cuneus beim Occipitallappen zuzurechnen.
Zerstorung des gyrus uncinat us (gyr. Hipp o-
campi) soil Geruchs storungen (centrale Anos-
mie), Lasion des basalen hinteren Abschnitts
des Stirn lappens, Geschmacksstorungen
So
(centra le Ageusie) (?) zur Folge haben, nur bei
doppelseitjgen Herden deutlich.
g) I n se 11 app en.
Lasion der linksseitigen Inselgegend hat den
Effekt einer Storung im Ablauf der associative n Tha-
tigkeit zwischen den Sprachcentren, es kommt zu einer
fehlerhaften, aber nicht aufgeliobenen Wort- und Satz-
bildung, Versprechen u. s. w. (Paraphasie). Es mangelt
die KontroUe des sensorischen Sprachcentrums.
2) Lasionen des Ce?itrum semiovale.
Dieselben sind haufig symptomlos. Werden in-
des durch die Lokalisation der Lasion Bahnen zer-
stort, die aus den angegebenen Rindenfeldern weiter
fijhren (subcortikale Lasionen), so konnen dieselben
Symptome wie bei Rindenzerstorung (meist aber ohne
Reizerscheinungen) auftreten: Monoplegieen, Aphasieen
Hemianopsie (Sehstrahlung), Hemianaesthesie. Da die
motorischen centralen Bahnen im Marklager, je tiefer
sie absteigen, um so mehr convergieren, werden haufig
auch durch einen kleineren Herd hier mehrere zu
gleicher Zeit beschadigt : wahrend bei Rindenlasionen
aus dem umgekehrten Grunde die Monoplegieen
iiberwiegen, kommen hier haufiger ganze oder teilweise
Hemiplegieen zu stande.
Balkenlasionen sind meist symptomlos.
j) Ldsioue?i der Capsula mterna.
a) Zerstorung des vorderen Schenkels be-
steht meist ohne nachweisliche Symptome.
b) des hinteren Schenkels, wenn nur das
K n i e betroften ist : Facialis- (unterer Ast)
Hypoglossuslahmung (wenn linksseitig Sprach-
storungen), der gekreuzten Seite. (Wenn doppel-
seitig: Diplegie); wenn der mittl. Teil be-
troffen ist, gekreuzte Hemiplegia brachio-cru-
ralis: wenn der hintere Teil Sitz der Lasion
Si
ist : Hemianaesthesie (partielle) der gegeiiiiber-
liegenden Korperhalfte, Hemianopsie, manch-
mal (noch unsicher!) Gehorsabschwachung.
Meist ist die Ausdehnuiig des Herdes so gross,
dass der grossere Teil des Kapselabschnittes
zerstort ist, dann bestehen die genannten Er-
scheinuiigen vereint (total e Hemiplegia
facio-hypoglosso-brachio-cruralis der
gegeniiberliegenden Korperhalfte mit Hemi-
anaesthesie etc.
Augenmuskeln , Kaumuskeln, oberer Fa-
cialis, Hals-, Rumpfmuskeln sind als bilateral
wirkend und innerviert nur bei doppelsei-
tigen Herden voii Lahmungen betroffen.
4) Lasionen des Stammganglion (nucl. caudat.,
nucl. lentif.) scheinen symptomlos bestehen zu konnen,
die dabei vorhandenen Erscheinungen sind auf die Mit-
beteiligung der benachbarten inneren Kapsel zu be-
ziehen (indirekte Symptome !).
5) Als Folgen einer Th alamuslasion (besond.
wenn doppelseitig) treten Storungen der psychisch-
affektiven Thatigkeit auf (der ,,Psychoreflexe*' des
Lachens, Weinens etc.).
Auch Coordinationsstorungen, choreatische Reiz-
erscheinungen, auffallend rasch sich entwickelnde Mus-
kelatrophieen aut der gekreuzten Seite sind darauf be-
zogen worden.
Bei Zerstorung des hinteren Thalamusabschnitts
(Pulvinar) tritt partielle Hemianopsie ein.
6) Herde in der regio subthalamica bedingen
gekreuzte Hemianaesthesie (Schleifenlasion).
7) Ldsioneii der Vierhilgelgegeiid.
Als Reizsymptom scheint eine eigentumliche Gang-
storung (taumelnder, unsicherer Gang, cerebellare
A ta xie (durch Bindearmbeteiligung oder Fernwirkung
auf das benachbarte Kleinhirn zu erklaren?) aufzu-
treten; dieser Gang spricht aber erst inVerbindung
— 82 —
mit anderen Symptomen fur eine Vierhugelerkrankung.
Hieher gehort: A ugenmuskellahmung (Ophthalmo-
plegie). Dieselbe kann eine nucleare (Lasion der
Kernlager) oder eine fasciculaere Nervenfaserlahm-
ung (durchziehende oculomotor. Fasern) sein, kann
je nach dem Sitz eine einseitige oder doppelseitige
(bes. bei Kernlahmung , benachbarte Lage l) sein.
Lasion der zuvorderst (noch in der Seitenwand des
III. V^entrikels) gelegenen Kerne scheint Lahmung der
interioren Augenmuskeln (M. ciliaris , sphincter pu-
pillae) und (unter dem vord. Vierhiigel) des rect. int.,
sup. und lev. palp. sup. zu bedingen, die iibrigen
Augenmuskelkerne liegen mehr riickwarts.
1st die Haube unter den Vierhiigeln mit be-
troffen, so besteht gekreuzte (unvoUstandige) Hemian-
aesthcsie (Schleife).
1st der Hirnschenkelfuss ladiert, so besteht
gekreuzte Hemiplegia b r a c h i o - c r u r a 1 i s , auch
facio -lingual is.
1st eine Lasion nur einseitig. so besteht also ge-
kreuzte Hemiplegia totalis mit gleichseitiger
Oculomotoriuslahmung (peripherisches, gleichseitiges
Neuron); diese Form von Hemiplegien, bei denen
neben der Lasion der gekreuzt verlaufenden centralen
Neuren zugleich un gekreuzte peripherische Neuren
durch den Herd ladiert sind , bezeichnet man als
Hemiplegia alternans. Bei doppelseitigem Herde
andern sich diese Erscheinungen , entsprechend der
Ausdehnung.
Die hiebei gelahmten Augenmuskeln verfallen
natiirlich einer degenerativen Atrophie, wahrend die
iibrigen Extrcmitatenlahmung eine spastische, ohne
schvverere Muskelschadigung einhergehende ist.
1st der tractus opt. , oder das corp. geniculat.
laterale mit befallen, so besteht Hemianopsie.
Bei Zerstorung des hinteren Vierhiigels und corp.
geniculat. mediale bestanden manchmal Gehorstor-
uneren.
- 83 -
c^) Briickenlasionen.
Einseitige Herde konnen bedingen Hemianas-
thesie (Schleife), Hemiplegia brachio-cr oralis
(Pyramidenbahn) der andern Korperhalfte.
Ferner Lahmung der g 1 e i c h s e i t i g e n K a u -
muskeln (mot. Trigeminus, periph. Neuron) oder
welter hinten der gleichseitigen Facialis-
muskulatur (periph. Neuron). (Hemiplegia alter-
nans.)
Sodann Anasthesie im gleichseitigen Trigeminus-
Gebiet, Geschmacksstorungen, artikulatorische Sprach-
storungen (mangelhafte Buchstabenbildung) durch Be-
teiligung von FacialishypoglossusFasern.
Als Reizerscheinungen konnen vorkommen
Schwindel, Ataxie, Trismus.
Bei doppelseitigen Herden die entsprechenden
Symptome.
(^) JLdsioueu der Aledidla oblongata.
Wenn einseitig, so kann bestehen Hemiplegia
brae hio-cru rails, Hemianasthesie der andern
Korperseite. Werden die fibrae arcuatae intern, des
hinteren r\Iedulla- Abschnitts betroffen . so kann auch
glelchseitige Hemianasthesie bestehen (berelts
gekreuzte Schleifenfasern).
xAusserdem kann glelchseitige Hypoglossus-
lahmung (periph. Neuron, Hemiplegia alternans) be-
stehen, die Zunge weicht nach der Seite des Herdes
ab, die betreftende Halfte ihrer Muskulatur degeneriert.
xAls Folge besteht artikulatorische Sprach-
behinderung, bulbare Sprache (ohne dass centrale
Sprachstorungen vorhanden sind). (Dysarthria labio-
lingualis.)
Ferner konnen S c h 1 i n g 1 a h m u n g , A t m u n g s-
storungen. Aphonic (Stimmbandlahmung) und
cirku la torische Storungen bestehen, besonders bei
doppelseitigen Herden. Zerstorung der u n t e r e n
Oliven soil Gleichgewichtstorungen zur Folge haben.
- 84 -
lo) Lasioncn des Kleiuhirns.
Ihre Symptome siiid oft vieldeutig und unklar.
Bei Erkrankung des W u r m e s treten G 1 e i c h -
gewi ch tss torungen Schvvindelanfalle , cerebel-
lare Gangstorung (Taumelgang) Erbrechen auf.
Lasion der process, cereb. ad pontem hat
ebenfalls Gleichgewichtsstorungen , Schwindel und
Zwan gsbe wegungen (Drehung urn die Langsaxe)
zur Folge.
Hemispharenlasionen konnen symptomlos bleiben.
//) Herderkrankungen der Hirnbasis.
Diese sind insbesondere charakterisiert durch die
gleichzeitige Lahmung mehrerer basal er Gehirn-
nerven derselben oder beider Seiten (oculomotorius^
abducens, facialis, trigeminus, hypoglossus- etc. Lahm-
ung).
Zugleich kann der Hirnschenkelfuss, der tractus
opticus, das Chiasma beteiligt sein.
Die Symptome miissen darnach sehr verschieden
sein und sind leicht zu reconstruieren. Naheres siehe
unter ,,peripherische Nerven" dieses Abschnittes. Am
haufigsten kommen zusammen betroffen vor N. II und
IK. X. VI und VII, N. X, XII, XI (vord., mittl.,
hint. Schadelgrube).
Kurz zusammengefasst ist also die typische Ge-
hirnlahmung die spastische Hemiplegie und die
Hernia naesthesie der gekreuzten Seite.
R i n d e n h e r d e machen uberwiegend M o n o -
plegieen, Capselherde reine H em ipl egieen ,
Vierliiigel-Hirnschenkelherde: Hemiplegie
m i t g e k r e u z t e r O c u 1 o m o t o r i u s 1 a h m u n g (H.
a 1 tern a n s super.)
Briickenherde: Hemiplegie mit gekreuzter
Trige minus- facial i si a hm u n g (Hemiplegia a 1-
tern an s med.j
Medulla o b 1 o n g a t a - 1 1 e r d c : Hemiplegie
— 85 -
m i t g- e k r e u z t e r Hy p o g 1 o s s u s- etc. L a h m u n g
(He mi pi. alter nans inf.)
Alles dies vorausgesetzt einen einseitigen
Herd.
Da die Projectionsfasern im Hirnstamm sich mehr
iind mehr naher treten, so nimmt nach unten audi die
Mogliclikeit, dass ein Herd doppelseitige Liisionen
macht, zu. Noch mehr ist dies der Fall bei den
Herderkranku ngen des Rii cken mar kes.
B) Herdsymptome des Riickenmarks.
Entgegen der typischen Hirnlahmung, der H e m i-
plegie, ist die typische Riickenmarkslahmung die
Paraplegie (Lahmung der Extremitaten nicht nur
einer, sondern gleichzeitig beider Seiten).
Dies kommt eben dadurch zustande, dass die
motorischen Bahnen fiir beide Korperhalften im Riicken-
mark sehr nahe nebeu einander verlaufen, und von
einem Herde leicht beide Seiten betroften werden
konnen,
Doch kommen auch halbseitige Ri.ickenmarks\Tr-
letzungen (durch Stich, auch Tumorbildung) vor ; diese
haben denn auch einen anderen , recht typischen
Symptomenkomplex (Brown-Sequard'sche Lahmung),
verschieden von dera der gewohnlichen iibrigen Riicken-
markskrankheiten.
Es resultiert als Folge einseitiger Riickenmarks-
lasion eine Lahmung der gleichseitigen Ex-
tremitaten (je nach dem Sitz verschieden), wahrend
die S en sibil i tat ss to rung e n hauptsachlich auf
der gegeniib erli egen den Korperhalfte nach-
zuweisen sind (die motor, centralen Bahnen sind ja im
Riickenmark grosstenteils schon gekreuzt [Pyramiden-
kreuzung]), die sensibeln centralen Bahnen aber grossen-
teils noch nicht (Vorderseitenstrang — vordere Com-
missur s. o.), Ausserdem findet sich eine schmale
anasthetische Zone aber auch auf der gelahmten
Seite in der Hohe der Lasion (Lasion der eintretenden
— 86 —
ungekreuzten peripherischen sensiblen Neuren dieser
Seite), dariiber audi manchmal eine schmale hyper-
asthetische giirtelformige Zone (Reizungssymptum).
Hauiig sind diese Symptome der ,,Halbseitenlasion"
des Riickenmarks nicht so deutlich ausgepragt, wie
oben angegeben.
Verfolgen wir jetzt die gewohnlichen wichtigeren
Herdsymptome.
a) Lasion des Halsmarks.
Dieselbe bedingt, wenn sie den ganzen Ouer-
schnitt ergreift, eine vollkommene Lahmung der beiden
Arme und Beine, Paraplegia universalis nebst voU-
kommener Anasthesie von Rumpf und Extremitaten.
Die Lahmung der Beine ist eine spastische (cent-
rales Neuron), dagegen kann die Armlahmung, wenn
der Sitz der Lasion in der Hohe des 5. Hals- bis
I. Brustmarksegments ist, eine schlaffe sein (peripher.
Neuron, Vorderhorn)- Diejenigen Muskeln der oberen
Extremitaten, deren Kernlager ini Vorderhorn zerstort
sind, verfallen einer degener a t i v en Atrophie. Die
Reflexe der oberen Extremitaten sind aufgehoben
(unterbrochener Reflexbogen), die der unteren dagegen
gesteigert (Ausfall der centralen hemmenden Fasern).
Die Sensibilitat ist bis zu der Hohe der in die
obersten noch erkrankten Segmente eintretenden
Hinterwurzelfasern auf beiden Seiten gestort.
Ausserdem besteht B 1 a s e n - M a s t d a r m 1 a h m-
ung (Incontinentia urinae et alvi) infolge Unterbrech-
ung der betreff. centralen Bahnen.
Je nach der Ausdehnung der Lasion bestehen
Unterschiede in der Intensitat der Symptome.
Die schlaffe Lahmung der oberen Extremitaten
umfasst verschiedene oder alle Muskelgruppen, je nach
dem Sitze des Herdes. Naheres dari.iber ergibt die
Betrachtung der Textfigur (5) Abschnitt III. S. 42.
Die wichtigsten befallenen Segmente des Plalsmarks
sind folgende :
- 87 -
a) 4. Segment: Z wergf el 1 s 1 a h ni ung.
jj) 5. unci 6. Segment: Lahmung von Oberarm-
typus (Delta-Biceps- Brach. int.-Supinat. long,
ev. auch Schultermuskel-Lahmung.
Y) 7. und 8. Segment : Lahmung von Un te r a rm-
typus (Unterarmmuskulatur, Triceps).
5) 8. Hals- und i. Brustmarksegment. Lahmung
der kleinen Handmuskeln, ev. oculo-pu-
pillare Symptome (siehe u. C, i).
In all diesen Muskeln kommt es also zu degene-
rativer Atrophic.
b) La si on en des Br ust marks.
Die oberen Extremitaten sind dabei unbeteiligt,
falls das i. Brustsegment (kleine Llandmuskeln) nicht
betroffen ist.
Dagegen besteht eine spastische Lahmung
der unteren Extremitaten, Paraplegia inferior
mit erhohten Reflexen (Patellarklonus, Fussphae-
nomen); von dem Bezirk des Rumpfes an, dessen sen-
sible Fasern in den hinteren Wurzeln noch in die
Herdstelle des Rlickenmarkes eintreten nach abvvarts
besteht vollkommene Anaesthesie (Analgesic,
Thermo-taktile Anaesthesie, aufgehobene Muskelem-
pfindungen etc.).
Ferner besteht Blasen- Mas tda r m lah mu ng.
Diejenigen Rumpfmuskeln, deren Riickenmarkssegmente
vom Herd betroffen werden, verfallen einer degenera-
tiven Atrophic, doch ist dicse gewohnlich schvver
nachzuweisen. (M. intercostales, lumbales, dorsales, ab-
dominalcs etc., s. Elektrodia^nost. S. I02\ Bei lano;em
Bestehen einer so bedingten Paraplegic konnen die
Sehnenreflexe auch undeutlich werden^ Folge der Con-
trakturenbildung }
c) La si on des Lend en marks.
Diese betrifft nach Motilitat und Sensibilitiit nur
die unteren Extremitaten.
Es besteht eine schlaffe (periph. Neuron)
Paraplegia in ferior mit voUkommener Anaesthesie.
— 8S —
Die Muskeln der Beine unterliegen einer de-
gen erativen Atrophic, die Reflexe sind er-
1 osche n.
Totale Blase n -Ma stdarmlahmung f Sphincter-
reflex erhalten s. S. ii6).
1st der Sitz das obere Lendenmark , so de-
generieren die Muskeln des Crural isgebietes (Quadriceps,
Psoas), wenn das untere, so die des Ischiadicus-
gebietes (Glutaei, Peronei, Wadenmuskeln). (Genaueres
iiber die Verteilung dieser Muskellahmungen s. Text-
figur 5, S. 42).
d) Lasion des Kreuzbeinmarkes.
Hier bleibt der Oberschenkel verschont, wahrend
ein Teil der kleinen Fussmuskeln gelahmt wird und
atrophiert. Anaesthesie besteht am Fuss (Aussen-
seite, Zehen) und in der Analgegend. Blasen-Mast-
darmlahmung complet, ihre Reflexe (Sphincterreflex)
erloschen. Der Patellarreflex ist erhalten (Herd u nt e r
dem Reflexbogen).
e) Lasion der Cauda equina.
Die Symptome sind ira grossen und ganzen die
einer Lasion des Lenden-Kreuzbeinmarkes, da die
Cauda samtlichc daraus entspringende und tiefer-
ziehende Nervenbahnen umfasst. Sind die zuoberst
austretenden Curalisfasern verschont , so besteht im
wesentlichen einelschiadicussacrallahmung, also schlafife
Lahmung der Unterschenkel- und Peronealmuskulatur
(auch der Beuger am Oberschenkel und event, glutaeen),
der kleinen Fussmuskeln. Sensibilitatsstorungen im
Ischiadicussacral-Gebiet.
Totale Blasen-Mastdarmlahmung, falls deren Cauda-
wurzeln mit betrofTen. Patellar-Reflex (cruralis) er-
halten, Achillessehnen- und Sphincterreflex erloschen.
Sind bei diesen Riickenmarkserkrankungen die
hinteren Wurzeln der betreffenden Hohenabschnite
mit befallen, so bestehen heftige, neuralgiforme
- 89 -
Schmerzen in deren Ausbreitungsgebiete; dieselben
entsprechen manchmal nur den obersten vom Herde
noch befallenen Wurzeln. Haufig treten hiedurch
reflectorisch ausgeloste Muskelzuckungen in den ge-
lahmten Gliedmassen auf.
C) Symptome bei Lasion der peripherischen Nerven.
Die Lasionen peripherischer Nerven haben mo-
torische und sensible Ausfallserscheinungen zui
Folge, die genau dem bekannten Verbreitungsgebiete
derselben entsprechen, die Kenntnis desselben ist daher
flir die exakte Diagnose unerlasslich (s. Tafel 23).
Die dadurch bewirkte Lahmung ist eine s c h 1 a f f e ,
der Muskel verfallt (bei schwerer Schadigung) einer
degenerativen Atrophie (periph. Neuron). Die Sensi-
bilitatsstorungen halten sich genau an den Ausbreitungs-
bezirk des Hautnerven, haufig bestehen schmerzhafte
Empfindungen, auch sensible abnorme Empfindungen,
Paraesthesieen (Kriebeln, Stechen, pelzige Empfindung,
Brennen etc.) Die Reflexe, deren Bahnen in den ge-
schadigten Nerven verlaufen, sind erloschen oder
herabgesetzt.
/ Plexusldhmungen.
Die Symptome von Plexuslahmungen sind ein
Gemisch von den Lahmungserscheinungen ihrer sie
zusammensetzenden Nerven. Infolge dessen variiren
sie sehr, einige typische, ofter betroffene Stellen sind
die fojgenden:
a) Die Erb'sche Lahmungsform des Plexus
brachialis. Sie betrifft die 5. und 6. Cervikal-
wurzel , deren Zerstorung eine Lahmung und
Atrophie von Deltamuskel , Biceps, Brachial,
int., Supin. long., Supra- und Infraspinatus be-
wirkt. Es kommt dadurch eine Lahmung der
Erhebung und Abduktion des Ober- und der
Beugung des Vorarmes zu Stande.
b) Die untere Plexus lahmung des PI. brach.
— 90 —
Sie umfasst die 8. Hals- und i. Brustmark-
wLirzel, und bedingt eine Lahmung und Atrophie
der kleinen Handmuskeln und Anaesthesie im
Ulnarisgebiet. Ausserdem konnen bestehen
( I. Dorsal Segment) oculo-pupillare Symptome:
Myosis , Lidspaltenverengerung , Zuriicksinken
des bulbus in der Augenhohle (Relaps). Die
unteren Extremitaten sind hiebei nicht beteiiigt,
im Gegensatz zu den Symptomen, wenn die
betreffenden Riickenmarkssegmente selbst be-
fallen sind (s. o ).
jr.phrentc V — 'if
flex . hrach, L. -y^'-^Ki
[PuMJit.Ei-b]
Fig. 10.
//. LasLoiieii der Gehiriuierveii.
Die Ausdehnung der sensibeln Ausfallserschein-
ungen ergibt sich fur die verschiedenen Nervenstamme
durch die Textfiguren lO — 12. Im einzelnen rufen
ihre Lasionen folgende Symptome hervor:
1. N. olfactorius: Anosmie der betreffenden
Nasenhalfte, auch Parosmieen (unangenehme Ge-
riiche).
2. N. opti cus : Amaurose des betreffenden Auges,
— 91 —
des ganzen Gesichtsfeldes (TractusalTection dagegen
Hemianopsie, balbseitiger Gesichtsfeld-Ausfall), event,
iiur HerabsctzLing der Sehscharfe, Gesichtsfeldeinengung^
Sehnervenatrophie (weisse Papille), M}'driasis, reflector.
Pupillenstarre (consensuelle erhalten s. h.).
Bei Chiasmalasionen besteht Hemianopsia
bitemporalis (Zerstorung der sich bier kreuzenden
inneren Retinabiindel).
3. N. ocu lorn o tori 113: Ptosis (Lahmung des
levator palpebr. sup.), Unbeweglichkeit des Bulbus
nach innen und oben (rect. int., sup., inf., obi. inf.), ge-
kreuzte Doppelbilder. fixation des Bulbus unter Ab-
lenkung nach aussen (durch Contraktur des erhaltenen
rectus extern.) Pupillenstarre und Erweiterung (My-
driasis) durch Sphincter-, Akkommodationsbehinderung
fiir die Nahe durch Ciliarmuskellahniung.
4. N. trochlearis; Doppelbilder beim Blick
nach unten (M. obliq. sup.).
5. N. trigeminus:
a) ram. supraorbitalis, Anasthesie in der Haut
von Stirn, Conjunctiva, Nasenrucken (s. Fig. 10 Vi)
b) ram. i nfr aorbi talis, Anasthesie der \Vangen%
Nasenfliigelhaut. vom Gaumen, Geschmacks-
storung ; (Pig. 10, Va),
c) r am. i n f r a m a x i 1 1 a r i s , Anasthesie der Ge-
sichtshaut liber Unterkiefer, der Zunge, Mund-
schleimhaut (Fig. 10, Vs). Geschmacksstorung
(vorderer Zungenabschnitt), Lahmung der Kau-
muskulatur, Storung der Speichelabsonderung,
Trismus (Kaumuskelkrampf als Reizsvmptom).
A Is Reizungssymptom der sensibeln Aste be-
steht die Trigem i n u s - Neuralgi e, je nach dem
Sitz in verschiedener Ausdehnung (auch Parasthesieen).
6. N. abducens: Lahmung der Bulbusbewegung
nach aussen (rect. ext), Abweichung des Bulbus nach
innen , gleichseitige Doppelbilder beim Blick nach
aussen.
7. iSl. facialis: Lahmung der mimischen Gesichts-
— 92 —
muskeln (unterer und oberer facialis), des Mundes,
der Nase, orbicularis oculi, der Stirn. Die Gesichts-
falten verstrichen, der Lidverschluss unmoglich (Lag-
ophthalmus), Spitzen des Mundes (Pfeifen), Verziehea
des Mundwinkels (Lachen) unmoglich.
Ohne Symptome ist die Lahmung von Biventer
(hint. Bauch), stylohyoid, etc.
Sitzt die Lasion innerhalb seines V^erlaufes im
Felsenbein (canal. Fallopiae). so kann infolge Mitbe-
teiligung der ihm hier beigegebenen Chorda tympani
vom 2. (3..') trigem. Ast Geschmacksstorung (vord.
Zungenabschnitt) bestehen.
Als Reizungssymptome bestehen Kranipfe dieser
Muskeln, Facialiskra mpf (tic convulsil), Ble-
pharo spasmus (Lidkrampf), doch konnen diese
auch reflektorisch oder central bedingt sein.
8. N. a c u s t i c u s :
a) n. cochlearis, Taubheit, Parasthesieen.
b) n. vestibularis, Gleichge\vichtsst6rung,Sch\vindel-
anfalle mit heftigem Ohrensausen , pfeifendem
Gerausch, Erbrechen (Meniere'sche Krankheit).
9. N. glossopha ryngeus: partielle Geschmacks-
storung (hinterer Zungenabschnitt) , Anasthesie des
Rachens, Schlundes.
10. N. vagus:
a) sensibler Ast (eigentl. \"agus), Anasthesie von
Rachen , Kehlkopf , Oesophagus , Trachea,
Bronchien.
b) Motor. Ast (z. T. vom Accessorius), Schling-
lahmung (Oesophaguslahmung), Storungen der
Magen-, Herz- und Atmungsfunktionen. Re-
currenslahmung (Stimmbandlahmung) , wenn
doppelseitig Aphonie.
11. N. accessorius:
a) Sein Vagusast (laryng. inf.) Recurrens s. o.,
Gaumen-, Schlundlahmung.
b) ausserer Ast, Lahmung von Sternocleido-
93
mastoid., und (partiell) von Cucullaris). (Drehen
des Kopfes und Heben der Schulter erschwert).
Als Reizsymptom : Accessor. Krampf, tor-
ticollis spastica.
12. N. hypoglossus: halbseitige Zungenlahmung
(Abweichen beim Vorstrecken nach der gelahmten
Seite) , artikulatorische Sprachstorung (Behinderung
der Buchstabenbildung).
'^\\--j:ra^
Extensor.
^1 -ExtenspoU^
Fig 11.
///. Ldsione?! der wichtigeren Rilckemnarksnerven.
Einzelheiten , die im folgenden nicht angefuhrt
werden konnen, ergeben sich aus Taf. 23 und Text.
Die nicht erwahnte Ausbreitung der Sensibilitats-
storungen ist aus Fig. 11 und 12 zu entnehrnen.
I. N. occipitalis major: Occipitalneuralgie,
Anasthesie (s. F. lO oma).
— 94 —
2, N. phrenicus: Zvvergfellslahmung, Reizsymp-
toni: Zwergfellskrampf (Singultus).
3. N. axillaris: Deltoideuslahmung (Storung von
Erhebung uiid Abduktion des Oberarms), Anasthesie
s. F. II.
'••McrurcU
la,mJ>o- ■
i-CUuuiru f
: V
^VY
rasf int
W'.
\^v
sural .
7- • -calc
.rtibiAl
pla/it.L ■ ■'■^a^^^i^li^plarU rn
peron. . prpfiuzd
Fig. 12.
4. N. thoracic, post.: Serratuslahmung (Schul-
terblatt vom Thorax abstehend, Erhebung von Ober-
arm iiber die Horizontale unmoglich).
5. N. thorac. ant.: Pectoral, major. Lahmung
(Abduktion vom Oberarm).
6. N. musculo cutaneus: Lahmung von Biceps
— 95 —
und Brachial, int. (Beuger des Vorderarms), Anasthesie
s. F. II N. cut. lateral.
7. N. ra dial is: Lahmuiig von Triceps (Streck-
ung des Vorderarms), brachioradialis (Feblen seines
vorspringenden Wulstes bei der \^orderarmbeugung),
Lahmung der Strecker der Hand und der Grundpha-
langen der Finger, der Strecker und x^bdukturen des
Daumens. Anasthesie s. F. 11 N. cut. post. sup.
und inf.. ram. dorsalis. Hand und Finger hangen ge-
lahmt herunter, auch der Handedruck (Lahmung der
Antagonisten) ist bedeutend abgeschwacht.
8. N. medianus: Lahmung der Pronatoren (bei
Beugestellung des V^orderarmes) und radial gelegenen
Flexoren der Hand und der Endphalangen der Finger
und des Daumens (bis auf flexor carpi uln. und ulnare
Partie von flexor dig. profund.), Lahmung der Oppo-
sition des Daumens und der Streckung der End-
phalangen des 2., 3., selten 4. Fingers (lumbricales).
Anaesthesie s. F. 11, m. und ramus volaris med.
9. N. ulnar is: Lahmung des flexor carp. uln.
und des ulnaren Teils des flexor dig. prof. (End-
phalangen des 4. und 5. Fingers), Beugung der Grund-
phalangen (interossei) aufgehoben , ebenso Streckung
der Endphalangen des 4. und 5. Fingers (lumbricales)
und Adduktion des Daumens und Beugung seiner
Grundphalanx unmoglich.
Durch anhaltendes Ueberwiegen der Antagonisten
entsteht die sogenannte ,,Klauenhand". (Anasthesie
s. F. II uln. superfic. und dorsalis.
Bei Ulnaris-, Medianus- und Radialislahmung be-
stehen schwere Storungen beim Schreiben, Ergreifen
und Halten von Gegenstanden u. s. w. , bei voll-
kommenener Lahmung auch nur eines Nerven ist die
Hand in ihrer Thatigkeit schon sehr beschrankt.
10. N. inter cos tali s: sensibl. Reizs}'mpLom :
Neuralgia intercostalis, Herpes zostes intercostalis.
Anasthesie.
- 96 -
11. N. cruralis: Lahmung des Psoas (Heber
des Ober-), Quadriceps (Strecker des Unterschenkels),
Gehen, Aufstehen vom Sitzeii unmoglich, Pastellar-
reflex erloschen, Anasthesie s Fig. 12 cruralis (cut.
fern. med. und int.) u. N. saphenus.
12. N. ob turatorius: Lahmung der Schenkel-
adduktion. (Anasthesie s. F. 12),
13. N. ischiadicus: complete Lahmung von
Fuss und Zehen , sowie der Unterschenkelbeugung,
Anasthesie s. F. 1 2 N. peron. N. cut. surae, N. plant.
Reizsymptom seiner sensib. Fasern: Neuralg. ischiadica
(Ischias). Seine Aeste:
14. N. Peroneus: Lahmung der Peronei, tib.
ant., extens. dig. et hallucis (Dorsalflexion unmoglich,
der Fuss hangt herab, der aussere Fussrand tiefer,
wie der innere.
Durch Contractur im Antagonisten (Wadenmus-
keln). Pes equinus, ev. pes varus (wenn nur extens.
dig. betroften). Anasthesie s. F. 12, Peron,
15. N. tibialis: Lahmung der Wadenmusku-
latur (Plantarflexion unmoglich) und der Zehenbeugung.
Ausbildung von Pes calcaneus durch Agonisten-
contraktur (Peronei, extens.) Anasthesie s. Fig. 12
Plantar,
D. Symptome der Sympathicus-Erkrankung.
Als Lahmungssymptome des Ha 1st ei Is sind
bekannt: Myosis, Lidspaltenverengerung, Bulbus relaps
(oculo-pupill. Symptome-Fasern aus i. Dorsalsegment,
s. o.). Schweissanomalien der betreff. Kopfhalfte. Als
Reizungserscheinungen werden Pupillenerweiterung,
Cirkulationsstorungen genannt.
Durch Affektion der ram. cardiaci, splanchnici
etc. kommen Storungen in der Herz-Darm-Dri.isen-
thatigkeit zu Stande, die uns des naheren noch wenig
bekannt sind. Es scheinen besonders Storungen mo-
torischer , vielleicht audi secretorischer Art zu sein.
— 97 —
ir. Die Symptome der Systemerkraukungen.
Wir verstehen , wie schon oben gesagt, unter
Systemerkrankungen solche Prozesse , die symme-
trisch auftretend, ganze funktionell und anatomisch
zusammengehorige Bahnen oder Neuren oder (anfang-
lich) Ncuronteile successive befallen ; schliesslich bleibt
aber die Erkrankung nur selten auf einen Neuronteil
(Zelle oder Faser) beschriinkt, sondern es geht meist
das ganzc Neuron zu grunde. Die Lokalisation des
primareii Sitzes der Erkrankung ist haufig von grosser
Bedeutung fur den klinischen Verlauf. Uebcr die
Richtung, in welcher diese Prozesse fortschreiten,
und iiber ihren Ausgangspunkt, sind wir verschiedent-
lich noch im unklaren.
I. Die systematise hen Erkrankungen
der cortikom u s kular en , motorischen Bahn.
a) Des centraien Neurons: reine s p a s t-
ischc Spinalparalyse. Ealie derart sind
selten. Anatomisch findet sich eine langsam
progressive symmetrische Degeneration der Pyra-
midenbahn in ihrem ganzen Verlaufe (Aus-
gangspunkt die Pyramidenzellen der Rinde?).
Klinisch bestcht langsam zunehmende spastische
Extremitatcnlahmung, mit lebhaften Reflexen,
ohne Muskelatrophie und ohne Sensibilitats-
und Blasenstorungen.
b) Des peripherischen Neurons. Dadurch
entsteht eine schlaffe Muskellahmung mit de-
generativer Muskelatrophie. Die Reflexe er-
loschen.
Der primare Sitz kann in der Neuronzelle
oder in der Neuronfaser sein.
a) Primare Zellerkrankungen. Dieselben
zerfallen je nach dem Sitze in Krankheits-
prozesse mit sehr verschiedcnen Symptomen.
Ophthalmoplegia chron. und
acuta (Sitz in den Augenmuskelkernen).
- 98 -
Bulbarparalyse (chron. und
akute) (Sitz in den bulbaren Kernen des
Facialis, Hypoglossus, Trigeminus).
Spinale Muskelatrophie (Sitz im
grauen Vorderhorn besond. des Halsmarks).
Poliomyelitis anter. acuta und
chronica. Entziindliche Prozesse im
grauen Vorderhorn, denen in erster Linie
die Ganglienzellen zum Opfer fallen.
p) Prim are (?) Fas e r e r k r a nk u n g e n,
neurotische Muskelatrophie, Pero-
nealtypus der Muskelatrophie (N. pero-
neus, ulnaris, medianus); Ganglienzellbe-
teiligung ist nicht sicher auszuschliessen.
Motorische Form der multipeln
Neuritis; (kann alle verschiedenen mo-
torischen Nerven befallen).
Y) Dystrophia muscularis progres-
siva, die Erkrankung beschrankt sich nur
auf das Endstiick des Neurons, auf den
Muskel.
c) Der g a n z e n B a h n, hiebei besteht also eine
Degeneration der Pyramidenbahn und eine
solche des peripherischen Neurons (Ganglien-
zelle und Faser, peripher. Nerv) = am yotro-
phische Lateralklerose (event. Bulbar-
paralyse), die klinischen Symptome sind die
einer spastischen Extremitatenlahmung mit
degenerativen Muskelatrophieen.
Wahrscheinlich existieren zvvischen alien diesen
abtrennbaren Formen tjbergange verschiedener
Art.
2 . Die s y s t e m a t i s c h e n E r k r a n k u n g e n
der c e n t r i p e t a 1 e n, s e n s i b e 1 n B a h n.
Hieher gehorige isolierte Erkrankungen der cen-
tra 1 e n Bahn sind unbekannt. Dagegen gibt es eine
haufig vorkommende Degeneration des peripher-
ischen Neurons, die Tabes dorsualis, bei der
- 99 —
das Neuron in seiner ganzen Ausdehnung befallen
sein kann. Seltener erkranken hiebei auch c en t r a 1 e
Bahnen (Kleinhirnseiten-Vorderseitenstrangbahn). Der
Ausgangspunkt ist auch hier noch unklar. Die Symp-
tome bestehen in schmerzhaften Empfindungen, Sen-
sibilitats- und Coordinationsstorungen, die Reflexe
erloschen. Hieher gehort auch die sensible Form der
Neuritis multiplex.
3. Die combinierten Systemerkrankungen.
Sie umfassen gleichzeitige Degenerationsprozesse
von motorischen und sensibeln Bahnen. Hieher gehort
a) die hereditare Ataxie, Friedreich'sche
Tabes. Hiebei erkrankt das centrale motor.
Neuron (Pyramidenbahn) neben dem peripher-
ischen und centralen sensibeln Neuron (Hinter-
strange, Kleinhirnseitenstrangbahn). Symptome
s. im speziellen Teil.
b) Die Tabes combine, echte Tabes mit Seiten-
strangbeteiligung (Pyramidenbahnerkrankung),
auch andere z. B. peripher. motor. Neuren
erkrankten haufig gleichzeitig (oculomotor., ab-
ducens etc.).
c) Eine Reihe anderer, anatomisch noch besser
wie klinisch bekannter Krankheitsprozesse
(Hinterstrange, Kleinliirnseitenstrangbahn, Pyra-
midenbahn).
Ob noch andere (Gehirn-) Bahnen ebenfalls syste-
matisch primar erkranken konnen, ist nicht bekannt.
4. Allgemeines liber Gang und Methodik der
Untersuchunof nebst diaofnostischer Ubersicht.
A. Der Untersuchung geht die Erhebung der
Anamnese voraus. Dieselbe ist fur die Diagnose
von ausschlaggebender Bedeutung.
Wichtig ist u. A. die Klarstellung folgender
Punkte :
a) Die Hereditat (familiare Nervenkrankheiten,
— lOO -
elterliche Blutsverwandtschaft, Psychosen, Al-
koholismus, Selbstmord, Tuberkulose, Syphilis),
b) das Vorleben des Patienten nach
Lebensweise und Gewohnheiten (Erziehung,
Temperament, Alkohol, Tabak, Morphium, Ex-
cesse aller Art),
Beschaftigung , (Ueberanstrengung , Hand-
arbeiten, Blei, Arsen), und
iiberstandenen Krankheiten (psychische und
korperliche Traumen, akute Infektionskrank-
heiten, Tuberkulose, Lues),
c)Jetzige Erkrankung nach Ursache, Ent-
stehung und Verlauf.
B. der eigentlichen Untersuchung des Ner-
vensystems geht unter alien Umstanden eine
genaue Untersuchung des Allgemeinzustandes
sowohl als des Verhaltens der wichtigeren inneren
Organe voraus (Ernahrungs- und Kraftezustand,
Lunge, Herz, Abdominalfunktionen, Puis, Urin; Sym-
ptome von Lues, Tuberkulose, Eiterherden, malignen
Tumoren, Knochenerkrankungen, Diabetes, Ohr- und
Augenerkrankungen sind besonders zu beachten),
/. Die Untersuchung der motorischen Spkdre
umfasst die Untersuchung
1. des ausseren Verhaltens der Mus-
kulatur (Atropine, Hypertrophic, Muskelfalten), zu
deren rascher Erkennung durch die Inspektion man
seinen Blick durch die Betrachtung der normalen
Korperformen zu scharfen hat. (Handmuskelatrophie,
Peronealatrophie, Facialislahmung, Atrophieen des
Schultergiirtels, abnorme Extremitatenstellungen u. s. f.
sind auf den ersten Blick ersichtlich.)
Messung atrophischer Extremitaten mit dem Band-
mass und Vergleichung mit der gesunden Seite gehort
hieher.
2. Der motorischen Rei zerscheinungen.
Hieher gehoren: Das Zittern, der Tremor der Ex-
— lOI —
tremitaten (Alkoholismus, Morphinismus, Neurasthenic,
M. Basedowii), man unterscheidet eine schnellschlagige
(bis 12) und eine langsamschlagige Form (bis 6 Os-
cillationen in der Sekunde).
Bcsondere Formen sind der Tremor bei Paralysis
agitans und der mehr zu den Coordinationsstorungen
zu rechnende Intentionstremor bei der multipeln Sklerose,
auch der Nystagmus der Augenmuskeln gehort dazu.
Krampfe (Spasmen) einzelner Muskeln oder
Muskelgruppen, klonisch (unterbrochen) oder tonisch
(anhaltend) auftretend, Tetanus (tonischer Krampf der
gesamten Korpermuskulatur). Contrakturen sind
permanente tonische Krampfzustande, Convulsionen
ausgedehnte klonische (auch tonische) Krampfformen,
epi leptif orme Krampfe sind anfallsweise auf-
tretende Convulsionen (ebenso hysterische Krampfe).
Choreatische Bewegungen sind unwillkiirliche aber
nicht brlisk (wie die eigentlichen Krampfe) auftretende,
ungeordnete Bewegungen, die auch in der Ruhe ein-
treten, athetotische ahnliche aber ungewohnHch
iibertriebene, bes. Finger- u. Zehenbewegungen (die Zu-
stande konnen vorkommen bei Rindenherden, nach
Apoplexieen etc, aber auch spontan).
Fibrillare Muskelzuckungen sind oben schon er-
wahnt (S. 75).
3. Die Priifung der motorischen Leist-
ungsfahigkeit (motor. Kraft).
Dieselbe ist fiir alle wichtigeren Muskeln einzeln
festzustellen. Als Mass haben wir fur einige Leist-
ungen (Handedruck) die Dynamometer, fiir die meisten
ist man aber auf die Abschatzung durch Vergleich
(mit der anderen Seite und an selbst gemachten Wider-
standsbewegungen) angewiesen, diese Kenntnis lasst
sich nur durch vielfache Uebung ervverben.
Man priift bei den Augenmuskeln beginnend die
Muskelfunktionen der Reihenfolge der motorischen
Nerven nach (Tafel 23 und Text) durch. Aktive
und (fur Extremitaten) auch passive Beweglichkeit
I02
ist nach Umfang und Kraft festzustellen. (Man be-
achte die Gelenkel)
Wichtig ist besonders noch der Gang, ob er
paretisch (miihsam infolge Muskelschwache) , spa-
stisch (steif, infolge krankhafter Muskelsteifigkeit),
ataktisch (schleudernd, infolge gestorter Coordination),
hemiplegisch (das eine Bein nachschleifend, addu-
cierend, statt erhebend, bei centralen Lahmungen),
peroneal (mit herabhangender Fusspitze, durch
Peroneuslahmung) erfolgt.
4. Die Priifung der coordinatorischen
Thatigkeit.
Diese erfolgt durch Ausfiihrung complicierter Be-
wegungen der Arme (Fingerspitzenberiihrung etc.),
durch den Kniehackenversuch und andere Bewegungen
fiir die Beine. Storungen in der Sicherheit der Aus-
fiihrung nennt man Ataxie (Vorkommen bei multipler
Sklerose, Tabes dors., heredit. Ataxie, multipl. Neu-
ritis etc.). Die statische Coordination (Rumpf-
haltung) priift man durch Augenschluss beim ruhigen
Stehen ; tritt hiebei Schwanken ein, so bezeichnet man
diese Ataxie als Romberg'sches Phanomen. Ce re-
bel la re Ataxie (Taumelgang gleich dem eines Be-
trunkenen) erkennt man beim Gehen sofort.
5, Die Priifung des elektrischen Ver-
haltens der Muskulatur. [JElektrodiagnostik).
Sie ist ein diagnostisches Hilfsmittel ersten Ranges.
Man verwendet zur elektrische Untersuchung den
galvanischen primaren, constanten Strom und den
faradischen, inducierten, sekundaren, unterbrochenen
Strom. Der galvanische ist der wichtigere.
a) Die galvanische Untersuchung.
Die gebrauchlichen Apparate enthalten
I) Elemente mit | Bunsen's Element { |'^j^',J'?^ j^' j^q^
zwe. Hussig- 2ink in H2 SO*
ke.ten (Grove s Element pj^jj^ ;„ ^ j-q^
2) Elemente
tnit nur einer
Fliissigkeit
— 103 —
Leclanche's j Zink . tj p.
Element ] Kohle(Braunstein)
Bunsen's j Zink ■ j^ r.. ^ ilj cr^
Element | Kohle
mit Zusatz von Hydrarg. sulfur, neutr. (zum Ersatz
des verbrauchten Zink-Amalgams.
Durch die in diesen Elementen vor sich gehen-
den chemischen Prozesse (Salzbildung) entsteht an
beiden Polen (Zinkpol, negativer Pol, Sauerstoffpol
und Kohlepol, positiver Pol, Wasserstoffpol) eine elek-
trische Spannungsdifferenz, deren Ausgleichung durch
Drahtverbindung den elektrischen (galvanischen)
Strom erzeugt.l
Der Strom fliesst vom positiven Pol (Anode) zum
negativen Pol (Kathode), also von der Kohle zum
Zink. (K vor Z , memnotechnisch !). Die elektro-
motorische Kraft hangt ab ausser von den Elementen
(innerer Widerstand) von dem VViderstande, den
der aussere Strom zu iiberwinden hat. Die trockene
Haut des Menschen bildet, wenn sie in den ,,Strom-
kreis" eingeschaltet wird, anfanglich einen sehr hohen
Widerstand, der bei langerem Durchfliessen des Stromes
eine zeitlang abnimmt, um schliesslich erst constant
zu bleiben.
Die Stromstarke misst man am Galvanometer,
sie wird am absoluten Galvanometer in Milliamperes,
M. A. (einer willkiirlich gewahlten jetzt allgemein
gebrauchlichen Masseinheit) ausgedriickt.
Die Stromstarke kann durch Rheostaten (Ein-
schaltung von Widerstandsrollen) abgestuft werden.
Auf jede Reizung mit dem galvanischen Strom
reagiert nun der g e s u n d e Muskel sowohl beim Schliessen
als beim Oeffnen desselben in der Weise mit einer
rasch eintretenden und blitzartig ablaufen-
den Contraktion, dass dieselbe mit steigender Strom-
starke in folgender Reihenfolge auftritt (Zuckungs-
formel): zuerst bei Kathodenschluss, KSZ , dann
— 1 04 —
bei Verstarkung audi bei Anode nschluss, AnSZ,
dann erfolgt audi bei Anodenoffnung AnOZ und
sdiliesslich bei nodi starkerem Strom auch bei Ka-
thodenoffnung KOZ eine Zuckung.
Wird der Strom noch starker, so entsteht eine
tetanische Contraktion (KSTe vor AnSTe).
Anders ist das Verhalten des degenerativ er-
krankten Muskels. In diesem erfolgt die Zudvung
nicht rasch, blitzformig, sondern langsam, trage,
wellenformig mit dem Auge verfolgbar. Zugleich
tritt die AnSZ vor der KSZ auf.
Dieses krankhafte Verhalten bezeichnet man als
Entartungsreaktion (EaR).
Da degenerative Muskelatrophie nur bei Lasion
des peripherischen motorischen Neurons (s. o.)
erfolgt, haben wir also in der ausgebildeten EaR ein
sicheres Mittel, um centrale von peripher. mot. Neuron-
erkrankung zu unterscheiden. EaR tritt ein, sei es
dass die Zelle oder die Faser des periph. Neurons zu-
erst erkrankt.
Man unterscheidet nun eine voUkommene und
eine teilweise EaR.
Bei vollk. EaR ist der Muskel vom Nerv aus
(indirekte Reizung) unerregbar, vom Muskel aus (di-
rekte Reizung) erhalt man zunachst EaR. Ist die
degenerative Atrophic abgelaufen, der Muskel voU-
kommen in Bindegewebe umgewandelt (Sklerose), so
erlischt auch die EaR vom Muskel aus , erholt sich
dagegen der Muskel wieder, so verschwindet die EaR,
die Zuckung wird normal und der Muskel (sclion vor-
her) auch vom Nerv aus wieder erregbar.
Bei parti el ler EaR ist die Muskelerregung vom
Nerven aus nicht erloschen, vom Muskel aus besteht
EaR, dieselbe kommt bei weniger schweren Scha-
digungen zu stande.
Wir haben demnach in der galvan. Untersuchung
ein Mittel nicht nur zur Untersuchung der Lokali-
sation der Storung (peripher. Neuron), sondern auch
- 105' -
zur Bestimmung der Schwere der Lasion, d. i.
der Prognose.
Tritt bei einer, infolge irgend einer Lasion des
periph. Neurons zustandegekommenen Muskellahmung
einige Tage nach der Entstehung keine EaR auf,
so erfolgt die voUkommene Wiederherstellung im Laufe
einiger Tage bis Wochen (leichte Form).
Kommt es zu partieUer EaR so betragt die Dauer
der Lahmung nicht unter einigen Monaten (Mittel-
form). Tritt complete EaR ein, so kann nach
mehreren Monaten (4—9) noch Heilung eintreten, die
Lahmung kann aber auch (was nicht vorauszusagen) eine
dauernde bleiben (Erloschen der EaR). (Schwere
Form.)
EaR kommt vereint mit fibrillaren Muskelzuck-
ungen und Atrophic vor bei aUen Kernlasionen des
peripher. Neurons (spin. Muskelatrophie, Pohomyehtis
ant., amyotroph. Lateralsklerose , MyeUtis etc.) sowie
bei alien schwereren Schadigungen der vord. Wurzeln
und der periph. Nerven (Neuritis, Compression, Traumen).
Wie diese qualitative Aenderung kann auch
eine quantitative krankhafte Herabsetzung oder Er-
hohung der Muskelerregbarkeit eintreten, dieselbe hat
aber nicht die ausschlaggebende Bedeutung wie die
qualitative.
Vor der Besprechung dieser Veranderung wollen
wir kurz besprechen
b) die faradische Unters uchung.
Die gebrauchhchen faradischen (Induktions-) Ap-
parate enthalten neben dem , den notigen primaren
Strom erzeugenden galvanischen Element (meist Le-
clanche und Bunsen modificiert), das du Bois-Rey-
mond'sche SchlittenTnduktorium, eine verschiebbare
Drahtrolle. Der primare Strom kreist in der primaren
Rolle und erzeugt durch Fernwirkung, ,,Induktion", in
der, iiber der primaren Rolle befindlichen sekundaren
des Induktoriums einen entgegengesetzt verlaufenden
Strom.
— io6 —
Dadurch, dass nun durch eine angebrachte Unter-
brechungsvorrlchtung (Wagner'scher Hammer) der
primare Strom fortwahrend unterbrochen und seine
Richtung gewechselt wird (Elektromagnetwirkung),
werden im Induktorium stets in umgekehrter Richtung
(also a uch abwechselnd) verlaufende sekundare Strome
induciert , deren Wirkung je nach Annaherung oder
Entfernung der sekundaren RoUe von der primaren
verstarkt oder abgeschwacht wird. Die Stromstarke
kann in cm des RoUenabstandes abgelesen werden,
je mehr cm, um so schwacher der Strom.
Bei der qualitativen Aenderung der galvanisclien
Muskelreaktion, der EaR, ist die faradische Erreg-
barkeit iiberhaupt erloschen, sowohl bei Reizung
vom Nerven ais vom Muskel aus, bei der eventuellen
Wiederherstellung tritt die indirekte etwas vor der
direkten Reizbarkeit wieder auf. Was nun die
quantitative n Erregbarkeitsverhaltnisse anlangt, so
ist zu bemerken, dass die verschiedenen Nerven und
Muskein zu ihrer Erregung einer verschieden dosierten
Stromstarke benotigen (je nach Lage und Zusammen-
setzung derselben), um also krankhafte quantitative
Aenderungen konstatieren zu konnen, muss man die
normalen Durchschnittszahlen kennen. Dieselben sind
fiir die verschiedenen Nerven und Muskein von be-
stimmten Punkten (den moto rise hen Punkten)
aus ermittelt, sie gelten nur fiir Elektroden von be-
stimmter Grosse (Normalelektroden 3 qcm). Die
wichtigsten motorischen Punkte (fur Nervenstiimme und
Muskein) sind aus den Textfiguren 10 — 12S. Qoff. zu
ersehen. Die wichtigsten Mittelzahlen fiir die normale
galvanische (in M. A.) und die faradische (in cm Pvollen-
abstand) Erregbarkeit sind fiir die Nerven (Muskel -
zahlen sind weniger wichtig) die folgenden (nach
Stintzing) :
Galvan. Farad.
N. facialis 1.75 M. A. 121 cm
ram. frontalis 1.45 ,, 128 ,,
— 107
G
alvan.
F
arad.
r
•am. men talis
0.95
M
.
A.
132 cm
N.
accessor ius
0.27
n
137 V
N.
m e d i a n u s
(am Oberarm)
0.9
51
122 „
N.
u Inaris
0.55
'5
J30 „
N.
radialis
1.8
n
105 n
N.
c r u r a 1 i s
1.05
n
III „
N.
peroneus
I.I
n
115 „
Eine krankhafte Steigerung der galvanischen
Erregbarkeit findet sich besonders bei der EaR, ferner
ohne EaR bei der Tetanie, Myelitis etc., audi der
farad. Erregbarkeit), Herabsetzung der elektrischen
Erregbarkeit bei einfachen Atrophieen aller Art
(centrale Lahmungen).
Krankhafte Herabsetzung des Hautwiderstandes
kommt vor beim Morb. Basedovii, (vermehrter Feucb-
tigkeitsgehalt der Haut).
//. Die UntersucJmng der sensiblen Sj>hdre.
1. Beachtung der vom Patienten gemachten sub-
j e k t i V e n Angaben iiber Schmerzempfindungen,
deren Lokalisation und Art, ferner iiber abnorme
Empfindungen (Parasthesieen) wie Brennen,
Pelzigsein, Ameisenkriechen (Vorkommen bei Neura-
sthenic, Neuritis, Tabes, Myelitis).
2. Objektive Untersuchung der verschiedenen
Qualitdten der Hautsensibilitat .
a) Tastsinn (Beriihrungsempfindung).
Die Beriihrungsempfindung wird zugleich mit der
Druckempfindung der Haut gepriift.
Man beniitzt zur Priifung die Unterscheidung von
Nadelspitze und Kopf, Beriihrung mit einem Watte-
bauschchen oder dem eigenen Finger und lasst den
Patienten mit ,,jetzt" antworten. Man mache zur
Kontrolle der Aufmerksamkeit auch ,,blinde" Versuche
und ermiide den Patienten nicht zu sehr. Oeftere
Wiederholung zu verschiedener Zeit ist fiir genauere
io8 —
Untersuchung unerlasslich. Man vergleiche, womoglich,
niit der Sensibilitat der gesunden Seite und priife alle
Hautregionen durch. Auch die faradocutane Em-
pfindung kann zur Priifung beniitzt werden (sie ist am
RoUcnabstand messbar). Es kann bestehen : A n-
asthesie, vollkommene Authebung des Tastsinns (bei
totaler Leitungsunterbrechung besonders durch Herd-
erkrankungen , s. diesen Abschn., 3, ferner bei der
Hysterie, (central bedingt), Hypasthesie, Abschvvach-
ung (bei unvoUkommener Unterbrechung, bei Neuritis,
Tabes etc.), Hyperasthesie, krankhafte Steigerung
des Empfindungsvermogens, s. u. Schmerzempfindung.
Die Ausdehnung eines anasthetischen Bezirks ist genau
durch Grenzenbestimmung (aufzeichnen!) festzustellen,
sie entspricht bei Lasion eines periph. Nerven, dessen
Ausbreitungsgebiet (s. Fig. 10, 11, 12).
b) Lokalisation der Empfindungen (Orts-
sinn). Dieselbe wird gepriift zusammen mit dem Tast-
sinn. Der Kranke hat den Ort der wahrgenommenen
Empfindung (bei verdeckten Augen) anzugeben.
Das Vermogen, raumhch getrennte Hautpunkte
als solche zu empfinden, wird mittelst des Tasterzirkels
gepriift. Die Reihenfolge der fur verschiedene Korper-
regionen je nach Abnahme ihrer EmpfindHchkeit hiefiir
notwendigen Zirkelspitzenabstande ist in mm ausge-
driickt (nach Weber):
Zungenspitze
I mn
Lippenrot
4 „
Nasenspitze
6,5,,
Wangenhaut
II „
Stirn
30 „
Brusthaut
44 „
Riickenmitte
65 „
Gesiiss
39 „
Oberarm
Unterarm
TT 1 volar
Hand , ,
dorsal
Fingerspitze
Oberschenkel
Unterschenkel
Zehenspitze
65
39
1 1
28
2
65
39
I I
ist
mm
die
Je kleiner also diese Zahl, um so grosser
EmpfindHchkeit der betreffenden Gegend.
Bei Polyasthesie wird eine einfache Berlihrung
mehrfach empfunden (Tabes).
— I09 —
c) Schmerzempfindung.
Sie wird durch verschieden tiefe Nadelstiche an den
einzelnen Korperregionen gepriift. Eine messbare
Schmerzpriifung ist die faradocutane , mit bis zur
schmerzhaften Empfindung gesteigerten Stromen. Sie
ist indess nur fiir feinere klinische Untersuchungen
notwendig.
Die Schmerzempfindung kann herabgesetzt (Hy-
palgesie) oder ganz erloschen sein (Analgesic).
Analgesie kommt vor zusammen mit Anasthesie
fiir Berlihrung bei Herderkrankungen, Hysterie, bei der
Tabes dors., Neuritis, sowie ohne diese beiSyringomyelie.
Verlangsamte Schmerzempfindung (erst durch
Summation von [langer andauernden] Reizen erfolgende
Empfindung) kommt vor bei der Tabes, MyeHtis,
Neuritis. Hiebei wird zuerst die Beriihrungs- und
erst nach einiger Zeit die Schmerzempfindung ange-
gegeben (jetzt! au!)
Abnormes Andauern (Nachkhngen) der Schmerz-
empfindung kommt ebenfalls bei der Tabes, Neuritis vor.
Hyperalgesia (abnorme Schmerzhaftigkeit von
Beriihrungs- und Warme-Kaltereizen) kommt vor als
Reizungszustand bei Herderkrankungen, bei Hysterie,
Neurasthenie, bei der Halbseitenlasion, Neuritis,
d) Temperaturempfindung.
Kalte- und Warmepriifungen sind gesondert zu
priifen (Reagenzglas mit Eiswasser, mit warmem [nicht
heissem] Wasser).
Die Kalte AVarmeempfindung kann abgestumpft
oder aufgehoben sein. (Thermanasthesie) fiir beide
oder nur fiir eine Empfindung (Herderkrankungen, Tabes,
Syringomyelic, Myelitis, Neuritis). Beide Empfindungen
konnen mit einander verwechselt werden (kalt fiir
warm und umgekehrt) : perverse Temperaturempfindung
{Tabes, Myelitis, Neuritis).
j) Sejisibilitdt der tieferen Teile.
a) Die Empfindung der Schwere priift man
durch Auflegen von eingehiillten Gewichten
— no —
verschiedener Schwere und Vergleichung mit
Resultaten an Gesunden.
b) Die Empfindung passiver Bewegungen
priift man durch Ausfiihrung solcher von mini-
malen Excursionen. Der Patient hat mit ver-
hiillten Augen die Beugung, Streckung, Er-
hebung, Seitvvartsbewegung etc. fiir die ver-
schiedenen Gelenke anzugeben.
c) Die Lagewahrnehmung, Priifung durch die
Aufforderung, eine vorgenommene Stellung der
Arme, Peine mit der andern Extremitat bei
Augenschhiss nachzuahmen.
Storungen dieser und noch anderer schwer zu
priifender Empfindungen (Gelenkempfindungen, Muskel-
empfindungen etc.) fasst man als Storungen des
„Muskelsinnes" zusammen. (Vorkommen bei der
Tabes, hereditaren Ataxie, Neuritis, Hysteric, Herd-
erkrankungen).
^) Hohere Sin?ie.
a) Der Gesichtssinn.
Jedes Auge und die homologen Retinahalften sind
gesondert zu untersuchen.
Die genaue Bestimmung der Sehscharfe und die
Gesichtsfeldaufnahme am Perimeter ist manchmal not-
wendig (s. Lehrbiicher der Augenheilkunde).
Ungefahre Orientierung iiber Gesichtsfeldein-
schrankung erhalt man durch Einfuhren der Hand
Oder eines weissen Blattchens ins Gesichtfeld , bei
fixierter Bulbusstellung. Wird die z. B. von der linken
Seite (des Untersuchten) der Mitte zu genaherte Hand
auf beiden Augen erst hier angelangt wahrgenommen,
wahrend von rechts her die Hand schon von aussen
her angegeben wird, so besteht linksseitige Hemianopsia
bilateraHs homonyma (Affektion entweder des rechts-
seitigen Tract, opt. oder der primaren Opticuscentren,
der Sehstrahlung oder des rechtsseit. Occipitallappens).
Ebenso erkennt man grossere (concentrische)
Gesichtsfeldeinengung oder centrale Defekte (Skotome).
1 1 1
Ausfall der von beiden temporalen Gesichtsfeldhalften
kommenden Gesichtsempfindungen (Hemianopsia bitem-
poralis) deutet auf Chiasmaaffektion.
1st der N. opticus geschadigt, so besteht mehr
oder weniger hochgradige Amblyopic event. Amau-
rose des betreffenden Auges. Betreffs Doppelbilder-
entstehung s. v. bei Augenmuskellahmungen.
Unerlasslich ist bei vielen Nervenkrankheiten die
Untersuchung des Augenhintergrundes mit dem Augen-
spiegel. Sie ergibt event, den wichtigen Befund der
Stauungspapille (hiagelig hervortretende triibe Pa-
piile mit verwaschenen Randern), sie entsteht infolge
verhinderten Abflusses der Lymphfliissigkeit in der
Opticus -Scheide bei Erhohung des intrakraniellen
Druckes (Tumoren). Audi die ahnliche Neuritis
optica (geringere Exsudation) kommt hiebei vor, so-
wie bei Neuritis multipl., Hirnsyphilis, Meningitis etc.
Ihr Ausgang kann sein die Sehnervenatrophie,
die sich mit weisser , oder abgeblasster Papille bei
scharfen Grenzen prasentiert.
Atrophia nervi opt. kann auch primar sich ent-
wickein bei Tabes, multipl. Sklerose, Dement, para-
lytica.
b)DerGehorsinn.
Jedes Ohr ist fiir sich mit Taschenuhr zu priifen
(normal auf 3 m Entfernung und mehr), auch Fliister-
stimme auf noch weitere Entfernungen.
Zur Unterscheidung, ob die Schwerhorigkeit durch
Labyrinth- (Nerven-) Erkrankung oder durch Affektion
der schallleitenden (Mittelohr-)Organe zu stande
kommt, bedient man sich des Stimmgabelversuchs.
Wird bei einem Schwerhorigen eine klingende Stimm-
gabel auf den Scheitel gesetzt und wenn sie durch
die Kopfknochenleitung gerade nicht mehr gehort
wird, vors Ohr gehalten, so kann sie
a) wieder tonend gehort werden, positiver Rinne-
scher Versuch , dieser Ausfall spricht fiir
112 —
Labyrintherkrankung (Meningitis, Acusticus-
erkrankungen),
b) auch von hier aus nicht mehr gehort werden,
negativer Rinne, Mittelohrbeteiligung.
Die Kopfknochenleitung bei nervoser Schwer-
horigkeit hoheren Grades erlischt voUends.
Als Parasthesieen des Gehors tritt Sausen, Klingen
etc. auf (bei Otitis, Meniere'scher Krankheit, Anamie etc.),
Hyperaesthesia acustica (schmerzhafte Schallenempfin-
dung) bei Hysteric, Hemicranie etc.
c) Der Geruchssinn.
Jede Nasenhalfte wird fiir sich gepriift durch
Vorhalten riechender Substanzen (Ausschluss von den
Trigeminus reizenden Stoffen z. B. Ammoniak) man
beniitzt Pfefferminzol, Perubalsam , Citronenol, Asa
foetida. Aufiiebung des Geruchssinnes (Anosmie) kommt
vor, abgesehen von Nasenschleimhauterkrankungen, bei
periph. Lasionen (Tumoren, Verletzungen der vorderen
Schadelgruben, Atrophic des olfact.), centrale Storungen,
ausser bei Hysteric, sind wenig gekannt.
d) Der Geschmackssinn.
Jede Zungenhalfte soil in ihren vorderen zwei
Dritteln (trigeminus) und hinterem (glossopharyngeus)
Abschnitt durch Auflegen von schmeckenden Salz- etc.
losungen (Kochsalz, Zucker, Essig, Chinin) gepriift
werden (salziger, siisser, sauerer, bitterer Geschmack).
Aufhebung des Geschmacks (Ageusie) bei peripher.
Nervenlasionen (Facialis im Felsenbein, trigeminus),
Hysteric, selten bei centralen Herden.
/// Untersuchujig der Rejlexe.
Die Reflexfunktion kann erhoht oder herabgesetzt,
bez. erloschen sein.
Die Erhohung beruht auf dem Wegbleiben
der normalen Weise durch centrale Gchirnbahnen er-
folgenden Hemmung (bei P2rmudung, Neurasthenic,
Erkrankung der Hemmungsbahnen) oder auf abnormer
— 113 —
Reizbarkeit innerhalb des Reflexbogens (Neuritis,
Meningitis, Tetanus).
Die Herabsetzung, das Erloschen des Re-
flexes beruht auf der Unterbrechung des Reflexbogens
(des sensiblen oder motorischen Teils oder des Ver-
bindungsstiicks der ReflexcoUateralen), die Reflexe
fehlen ferner im tiefen Coma , bei Intoxikationen.
Bei starker Steigerung der Sehnen-Reflexe kommt es
bei continuierlicher Reizung zu rasch nach einander
erfolgenden Reflexzuckungen , Patellarklonus , Fuss-
klonus (Fusspbianomen).
Die wichtigeren zu untersuchenden Reflexe sind:
I. Haut- und Schleimhautreflexe.
Die Hautreflexe von der Fussohle, den Finger-
spitzen aus werden durch Nadelstiche, Kalte-, Warme-,
Kitzel- (summierte) Reize ausgelost.
Ihre Balinen sind noch recht wenig bekannt, ihr
sensibler Ast muss durcli Collateralen und Reflex-
neuren (langer Reflexbogen) in ausgedehntester Ver-
bindung mit der ganzen motorischen Sphare stehen.
Bei einseitigen, die Pyramidenbahn unterbrechenden
Herden sind im Gegensatz zu den erhohten Sehnen-
reflexen die Hautreflexe haufig herabgesetzt.
Der Crem aster reflex (Contraction des M. ore-
master ausgelost durch sensible Reize von der Innen-
flache des Oberschenkels) und der
Bauchdeckenreflex (Contraktion der Bauch-
muskeln in verschiedenen Hohen [oberer, unterer Re-
flex], ausgelost durch Striche iiber die Bauchhaut)
haben bisher geringe klinische Bedeutung. Beide Re-
flexe scheinen bei Herderkrankungen im Gehirn auf
der dem Herd entgegengesetzten Seite stets zu fehlen,
bei mult. Sklerose etc. oft beiderseitig.
Der Conjunctiva Ire flex bewirkt Lidschluss
nach ConjunctivaBeriihrung (fehlt bei Trigeminus- oder
Facialislahmung).
Der Lids chlussre flex bewirkt Lidschluss bei
plotzlicher Annaherung eines Gegenstandes vors Auge
— 114 —
(fehlt bei Opticuslasion, Facialislahmung). Der Racheii-
reflex lost durch Schleimhautreize (Pinselung) eine
Wiirgbewegung aus (fehlt bei Vago-Accessorius-Lahm-
ung), der Gaumenreflex eine Gaumencontraktion
nach Beriihrung.
2. Die Periost- und Sehnenreflexe.
a) Der Patellarsehnenreflex ist der wich-
tigste. Durch Beklopfen der Patellarsehne wird bei
entspanntem Muskel (Ablenkung der Aufmerksamkeit
durch Handedruck, x^useinanderziehen der gefalteten
Hande [Jendrassikj) eine Contraktion des M. Quadri-
ceps ausgelost; der Unterschenkel schnellt dadurch
bei kraftiger Contraktion in die Hche. (Am besten
priift man . wenn Pat. auf einer Stuhlkante sitzend,
die Fussohle ganz auf den Boden aufstelit, den Unter-
schenkel wenig nach vorne gestreckt).
Der Reflex ist physiologischer Weise bei ein-
zelnen Menschen von sehr verschiedener Intensitat.
Steigerung des Reflexes (erhohter Refl.) kommt
vor bei Neurasthenie, bei Lasion des centralen motor-
ischen Neurons (reflexhemmende Fasern in der Pyra-
midenseitenstrangbahn), bei Reizung im Reflexbogen
(Meningitis, Tetanus, Neuritis), bei erschopfenden Krank-
heiten.
E r 1 6 s c h e n des Reflexes bei Unterbrechung im
Reflexbogen (Tabes, Neuritis [cruralis], PoHomyelit.
ant., Myelitis lumbalis), sowie im Coma, epileptischen
Anfall , bei frischen Riickenmarksverletzungen (als
Reizungssymptom der Hemmungsfasern aufzufassenr).
b) Ahnlich verhalt sich der Achillessehnenreflex
(Zuckung in den Wadenmuskeln bei Beklopfen der
A.-Sehne). Seine Steigerung bewirkt den haufig vor-
kommenden P'ussklonus, Fussphanomen (ausgelost durch
kraftige Dorsalflexion des Fusses).
Von den Periost- und Sehnenreflexen am Arm
sind die wichtigeren :
Der Radial- und Ulnarperiostreflex (Zuckung durch
Beklopfen des Proc. styloid, rad. oder ulnae) und der
— 115 —
Tricepssehnenreflex (Schlag- auf seine Sehne oberhalb
des olecranon).
Ausserdem verdient der Masseterreflex (Unter-
kieferbewegung durch Schlag auf ein, dem Kiefer auf-
gelegtes Brettchen) untersiicht zu warden.
Die klinische Bedeutung der letzgenannten Re-
flexe ist eine geringere, die pathol. Veranderungen er-
folgen im allgemeinen nach den oben genannten Ge-
setzen.
3. Der Pu pi 1 1 arreflex.
Man unterscheidet folgende Unterarten:
i) Die Lichtreakti on 'Verengerung der Pupille
durch vSphinctercontraktion nach Belichtung
(Opticusreizung) desselben Auges).
2)consensuelle Lichtreaktion (erfolgt durch
Belichtung des an dem Auges).
3) Akkommodationsreaktioii ( Verengung
bei der Akkomodation fiir die Nahe, eigentlich
eine Mitbewegung).
4) Conver gen zrea ktion von geringer khnischer
Bedeutung.
Die Lichtreaktion priife man fur jedes Auge ge-
sondert (zur Ausschaltung der consensuellen R.), bei
bestehender Hemianopsie auch flir jede Retinahalfte
fiir sich, am besten mit SpiegelbeHchtung, fiir ge-
wohnHch geniigt Beschattung mit den Handen und
rasches Wegziehen der ein en Hand.
Vor der Priifung achte man auf abnorme Weite
oder Enge der Pupille.
Erweiterung (Mydriasis) bei Atropin-Cocainver-
giftung, Blindheit, im Coma, epilept. Anfall, bei Oculo-
motoriuslahmung u. A.
Verengerung (Myosis) bei Morphiumvergiftung,
Tabes, Dementia paralyt. , Meningitis, Affektion des
1. Dorsalsegments, Iritis etc. Auch auf Ungleich-
heit der Pupillen (Paralyse, TabeS; Meningitis u. A.)
ist zu achten.
Die Lichtreaktion kann abnorm trage oder
- ii6 —
erloschen sein bei Unterbrechung des Reflexbogens
(BlindheitdurchOpticus-Erkrankung, oculomotor. Lahm-
ung oderLasion derReflexcollateralen (Tabes, Dementia
paralyt.) in den Vierhiigeln, ausserdem im Coma, Nar-
kose, im epileptischen Anfall (nicht im hysterischen)»
Bei Tractuslasion besteht „hemianopische Pupillen-
starre'' (bei Belichtung der erblindeten Retinahalfte).
IV. Untersiichuuor der Blasen-Mastdarm-FiiuMwii.
a) La si on der centralen Bah n en (Myelitis
dorsalis, Herderkrankungen).
Lasion der motorischen bewirkt Re tent io
u r i n a e (resp. alvi), die willkiirliche Entleeruug
ist gehindert, bei gefiillter Blase erfolgt die
Harnentleerung triiufelnd.
Lasion der sen si be In verursacht den Aus-
fall der Blasenempfindungen, des Harndranges
und dadurch Retentio.
b) Lasion der p e r i p h e r i s c h e n B a h n e n
und des Blasencentrums (Reflexcollateralen im Sacral-
mark) bewirkt Incontinentia urinae (resp. alvi),
Sphincterlahmung (Lasion des Lenden-Sacralmarks, der
Cauda equina), continuierliches Harntraufeln. Hiebei
fehlt auch die mit dem Finger zu fuhlende reflektorische
Sphincter ani Contraction, die bei centralen Storungen
erhalten ist.
Ausser diesen Lahmungserscheinungen konnen
auch reflectorisch und central bedingte Reizsymptome
bestehen (Urindrang, tenesmus, Harnzwang (Strangurie).
Leicht kommt es bei Blasenstorungen zu der fur
viele Riickenmarkskranke ominosen Cystitis (sekundare
Infection), Pyelonephritis, Pyaemie.
V. Uritersuchtuig ' trofJuscher imd vasomotorischer
Stonuigen.
Trophische Storungen kommen vor bei Vorder-
hornlasionen , neuritischen Processen, Gefasserkrank-
ungen u. s. f. Die wichtigeren sind :
- ii; -
Rotung, Schwellung, Cyanose , abnorme
Blasse, Urticariaerkrankung der Haut (Ery-
thromelalgie (schmerzhafte Rotuno- und Schvvell-
ung der Hande und Fusse . anfallsvveise auf-
tretend), multiples Hautoedem)
Hautatrophie (glossyskin, Glanzhaut), Sklero-
derma, einseitige Gesichtsatrophie (Hemiatroph.
facial.) Schweissanomalieen (Hyperhidrosis, halb-
seitige Schweissekrction bei Hysterie , Neu-
rasthenie).
Spontane Gangranbildung an den Extremitaten
(Raynaudsche Krankheit, Syringomyelie, Mor-
vans Krankheit) ; Decubitus (bei Paraplegieen)
nur indirekt „nervosen" Ursprungs. Mai per-
forant (bei Tabes, chronisches ulcus an den
Zehen) ; Gelenksveranderungen, Arthropathieen
(Anschwellung, Verdickung, Auswiichse bei
Tabes) u. a.
VI. Die Uiitcrsuchimg der psychz'schen Funktioiien.
T. Sprache und Schrift.
a) A r t i k u 1 a t o r i s c h e 8 t o r u n g e n , D y s
arthrie.
Dies sind Sprachstorungen in den peripher-
i sell en Bahnen. Es konnen dabei die einzelnen
Buchstaben nur mangelhaft, undeutlich bezw. gar nicht
gebildet werden, sie kommen wLirgend, naselnd, ver-
schwommen, schwer verstandlich unter grosser Muskel-
anstrengung von Mund , Zunge etc. zum Vorschein
(bei bulbaren Kernerkrankungen, Lasionen desN. h}'po-
glossus facialis etc. , mangelhafter Bildung der mus-
kuiosen Sprachwerkzeuge [Gaumenmangel etc.]).
Besondere Formen sind ausser der typisch „ bul-
baren Sprache" die naselnde Sprache (Rhinolaliej, die
verlangsamte Sprache (Bradylalie),
Die skandierende Sprache (absatzweise erfolgende
Wortbildung) bei multipler Sklerose.
Als stammelnde Sprache (Dysarthria lit-
— ii8 —
teralis) werden verschiedenartige Mangel der Sprach-
bildung, besonders der Buchstabenerzeugung bezeichnet.
Das Stottern kommt durch abnorme starke
spastische Sprachmuskelcontraktionen (central bedingt!)
zu stande, durch psychische Erregung nimmt das
Stottern zu, das Stammeln ab.
Bei dysarthrischen Storungen priift man die Lippen-^
Zungen-, Gaumen- und Nasenlaute einzeln durch.
b) Aphatische Sprac hstorungen.
. Diese sind durch centrale Erkrankungen bedingt
und konnen sein: cortikaler Natur (Rindenherd),
transcortikalen Ursprungs (Zerstorung der Asso-
ciationsbahnen) und subcortikaler Art (Unterbrech-
ung der Leitungsbahn vom Centrum zur Peripherie).
7.) Kann der Patient willkiirlich nichts sprechen,
aber alles verstehen, so besteht motorische
(ataktische) Aphasie (Lasion bei II, Fig. 9,
Erklarung s. vorne Seite 63),
Kann kein Wort mehr willkiirlich gesprochen
werden, so besteht totale mot. Aphasie,
konnen einzelne Worte nur noch gesprochen
werden Monophasie (Ja, nein etc.)
g) Felilt das Wortverstandnis, ohne dass die Sprach-
bildung gestort ist, so besteht ,,sensorische
Aphasie", Worttaubheit, (Lasion bei I). Hie-
bei leidet stets auch (durch Aufhebung der
notigen Associationen zwischen I und II) die
Sprache Es werden falsche, unpassende, ent-
stellte Worte gebraucht, auch die Satzbildung
kann behindert sein = Paraphasie. Eine
Form dieser ist die litteralc Paraphasie,
das Silbenstolpe rn, die Versetzung von
Buchstaben und Silben in falsche Folge (De-
ment, paralyt.). Hat das Wortgedachtnis
Einbusse erlitten in der Art, dass der Kranke
sich plotzlich aufNamen, Bezeichnungen u. s. f.
nicht mehr erinnern kann , dass sie ihm ent-
fallen, wahrend das Wortverstandnis selbst nicht
— 119 —
gelitten hat, so bezeichnet man diese Form als
amnestische A phasic.
7) Mit motorischer Aphasie ist manchmal, mit
sensorischer haufig verbunden die Unfahigkeit
willkiirlich zu schreiben, Agraphia (bei Mit-
zerstorung von Y oder der Associationen von
I, II zu V s. Paragraphic).
0) Mit und ohne sensorische Aphasie kommt vor
die Unfahigkeit zu lesen, ohne dass eigentliche
Sehstorungen vorhanden sind, Alexie (bei Zer-
storungen im unteren Parietallappen, gyrus supra
marginalis.^)
Alle diese Erscheinungen konnen bei aus-
gedehnten Herden zusammen vorkommen, voll
kommene motor ische und sensorische
Aphasie.
= ) Kann der Patient gesehene Gegenstande in ihrer
Bedeutung nicht erkennen, so besteht S ee 1 en-
blind h e i t (Herd in IIlj, findet er fur gesehene
Gegenstande nicht das richtige Wort, ohne dass
niotorische Aphasie besteht, so bezeichnet m.an
dies als „optische Aphasie" (Storung der
Associationen zwischen III und I, II).
Storungen in den Associationen zwischen I, III,
V bewirken (ahnlich der Par aphasie) Paragraphic,
solche der Associationen zwischen I, II, und gyr. supra-
marginalis Par alexie.
(Beide besonders im Verein mit Silbenslolpern
bei Dementia paral. vorkommend).
Als Dysgraphie werden Schreibstorungen meist
peripherischer Lokahsation bezeichnet (analog der Dysar-
thrie), solche sind Zitterschrift (tremor senilis,
alcoholicus etc.), ataktische Schr ift (heredit Ataxic,
multiple Sklerose).
Als Dyslexic wird cine funktionelle Lesestorung
(rasches Ermiiden) bezeichnet.
Die Priifung auf diese centralen Sprach-
etc. -Storungen kann in folgender Weise vorge-
nommen werden :
— 120 —
Man beginnt mit Pat. ein Gespriich: ,,Sind sie
schon lange krank?" Erfolgt keine Antwort, so kann
bestehen fTaubheit und Psychosen ausgeschlossen)
a) T aubstummbeit, an den sofort beginnenden
lebhaften Gestikulationen zu erkennen,
b) tot ale (mot. und sensor.) Aphasie, durch
Eruierung der Anamnese von dritten Personen
sicher zu stellen.
Nickt der Kranke mit dem Kopf und antwortet er
auch auf andere P'ragen (die mit ja oder nein zu beant-
worten sind) richtig mit mimischen Ausdrucksbeweg-
ungen ohne sonst ein Wort hervorbringen zu konnen, so
besteht gewohniich motorische Aphasie. Reagiert
er auf die Frage nicht und kommt er den jetzt an ihn
gestellten Aufforderungen (die Augen zu schliessen etc.)
nicht nach, so besteht sen so rise he Aphasie, fiihrt
er dagegen alle Auftrage und Anfragen rasch und
prazis mimisch aus, so ist diese sicher auszuschhessen.
Antwortet P. auf alie Fragen bloss mit einem
und demselben Wort, z. B. nein, nein ... so be-
steht Monophasie.
Antwortet er nicht korrekt, sondern mit ver-
stellten Worten, Silben und Buchstaben, so besteht
Paraphasie (Silbenstolpern). Zur genaueren Fest-
stellung lasst man nachsprechen: Elektrizitat, Dritte
reitende Artillerie-Brigade und ahnhche lange Worte.
Nun zeigt man dem P. verschiedene Gegenstande
(Ziindholzchen, Bleistift) und fragt, was man damit
mache. Kann dies der Kranke (sensorische Aphasie
und peripherische Sehstorung ausgeschlossen) sowohl
mit Worten als auch durch mimische Bewegungen
nicht angeben, so besteht Seelenblindheit, kann
der Patient dies, findet er aber, nach dem Namen
des Gegenstandes befragt, den richtigen nicht, so be-
steht optische Aphasie. Jetzt lasst man (die obigen
Storungen ausgeschlossen) Worte, Satze und Zahlen
nachsprechen. Gcschieht dies durch rasches Ver
gessen des vorgesprochenen nur mangelhaft, so be-
121
steht amncstische A phasic. Nun wendet man sich
zur Sc/i rrif) priifuni^ (Schiefertafcl).
Man dikticrt Wortc und Zahlen und lasst die-
selben nachschreiben.
Wird gar nicht geschricben (Ausschluss von sen-
sorischer Aphasie) so besteht A graphic, eventuell
Monographic (es wird immer dasselbe Wort ,,nein,
nein ..." geschricben), oder Paragraphic (Vcr-
schreibcn und Aushisscn von Silbcn und Huchstaben).
Durch rasches Vcrgessen dcs Diktiertcn cntsteht
die amncstische Schreibstorung. AehnHch priift
man spontan Schreiben und Copicren fob event, ohne
Schriftverstandnis erfolgend).
Bei der JLcseprufttrii:; fordert man P. auf, vor-
geschriebenc (auch gcdrucktc) Worte und Zahlen zu
lesen.
Gcschicht dies nicht (motor. Aphasie und Seh-
storung ausgcschlossen) so besteht Alexie, event.
Monolcxie, Paralexic (,,Verlesen"). Es ist zu be-
achten, ob mit oder ohne Verstandnis gelesen wird.
iJurch Gcdachtnisstorung (rasches Vcrgessen von
den gclesencn Huchstaben, Zahlen) wird die amnc-
stische Alexie verursacht. Man pri.ift genauer durch
Aufforderung, Worte und Zahlen aus einzelnen Buch-
staben und Zifferfiguren zusammenzusetzen.
2. Geddchim'spruftmg' .
Die mit dem Sprach- etc. Vorgang in Zusammen-
hang stehenden Gedachtnisstorungen sind unter amne-
sti scher Aphasie, Alexie, Agraphiebereitsbeschrieben.
Man priift ausserdem die friiherworbenen Ge-
dachtniscindriicke (Jugenderinncrungen) und die aus
der Ictztcn Zcit (Krankengeschichte).
Die Priifung fijr frische Eindriicke umfasst die-
jenigen von cinfachen und complicierteren Associa-
tionen (cinige Worte, Zahlen, Zahlenreihcn).
Storungen des Erinncrungsvermogcns bezeichnct
man als Amnesic (bei Schadelverletzungen Contussio
123
cerebri, Herderkrankungen des Gehirns, Dementia).
Die eingehendere Priifung bat sich auf alle verschie-
denen Associationen (akustische, optische, taktile etc.)
zu erstrecken. Ihr Gang kann hier nicht weiter aus-
gefiihrt werden.
J. Sonsti^e -psychhche Storungen.
Es ist festzustellen, ob das Bewusstsein gestort
ist (Coma, Somnolenz, Dammerzustand), ob die In-
telligenz normal oder gestort ist (Demenz, Idiotic),
ob krankhafte motorische oder sensorische Erreg-
ungszustande vorhanden sind (Delirien, Erregungs-
zustande mit Bewusstseinstrubung, Hallucinationen,
krankhafte central entstehende Sinnestauschungen,
Vision en, krankhafte Falschung von Sinnesein-
drlicken) ; ferner ob Wah n vo rs tell ungen (syste-
matisierle, fixierte oder fliichtige, sich jagende
[Idee nfluch t]) vorhanden sind.
Melancholische (krankhaft deprimierte), ina-
n i s c h e (krankhaft exaltierte), hypochondrische
Verstimnnmg ist zu beachten.
Man hi.ite sich, aus solchen gefundenen Svmftonien
etwa gleich die betreffende Psychose, fur die sie als
charakteristisch gelten, zu diagnosticieren.
C) Die Stellung der Diagnose.
Sie erfolge principiell nur nach vollstandig vor-
genommener Untersuchung und Anamnesenerhebung.
Wichtigist dabei haufig die Beantwortung folgender
Fragen :
1. Liegt Liberhaupt eine P2rkrankung des
N e r v e n s y s t e m s v o r , oder w i r d sie nur v o r -
getauscht.^ ^durch Anamie, Tuberculose, Tanie etc.).
2. Ist fur das gefundene Nervenleiden
vielleicht als Ursache ein andervveitiges
korperliches Leiden verantwortlich zu
machen? (Arteriosklerose, Geschwiilste, Herz-,
— 123 —
Lungen- , Magen-, Nieren, Blut- etc. Erkrankung,
Diabetes).
3. Besteht eine funktionelle oder cine
organische Nervenerkrankung? (ist meist so-
fort, nicht selten aber auch erst nach vielfachen Ueber-
legLingen und nach langerer Beobachtung zu beant-
worten), Stauungspapille, degenerative Muskelatrophie
(EaR), erloschene Patellar-Pupillarreflexe sind z. B.
stets organisch bedingt. Man beachte die Genese der
Erkrankung.
4. Wo sitzt die angenommene organische
Erkrankung? (siehe ,,allgemeine Symptomatologies,
Abschnitt IV, 3), besteht eine Herderkrankung
oder eine syste m-a tische Degeneration?
5. VVelcher Art ist die Erkrankung?
Man iiberlege die Entstehung, den etwaigen Zusammen-
hang mit andern Erkrankungen (Infektionskrankheiten,
Geschwiilste), den Ort der Lasion, die anderen etwa
vorhandenen Symptome (Fieber, Kachexie).
Haufig kommt man mit einer einmahgen Unter-
suchung nicht zu Stande, nicht selten muss man den
Krankheitsprocess und seinen Verlauf eine zeitlang
beobachten. In manchen Fallen bleibt die vo li-
st and ige Diagnose uberhaupt in suspense, man
stelle wenigstens die Wahrscheinlichkeitsdiagnosen.
Man hi-ite sich, Diagnosen wie Dementia paralytica,
Tumor cerebri, Tabes dorsuahs allzu rasch zu stellen,
nie ohne die triftigsten Grunde sofort nach der erst-
mali gen Untersuchung.
5. Allgemeines liber die Behandlung von
Nervenkrankheiten .
Die Behandlung der Nervenkrankheiten setzt mehr
wie die aller iibrigen Erkrankungen einen psychologisch
denkenden und handelnden Arzt voraus. Leider liegt
diese Seite der Ausbildung unserer Mediziner noch
sehr im Argen. Mit der Kenntnis der anatomischen
— 124 —
und klinischen Thatsachen ist's noch lange nicht
gethan !
Die Behandlung umfasst
/. Die Prophylaxe,
Kaum auf einem anderen Gebiet kaiin durch
richtiges Verhalten so viel Unheil verhtitet und durch
Nachlassigkeitverursachtwerden, als auf dem fraglichen.
Einzelne Punkte sind : die arztliche VViderratung
von Eheschliessung mit schwer geistig oder nervos
erkrankten ev. auch hereditar belasteten Personen
(hereditare Systemerkrankungen etc.), die arztliche
Uebervvachung der Kinderernahrung und Erziehung
(Schulhygiene), Belehrung iiber die schadigenden Ein-
fliisse einer verkelirten Lebensweise (Alkohol, Thee,
Tabak, Excesse aller Art, Morphium (Arzt !) und des
Berufslebens (Ueberanstrengung , Unregelmassigkeit
der Arbeit , Fabrikhygiene) , Uber die Einzelhygiene
(ReinHchkeit, Bader, Kleidung, Bewegung etc.).
2. Causale Therafie.
Eine solche ist leider bisher nur bei einzehien
Erkrankungen moglich.
a) Intoxikationszustande (Blei, Arsen, Alko-
hol, Morphium, Cocain) konnen beseitigt oder doch er-
heblich gebessert werden, fiir die ersteren Gifte durch
entsprechendes Verbot (oder Regelung) der Fabrik-
arbeit u. s. w.); fiir die letztcren durch Abstinenz-
kuren (Anstaltsbehandlung) ; brilske Entziehung von
Alkohol, Morphium, Cocain lasst sich fast uberall durch-
fiihren; beim Alkoholismus gibt es keine Abstinenz-
erscheinungen (trotz gegenteiliger Behauptung) und
an den oft sehr schweren noch ofter aber auch iiber-
triebenen Abstinenzerscheiniingen des Morphium, Cocain
wird ein Mensch, aus dem liberhaupt noch etwas
verniinftiges werden kann, fiir gewohnlich nicht zu
grundc gehen ; also prinzipjell keine sogenannten
Kurcn ohne Zwang und Qualen, sie sind selten von
— 1^5 —
dauerndem Erfolge. Der Ersatz des Morphium durch
grossere Dosen Alkohol bei der Abstinenzkur ist fur
den dauernden Erfolg ein gefahrliches Mittel.
Es soil aber nicht gesagt sein, dass bei beson-
ders schweren Fallen in den ersten 3 — 4 Tagen der
Abstinenzkur vom Morphium ganz abgesehen vverden
kann, nur fiir diese ersten Tage und nur bei objektiv
nachvveisbarem Collaps gebe man etwas Morphium.
b) Alle syphilitischen sicher diagnosticierbaren
(aber auch alle vermuteten!) Erkrankungen sind so
friihzeitig als moglich energischer Schmierkur (3 — 5 gr
graue Salbe pro die) zu unterziehen. Jodkali kann
auch zugleich oder nachher gegeben werden (3 gr pro
die). Niemals versuche man nur Jodkali allein.
Bei Malarianeuralgieen Chinin (0.5 — 1.5).
c) Die dritte Reihe von Erkrankungen, die wir
direktheilend beeinflussenkonnen, sind die einer chirur-
gischen Behandlung zuganglichen. Das Gebiet
dieser Krankheiten ist in neuerer Zeit in fortwahrender
Erweiterung begritTten.
Abgesehen von direkten Traumen des Nerven-
systems gehoren hieher von
a) Gehirnerkrankungen, die genau lokalisier-
baren Herderkrankungen (Tumoren, Knochen-
splitter, Eiterherde), wenn sie der Rinde nahe
liegen ; bei Eiterherden ist auch Explorativ-
trepanation und Punktion durchaus zulassig.
Bei Hirndruckerhohung, H}'drocephalus kann
durch Trepanation und event. Punktion des
Ventrikelsystems voriibergehend Besserung er-
zielt werden (auch Lumbalpunktion ist mit Erfolg
angewendet worden). Cariose Knochen- und
Gelenkeiterungen , die auf das Nervensystem
schadigend einwirken, unterliegen natiirlich der
chirurgischen Behandlung. Ob die Jackson'sche
Epilepsie chirurgisch stets mit Erfolg zu be-
handeln ist, unterliegt noch dem Streite, bei
genuiner Epilepsie verzichtet man besser.
126
Von Tumoren ha ben bisher nur die wenigsten
sich als operabel erwiesen, wahrend die Erofif-
nung der Gehirnabscesse schon ausgezeichnete
Resultate ergeben hat.
p) Riickenmarkserkrankungen.
Ausser den durch Verletzungen verursachten
Erkrankungen ist besonders die Compressions-
myelitis (Tumoren, Caries) operativ behandelt
worden. Doch sind die Resultate bis jetzt
nicht ermutigend. Die Unsicherheit der Dia-
gnose sowohl nach Art als nach genauer Loka-
lisation, die schwere Orientierungsmoglichkeit
auf dem Operationsfeld und andre Momente
kommen in Betracht. Doch sind in der Folge
bessere Resultate sicher zu erwarten fur die
fri-ihzeitig zur Operation kommenden Falle, in
denen schwerere, nicht mehr reparierbare Stor-
ungen in der Nervensubstanz (sekundare De-
generationen !) noch nicht eingetreten sind.
Wo aber solche Degenerationen als sicher
eingetreten anzunehmen sind, muss der Erfolg
ein sehr geringer bleiben (vielleicht Linderung
der Schmerzen zu erreichen).
7) Per i pher ische Nerve n.
Hier sind die besten Resultate bisher erzielt
worden , weil die Regenerationsfahigkeit der
Nerven eine bedeutend bessere ist, als die der
Ruckenmarks- und Gehirnsubstanz. Langere
Zeit nach eingetretener Continuitatstrennung ist
eine vollkommene Heilung des Nerven noch
moglich. Narbige Prozesse, Tumoren, die durch
Compression schadlich wirkten, werden schon
von jeher mit bestem Erfolge operativ behandelt.
Durch pjastische Operationen kann man die
Heilung einer Continuitatstrennung des Nerven
beschleunigen.
Wichtig fijr die erfolgreiche chirurgische Be-
— 127 -
handlung ist wie gesagt: eine friihzeitige
unci pracise Lokalisations-Diagnose.
J. Sxm^tomattsche Therafic.
Dieselbe kann mit voUkommenem Effekt an-
gewendet werden in alien Fallen, in denen schwerere,
degenerative Processe nicht eingetreten sind.
Degenerative Zell-Faser-Muskelerkrankung bieten
bisher eine ganz ungiinstige Prognose, insbesondere
wenn sie centralen Ursprungs sind. Einzelsymptonie
sind einer Behandlung und audi (meist voriiber-
gehenden) Besserung fahig.
a) P s y c h i s c h e Behandlung.
Ruhiger Zuspruch, verniinftige Aufklarung, Zuriick-
fiihrung iibertriebener Besorgnisse auf ihr richtiges
Mass, oft auch eine gewisse diktatorische Strenge
sind von grossem Einfiuss.
Ungeheuer wichtig ist, dass der Arzt das voU-
kommene Vertrauen des Patienten besitzt. Man er-
wirbt dasselbe durch exakte Untersuchung und vor-
sichtige Stellung der Diagnose.
Exakte Untersuchung als solche ist haufig schon
ein psychisches Beruhigungs- und man kann sagen
Heilmittel ersten Ranges. Die hypnotische Behandlung
wende man nur in solchen, physisch zu behandelnden
Fallen an, wo man mit dem obigen Verhalten nicht
zu Stande kommt; Erfolge sind zvveifellos, haufig aber
nicht nachhaltig, nicht seiten wirkt die Behandlung
auch ungiinstig.
Nur der speziell hiefiir geeignete und mit alien
Zustanden der Hypnose wohl vertraute Arzt hat aber
das Recht, eine hypnotische Behandlung ausiiben zu
diirfen. Siehe VVeiteres unter Hysteric.
b) Physikalische Behandlung.
Die Regelung der Erna h run g, des SchlafeSy-
derRuhe geschieht nach den iiblichen Grundbegriffen.
Man suche, wo immer moglich, ohne kiinstliche Mittel
— 128 —
auszukommen. Massigung, noch besser Abstinenz von
alcoholicis, Beseitigung des noch immer von Laien,
Apothekern iind Aerzten gepredigten unsinnigen
Dogmas von der ,,nervenstarkenden Kraft" des Weines!
Empfehlung von Obst, Cacao, Thee, Malzkaffee
event. Obstweinen als Genussmittel.
Hy dr o therapi e. Ktihle (nicht ^u kalte) Ab-
reibungen, Douchen, klihle (20 — 24°), warme (25 bis
30^ R.) Bader, Einwickelungen, auch heisse Wasser-
Brei-Umschlage kommen zur Anwendung. Nach warmen
Badern folge stets kiihle Abreibung.
Der Aufenthalt in (bes. kleineren) Badern (See-
bader, Gebirg) wirkt oft unberechenbar gunstig. Mas-
sag e, Gymnastik nach jevveihger Angabe des Arztes
ausgefiihrt, ist oft empfehlenswert.
Die Elektricitat, in ihrer Wirkung, ob in-
direkt (psychisch) oder direkt heilend, vielfach be-
stritten, ist haufig das ultimum refugium.
Sie kommt als galvanische und faradische haupt-
sachlich in Anwendung Der galvanische Strom wirkt
tiefer eingreifend, der herrschenden Ansicht gemass,
als der faradische. Der galvanischen Behandlung iinter-
liegen mehr die schmerzhaften und central gelegenen
Erkrankungen (die Anode wirkt beruhigend, die
Kathode erregend, also die Anode an die schmerz-
haften Stellen), der faradischen die peripherischen
Erkrankungen, besonders die Muskellahmungen.
Man operiere nie mit zu starken Stromen, nicht
ohne ein die Starke angebendes Galvanometer.
c) medikamentose Behandlung.
Sie bilde, wo nicht unbedingt anders erforderlich,
nicht das erste, sondern das letzte Mittel. das ver-
sucht wird.
Der oberste Grundsatz ist hiebei nil nocere, denn
viel helfcn konnen wir damit nicht oft, das Risiko ist
ein ungleichcs. Vermeidung unnotiger Geldausgaben !
Kinige Mittel wirken sichcr a>if die Ernahrung
— 129 —
ein: Arsen (acid, arsen. 0,005 — O-O^S, solutio Fow-
leri 5 — I 5 Tropfen pro die), Eiseii (Blaud'sche Pillen,
Eisen-Chinin, Eisen- Arsenpillen) .
Als beruhigende Mittel sind die Bromsalze
zu empfehlen (Bromkalium, Bromnatrium, Brom- Am-
monium, auch Gemische (5,0 — 15,0 pro die); auch
Antipyrin (1—2 gr) etc.
Als schmerzstillende Mittel haufig unent-
behrlich : O p i u m , M o r p h i u m (gruiidsatzlich nicht bei
Neurosen), Codein.
Als antineuralgis che : Antipy rin (1,0 — 2,0),
Chinin (0,5 — 1,5), Salicyl (iiatr. salicyl. 6 — lO gr
acid, salicyl. 2.0 — 5,0). Phen aceti n (o,5 — 1,5), Anti-
nervin (0,5 — 1,5), Salophen (0,5 — 1,5), Analgen
(1,0 — 2,0).
Als schiaferzeugende Mittel sind im Ge-
brauch: Sulfonal (1,0—2,0), Hypnal (0,5 — 2,0),
Trional (0,5 — 1,5), Chloral (1,0 — 2,0).
Ausserdem warden aus theoretischen Griinden viel
angewandt: Ergotin (0,05 — 0,3), Argentum ni-
tricum (0,01—0,05), Strychnin (0,001 — 0.005),
Atropin (0,0005 — 0,001 gr pro die) u. a., sind zum
Teil sehr gefahrliche Gifte und haben doch nur zweifel-
hafte Erfolge.
Einreibungen, Hautreize, sind oft von lindernder
Wirkung.
V. Abschnitt.
Spezielle Pathologic und Therapie.
(Tafel 69 — 78 und vorhergehende).
1. Die Erkrankungen der Haute und Blut-
o-efasse des Gehirns.
o
Solche Erkrankungen schadigen an der Convexitat
des Gehirns zunachst die dicht daran grenzende Rin-
densubstanz, an der Basis die austretenden Ge-
hirnnerven, am Riickenmarke die Wurzeln. Dar-
nach gestalten sich ihre nervosen Cardinalsymptome.
I. Pach\7neningitis interna haemorrhagica.
(Haematom der dura mater).
Wesen. Es bildet sich eine entziindliche , membranose
Auflagerung auf der Innenflache der dura mit (sekun-
daren ?) interstitiellen Bhitungen. Die Ursache ist un-
bekannt.
Die Erkrankung kommt vor bei Erwachsenen im
Gefolge des Alkohohsmus, Seniums, der Dementia
paralytica, aber auch selbstandig.
Verlauf. Die schubweise (entsprechend den Haemorrhagieen)
auftretenden Symptome bestehen in Kopfschmerzen,
Hirnrindenreizungs- und Lahmungserscheinungen (halb-
seitige Krampfanfalle, Hemiplegieen, Fieber)
Diagnose. Auszuschliessen sind : tumor cerebri (gleichmassig
progressiv), Haemorrhagia cerebri (selten Reizerschein-
ungen) , Meningitis (Verlauf, Basissymptome), Coma
uraemicum (Urin, Verlauf).
Therapie. Behandlung: Ruhe, Eisblase, Blutentziehung, Ca-
lomel 3X0,3)1 Drastika, symptomatisch (Hypnotika,
Morph.)
— 131 —
2. Lej)t omening itis aaiia. Convexitatsmeningitis.
a) Meningitis cerebrospinalis epidemic a.
(Tafel 53, i.)
Eine epidemisch aber auch sporadisch auftretende Wesen.
Infektionskrankheit, deren Erreger der Diplokokkus
Fraenkel ist. Seine Anwesenheit und Entwicklung
(Eindringen durch Nase, Verletzungen , Lymph-Blut-
bahn ?) wirkt entziindungserregend auf die weichen
Haute von Gehirn und Riickenmark. Es entsteht ein
seroses, dann eitriges Exsudat in den Maschen der
Pia, besonders der Convexitat der Gehirnhemispharen.
Die Erkrankung setzt ziemlich rasch ein, haufig Verlauf.
bei jugendlichen Personen, mit allgemeinem Unwohl-
sein, dann Auftreten heftigerKopfschmerzen, Erbrechen
(cerebrales Erbrechen), Frost. Rapide Verschlimmerung.
Herpes labialis, hohes anhaltendes Fieber, starke Leu-
kocytose, Auftreten von Nackensteifigkeit und Nacken-
sclimerzen bei Kopfbewegungen (Reizungssymptom
der obersten Halswurzeln), Bewusstseinstriibung sichern
die Diagnose. Es folgen Delirien, Rindenreizungs-
symptome (Convulsionen) auch Lahmungen (Mono-
hemiplegieen) , Hyperasthesie. Sodann tiefes Coma,
Trismus, Opisthotonus, Retentio urinae et alvi, Cheyne-
Stokcs'sches Atmen.
Bei schwersten Fallen exitus nach wenigen ( — 8)
Tagen (M. siderans), bei schweren protahierter Verlauf
bis 8 und mehr Wochen, doch ist Heilung auch
schwererer Formen moglich.
Residuen: Taubheit (Acusticuslasion), Blindheit,
Cephalalgie, Lahmungen. Hirnabscess.
Auszuschliessen: Typhus (langs. Beginn, kein Diagnose.
Herpes, keine Leucocytose), Pneumonic (Sputum,
Lungensymptome), Pyamie (Eiterherd, keine Nacken-
starre), Meningitis tuberculosa (Basissymptome, Nach-
weis der Tuberkulose), Meningitis purulenta (Eiterherd,
nicht epidemisch).
Behandlung : Ruhe, kiihle Wickel (Bader schmerz- Therapie.
— 132
haft)^ Eisbeutel, Blutentziehung (proc. mastoid.), Calomel
3Xo>3 Blasenpflaster auf Hiiiterkopf, Einreibung mit
grauer Salbe, Antipyretica, Narcotica.
b) Meningitis purulent a.
Wesen. Sie entsteht im Anschluss an bestehende eitrige
Processe im Ohr (Otitis media, Caries des Felsenbeins)^
Erysipel, Pyamie u. a. akute Infektionskrankheiten.
Die Erreger sind darnach verschieden (Streptokokkus
pyogenes, Streptok. erysipelat., Staphylokokk. aureus,
albus).
Anatomische P^ntwicklung wie bei a, die starksten
Eiterherde an der Convexitat, aber auch an andern
Stellen.
Verlauf. Beginn und Verlauf wie bei a. Etwas haufiger
vielleicht kommt es zur Lahmung der basalen Gc-
hirnnerven ; Neuritis optica , Pupillenveranderungen.
Diagnose. Diagnose wie bei a. Es ist besonders auf den Aus-
gangspunkt zu achten.
Therapie.
Wesen.
Behandlung wie a.
Chirureische Eineriffe.
Verlauf.
J. Meningitis tuberkiilosa, Basilarniemngitis.
(Tatel 53. 2).
Sie entsteht im Anschluss an primare Lungen-
Lymphdriisen-Knochentuberkulose , besonders haulig
bei Kindern. Die V'erschleppung der Tuberkelbazillen
in die Cirkulationswege der weichen Hirnhaute hat
die Entstehung von Miliartuberkeln dortselbst, sowie
die Bildung eines fibrinosen, sulzigen Exsudats an der
Basis mit eingelagerten miliaren Knotchen zur Folge.
Uebergreifen der Knotchen auf die Hirnsubstanz hat
die Bildung tumorenartiger Solitartuberkel zur Folge.
Die Erkrankung beginnt allmalig mit Un-
behagen, Kopfschmerzen, Erbrechen. Nach einiger
Zeit Steigerung zu Rindenreizerscheinungen, Delirien,
Convulsionen (cri hydrencephalique bei Kindern),
trismus, irregularitas cordis.
Somnolenz, Temperaturen bis 39°, unregelmassiges
Fieber, Nackenstarre. Coma.
^35
Sodann I.ahmung einzelner Gehirnnerven (oculo-
motorius, facialis, abducens), Monoplegieen, Aphasie.
Kxitus.
Auszuschliessen : Meningitis purulenta (s. d.).
Bestatigung der Diagnose durch den Nachweis
von T. B. im Sputum, in der Punktionsfliissigkeit aus
dem Lumbalraum des Ruckenmarks. Chorioideal-
tuberkel. Behandlung wie bei 2.
J. Meningitis syphilitica^ gummosa iind Gehirnlues.
(Tafel 55, I).
Sie entsteht in der sekundaren und tertiaren
Periode der Syphilis, frijhestens einige Monate nach
der Infektion im wesentlichen durch die charakter-
istische syphilitische Neubildung (Gummabildung, In-
filtration, Verkasung) in den weichen Hirnhauten be-
sonders der Basis cerebri mit besonderer Beziehung
zu den dort verlaufenden Blutgefassen. Man unter-
scheidet drei Formen der Gehirnlues.
a) Die eigentliche diffuse basale Meningitis
syphilitica (Schwartenbildung, auch herd-
formige Lokalisation), die Symptome sind der
Hauptsache nach die der basalen Meningitis
tuberkulosa.
b) Die isolierte Gummabildung in den Hauten,
selten in der Gehirnsubstanz , die Symptome
sind die eines Gehirntumors.
c) Die mit eigenartigen Gefassveranderungen (End-
arteriitis luetica) einhergehende Form mit und
ohne diffuse oder herdformige gummose Menin-
gitis. Hiebei sind die basalen Gefasse durch
die krankhafte latimawucherung in ihrem Lumen
verengt , es kommt leicht zur autochtonen
Thrombenbildung mit seinen Folgen , der
Nekrose (s. Embolie).
Diese Einzelformen kommen auch gemischt vor
und so ist das Symptomenbild der Lues cerebri ein
sehr variierendes.
Wesen.
— 134 —
Auch die Intensitat der Symptome ist eine
wechselnde. Exacerbationen, Remissionen losen sich ab.
Verlaut. Der Bcginn erfolgt mit meningitischen Symptomen
(Kopfschmerzen, Erbrechen), sodann Antalle von Be-
wusstseinsstorungen , Extremitaten-Lahmungen, Con-
vulsionen, Demenz, Apathie verbunden mit Lasion
basaler Nerven (Atrophia optici, Neuritis optica, oculo-
motorius-facialislahmung etc.). Polyurie , Polydipsie
kommt vor.
Die Hemiplegieen (durch Erweichungsprocesse
bedingt) treten in mehrfachen Attaken au.f, Aphasie,
Epileptische Zustande komplizieren das Biid.
Heilung ist moglich , doch/ bestehen haufig
Lahmungen als Residuen,
Zur Diagnose ist der Nachweis stattgehabter In-
fektion das wichtigste (Aborte , Narben , Driisen).
Auch ex juvantibus ist bei suspecten Zustanden nach-
traglich die Diagnose festzustellen.
Wo eine auffallend verlaufende Meningitis diag-
nosticiert wird, denke man an Lues.
Behandlung : Schmierkur, Jodkali (s. allg. Teil).
Symptomatisch.
5. Sin usthr om bose.
Wesen. Die Gerinnung des Blutes in den venosen Sinus
tritt meist sekundar im Anschluss an andere benachbart
lokalisierte,besonders entziindlicheErkrankungen, durch
Uebergreifen des Processes (Phlebitis) auf die Sinus-
wand statt. (Caries, Osteomyelitis des Felsenbeins^
proc. mastoideus; bei Meningitis purulenta, Gehirn-
abscess, Phlegmonen), aber auch spontan (bei Senilismus:
marantische Thrombose, Chlorose, Kachexie).
Der Sitz der marantischen Thrombose ist haufig
im Sinus longitudinal, sup. und sin. transversus. Bei
Ohrafifektionen im sin. transversus.
Bei eitrigem Zerfall der Thromben durch sekun-
dare Infektion kommt es zu metastatischer Fyamie
(durch Vena jugularis — rechtes Herz in die Lunge).
— ^05 —
Die Symptome wechseln nach dem Sitz. Verlauf.
Meningitische Symptome (Kopfschmerzen, Erbrechen,
Convulsionen , Coma) sind meist vorhanden , auch
Lahmung-en, Nackensteifigkeit. Bei Thrombose des
sin. transversus ist Oedem iiber dem proc. mastoideus
(Stauungsymptom) , mangelhafte Fiillung der Vena
jugularis int. dieser Seite, rascherer Abfluss des
Blutes aus der Ven. jug. externa, vorhanden ; bei
Thrombose im sin. cavernosus besteht Stauung in den
V^enae ophthalmicae, Lidodem, Chemosis, protrusio
bulbi, Augenmuskellahmung (oculomot. und abducens
-Ziehen durch, respekt. in der Wand des sinus); bei
Thrombose im sin. longitud. sup. Stauung in den
Nasenvenen (Nasenbluten).
Die Diagnose ist nicht immer mit Sicherheit mog- Diagnose,
hch, da die Symptome des Grundleidens (Abscess,
Meningitis) oft iiberwiegen. Sicher wird sie nur durch
das Aufreten der oben crenannten Stauuno;serschein-
ungen.
Behandlung : eventueil chirurgisch (Eroffnung und Therapie.
Tamponade) sonst symptomatisch.
6. Arterienerkranktingen und ihre Folgen siehe
Hamorrhagie, EmboHe, Aneurysmabildung im nachsten
Abschnitt.
II. Die Erkrankungen der Gehirnsubstanz.
A. Organische Erkrankungen.
/. Cirkulati07isstdrungen tmd ihre Folgezttstdnde .
a) Anamie und Hyperamie des Gehirns.
Beide treten entweder als voriibergehende oder
andauernde Einzelsymptome bei verschiedenen Erkrank-
ungen auf (Erschopfungszustande, im Fieber, bei Ana-
mieen alier Art).
Voriibergehende Gehirn- (besonders Rin-
den-) anamie fiihrt zu Ohnmachtsanfallen ; an-
dauernde Anamie (nach Bhitverlusten, sekundaren
und primaren sonstigen Anamieen) zu Storung des
136
Wesen.
Allgemeinbefindens, Somnolenz , Mudigkeit, Ohren-
sausen, Schwindel, Brechreiz, Gahnen.
Rehandlung durch Salzwasserinfusion, horizontale
Lage, Klystiere, Hautreize bei akuter, Roborantien,
Eier-, Milch-Ernahrung, Eisen , Arsen und sympto-
matisch bei chr o nischer Anamie (der Alkohol [Rot-
wein !] ist vollkommen iiberflussig, eher schadlich bei
der Behandlung der Anamie).
Auf hyperamische Zustande fiihrt man bei
bestehendem Habitus apoplecticus, bei Plethora, An-
falle von Hitzegefiihl, Herzklopfen, Schwindel, Einge-
nommenheit des Kopfes u. a. zuriick (hiebei spielt
wohl die Arteriosklerose eine grossere Rolle als nach-
weislich ist).
Behandlung : Regelung der Lebensweise , des
Alkoholgenusses, Tabakgenusses, Bader, Marienbader-
kuren, Bewegung, Controlle der Herz-, Nierenthatigkeit.
b) Die Gehirn-Hamorrhagie. (Tafel 59,1
und 2 ; 60,i).
Die Neigung der Hirnarterien zur Bildung kleinster
(miliar-) und grosserer Aneurysmen und die Ruptur
dieser Aneurysmenwande fiihrt zu den mannigfachsten
Schadigungen der Gehirnsubstanz. Auch die Berstung
kleiner Aneurysmen kann die schwersten Folgen
haben, wenn gerade wichtige Bahnen oder Centren
durch die Blutung betroffen und zerstort werden.
Solche Miliaraneurysmen bilden sich an alien Ge-
hirnarterien, am haufigsten aber an den Asten der
Art. fossa Sylvii, deren wichtigster Ast (die Arteria
Fig.
3 S. 18) mit am
haufigsten
lenticulostriata, siehe
betroffen wird.
Durch den
substanz wird diese zertriimmert in mehr oder weniger
Blutercfuss in die benachbarte Hirn-
grossem
sistiert
Erg-usses
Umfange.
die Blutung
erfolgter
Thron'ibenbildung
Nach
und es erfolgt die Resorption des
und teilweise bindegewebige Umwandlung
(s. allg. Teil), auf der Oberflache bleibt ein Defekt,
im *Innern des Gehirns eine Cyste zuriick.
— 137 —
Die verschiedenen Ursachen, die zu dieser Aneii-
rysmabildung fiihren, sind die Arteriosklerose im Ge-
folge von chron. i\lkoliolismLis, Syphilis, Gicht, Ne-
phritis chronica und anderen unbekannten Ursachen.
Die wichtigste Lokahsation einer Blutung ist die
in der Gegend der Grosshirnstammganghen und der
benachbarten Markteile (innere Kapsel). Diese Gegend
wird insbesondere von dem oben genannten Ast der
Art. fossae Sylvii versorgt, sie ist wegen der Haufig-
keit der Blutung aus ihr von Charcot artere d'he-
morrhagie genannt worden.
Die Hamorrhagie bedingt die Erscheinungen der Verlauf.
Apoplexia cerebri, des Gehirnschlages. Nach
Ablauf der anfanglichen „Insult"- Erscheinungen
bleibt als Residuum die Lahmung, die Hemiplegie.
dauernd zuriick. Dem Eintreten des apoplektischen
Insuites gehen gewisse ,,Vorboten" (Prodomalien) vor-
aus. Dies sind Cirkulationsstorungen (Kopfschmerz,
Schwindel , Ohrensausen , leichte Schwachezustande).
Haufig aber tritt der Schlaganfall auch ohne
diese Vorboten ohne ausseren Anlass oder bei korper-
lichen Anstrengungen , Aufregungen blitzartig ein.
Dem Patienten wird schlecht, er wird schwindlig,
verwirrt und stiirzt rasch bewusstlos zusammen. Dies
der Insult. Er kann nun nur einige Minuten bis zu
mehreren Tagen andauern, je nach der Schwere des
Falles. Im Insult liegt der Kranke voUkommen be-
wusstlos und reaktionslos da, die Atmung ist lang-
sam, schnarchend, oft aussetzend, Pupillarreflex oft
undeutlich , Extremitaten unbeweglich , fallen beim
Erheben durch Andere losgelassen schlaff herab
(auch leichte spastische Erscheinungen kommen vor).
Es besteht Retentio urinae et alvi, manchmal deviation
conjugue derBulbi. Die Temperatur kann verschieden
sein, subnormal, normal, oder auch (besonders sub
linem) extrem gesteigert sein.
Tritt der exitus nicht im Insult ein (von der
Grosse und Lokalisation des Herdes abhangig), so er-
- 138 -
wacht der Kranke allmahlig aus der Betaubung, kommt
zum Bewusstsein und haufig lasst sich erst jetzt die
Form der restierenden Lahmung genauer bestimmen.
Die Lahmungserscheinungen direkt nach dem
Insult sind haufig viel umfangreicher als sie sich schliess-
lich (nach einigen Wochen) herausstellen. Diese im
Lauf der ersten Wochen sich zuriickbildenden Symp-
tome nennt man ,,indirekte Herdsymptome",
sie hangen von der Fernwirkung des Herdes durch
Druck auf benachbarte Telle ab und schwinden gleich-
zeitig mit der eintretenden- Erholung dieser Gehirn-
abschnitte.
Die direkten Herds ymptome, durch die
Zertri-immerung bestimmter Bahnen und Centren be-
dingt, sind dagegen irreparabel, andauernd.
Entsprechend der verschiedenen Lokahsation und
Ausdehnung der Hamorrhagie konnen die direkten
bleibenden Symptome recht verschiedene sein. von
der leichten voriibergehenden (passagertyi) Hemiparese
bis zur schweren totalen Hemiplegie mit Hemian-
asthesie, Hemianopsie. Blutungen in der hnken Hemi-
sphare konnen natiirhch haufig zugleich auch Aphasie
in ihren verschiedenen Formen bedingen. Blutungen
im Marklager konnen symptomlos bleiben, solche im
Hirnstamm konnen die Hemiplegia alternans zur Folge
haben, (Naheres siehe /\bschnitt IV, 3).
Die betroftenen Muskeln zeigen eine spastische
Lahmung mit Neigung zur Contrakturenbildung ohne
degenerative Atrophie. *) Die Sehnenreflexe sind ge-
steigert, die Hautreflexe der gelahmten Seite haufig
herabgesetzt (s. v.)
Auf der hemiplegischen Seite konnen choreatische,
athetotische Reizerscheinungen auftreten (posthemi-
plegische Hemichorea, Hemiathetose).
Bei ausgedehnten oder (was haufiger ist) vvieder-
*) In seltenen Fallen ist auffallend rasch eintretende Atro-
phic auch beobachtet worden, (Thalnmuslasion?) cerebrale Atrophie;
des hemiplegischen Ganges (Nachschleifen) ist oben S. 102 gedacht.
— 139 —
holten Blutungen verfallt die Intelligenz des Indivi-
duums, es tritt krankhaft gesteig-erte Rcizbarkeit, auch
voUkommenc sekundtire Demenz ein.
Auszuschliessen bei der Insultdiagnose: uramisches Diagnose.
Coma(Urin), diabetisches Coma(Acetongeruch, Zucker),
extrameningeale Blutung aus der a. mening. media
bei Schadelfraktur (Anamnese, typischer Verlauf des
wachsenden Hirndrucks), Gehirnembolie (jugendliches
Alter, Herzerkrankungen, leichterer Insult) Pachymenin-
gitis (s. d.).
Topische Diagnose nach Absatz IV, 3,1.
Behandlung: propbylaktisch s. Hyperamie. Therapie.
Im Insult: Eisblase, Ruhe , Sorge fiir Harn-,
Faces-Entleerung, Aderlass, Excitantien.
Nach dem Insult: Beruhigung, gymnastische Ueb-
ungen, Elektricitat, Massage, Badekuren (Salz-, Moor-
bader) Symptomatisch.
c) die Gehirnembolie (und Thrombose). (Tafel
56,2).
Die Embolic entsteht durch Verschleppung von Wesen.
Fibringerinseln in den Gehirnarterien und durch Ver-
stopfung eines kleinen Astes mit denselben. Das em-
bolische Material stammt meist aus dem linken Herzen
(P2ndocarditis mitralis, Aortae). Es passiert die Carotis .
interna und bleibt je nach seiner Grosse in den Gehirn-
gefassen erster, zweiter, dritter Ordnung stecken,
haufig in der Art. fossae Sylvii, haufig der linken (!)
Seite. 1st nun durch die Verstopfung des Lumens
der von dem Gefasse versorgte Gehirnbezirk ausser
Zirkulation gesetzt, so muss er, da die Hirnarterien
Endarterien sind und also die Anastomosenbildung nicht
ausgiebig als Ersatz eintreten kann, der Nekrose ver-
fallen, er erweicht (s. allg. Teil), der Inhalt des Er-
weichungsherdes wird resorbiert und es bleibt schliess-
lich auf der Oberflache ein Defekt (gelbe Platte), in
der Gehirnsubstanz cine Cyste dauernd zuriick.
Auch ohne embolische Prozesse kann es durch
autochtone Thrombenbildung in den Gehirnarterien
140 —
(Endarteriitis luetica obliterans, Arteriosklerose) zum
Gefassverschluss und seinen Folgen kommen. Er-
weichungsherde finden sich haufig multipel.
Verlauf. Die kliiiischeii Erscheinungen sind, je nach der
verstopften Arterie, verschieden, im grossen und ganzen
dieselben wie bei der Hamorrhagie.
Die Embolie verursacht einen apoplektischen In-
die Blutune, der comatose Zustand dauert
haufig
weniger lang und ist nicht so tief wie bei
suit wie
aber
der Blutung.
\^orboten konnen bei der Embolie besonders aber
bei der autochtonen Thrombosierung zahlreicher und
schwerer sein.
Auch hier bestehen direkte und indirekte Herd-
symptome. Die indirekten bilden sich aber rascher
zuriick und beruhen auf der an der Grenze des Herdes
immerhin stattfindenden Anastomosenbildung. Was
nicht nach einigen Tagen sich zuriickgebildet hat,
bleibt als direktes Herdsymptom irreparabel.
Je nach dem Sitze restieren rasch verschwindende
Hemiparesen , dauernde mehr oder weniger ausge-
breitete Hemiplegieen, Aphasieen haufiger als bei Blut-
ung, alternierende Lahmungen , Hemianopsie u. s. w.
Diagnose
s. Hamorrhaeie.
Behandlung ebendaselbst.
d) Aneury smabi Idung. (Tafel 54,1).
Am haufigsten bilden die
Basisarterien erossere
Aneurysmen. Durch die Compression der Gehirn-
substanz, der austretenden Gehirnnerven, der Pyramiden-
bahn (in Pons , Medulla oblongata) kommen alter-
nierende Hemiplegieen zu stande.
Bei Aneurysma der Carotis interna besteht pul-
sierender Exophthalmus.
e) Arteriosklerose der Gehi rnarter i en.
Diese fiihrt abgesehen von der Neigung zu Ha-
morrhagieen , Thrombenbildung (Erweichungsherden)
und Aneurysmen zu einer Reihe von Erscheinungen,
wie sie bei der Flyperamia cerebri angegeben sind.
— 141 —
Leichte Hemiparesen , voriibergehende Schwindel-
anfalle, Sehstorungen etc. beruhen auf zirkulatorischen
Storungen verschiedener Art.
Behandlung s. Hyperamie.
2) Entzilndltche Jirkrankungen der Gehirnsubstanz .
a) der Gehir nabs cess.
Die herdweise Eiteransammlung im Gehirn kommt Wesen.
vor im Anschluss an Schadeltraumen, an andersartige
entziindliche Prozesse (Meningitis purulenta, Caries,
Otitis media, Osteomyelitis, Pyamie , Lungenabscess).
,,Idiopathisch" nennt man Abscesse ohne auffmdbare
primare Affektipn.
Am haufigsten sitzen die Abscesse im Schlafen-
lappen und im Kleinhirn (bes. im Anschluss an Ohr-
erkrankungen).
Als P2rreger sind gefunden worden: Staphylok.
aureus, Diplokokkus Frankel, Streptokokkus pyogenes,
der Soorpilz, Tuberkelbacillen u. A. Verlauf.
Charakteristisch fur den Gehirnabscess ist die
mogliche langjahrige fbis 10 Jahre beobachtete) Latenz
eines abgekapselten Eiterherdes, die dann plotzlich,
manchmal ohne nachweisbare Ursachen zu stiirmischen,
schweren Herdsymptomen ijbergehen kann (Durch-
bruch in den Ventrikel, nach aussen).
Die Erscheinungen des Gehirnabscesses sind teils
Lahmungs- (Herd-) teils Reizungssymptome. P>s sind an-
haltcnde dumpfe Kopfschmerzen, Erbrechen, Scbwindel,
unregelmassiges (auch zeitweise fehlendes) Fieber,
komatose Zustande, Konvulsionen und die verschie-
densten Herdsymptome (Hemiplegie, Hemianopsie,
epileptiforme Anfalle), bei Kleinhirnabscessen cerebellare
Ataxic.
Bei drohendem Durchbruch (extrameningeal)
steigern sich die Symptome.
Nicht selten besteht auffallige Kachexie, Apathie.
Ausschliessen : Tumor cerebri (fast stets Stauungs- Diagnose,
papille, kein Plcber). Nachweis eines primaren Eiter-
— 142
ausschlagg-ebender
Bedeutung ,
voran-
herdes von
gegangenes Trauma.
Therapie. Behaiidlung: nur chirurgisch (Trepanation, Probe-
punktion, Erofifnung).
b) akute (nicht eitrige) Encephalitis.
Wesen. Es gibt vei'schiedene hiehergehorige und ihrem
Wesen nach noch unbekannte Prozesse.
7.) PLine h a morrh agische Form, bei der es
unter entziindlichcn , akut auftretenden Er-
scheinungen zur Bildung entziindlich-hamor-
rhagischer kleiner Herde kommt, die massen-
haft in der Hirnrinde und in den Central-
ganglien auftreten (infektios? tpxisch?)
Verlauf. I^ie Symptome setzen sich zusammen aus
meningitischen und Herderscheinungen, welch
letztere nach dem Sitz verschieden sind. Die
Verlauf.
Prognose ist nicht immer
ungiinstig.
[j) Eine ahnliche Form fiihrt (bei chron. Alkoholis-
mus) zu zahlreichen kleinen Blutungen im Hirn-
stamm, besonders in der Umgebung des Aequa-
ducts unter den Vierhiigeln. Sie bedingt Augen-
muskellahmungen (Ophthalmoplegia acuta).
Y) Sodanngehort hieher z. T. der der ^,cer ebral en
Kinder la hmung" zu grunde liegende, seinem
Wesen nach noch wenig gekannte Prozess
(Tafel 54, 2). Diese P'orm der Kinderlahmung
kommt angeboren oder meist in friihester Kind-
heit ervvorben vor (verschiedene Prozesse }).
In den ersten Lebensmonaten erkranken die
Kinder plotzlich mit schweren meningitischen
Erscheinungen, die sich aber bald zuriickbilden.
Ihnen liegen entzijndliche Prozesse in den Central-
windungen zu grunde, die als Residuen nach
der Abteilung Narbcn, Defekte (PorencephaHe)
in den bcfallenen Hirnvvindungen zuriicklassen.
Infolgedessen bleiben auch als klinische Symptome
nach RuckbildunGf der Anfaneserscheinunfren cerebrale
Gli ederlahm ungen zuruck, die
Lahmungen
sind
— 143 —
natiirliche spastische. (Bci doppelseitigen Herden :
spastische Paraplegieen). -Das Wachstum der gt'lahmten
Glieder (eines Armes, Beines, der ganzen Seite) bleibt
hinter dem der anderen Seite betrachtlich zuriick, es
kann die ganze Korperhalfte atrophisch bleiben (Hemi-
atrophia spastica).
Auch Reizerscheinungen (epileptiforme Anfalle,
durch die Reizung der Rindennarbe bedingt, Athetose)
sind haufig.
Behandlung: symptomatisch. s. Meningitis. Therapie.
j) Der Tumor cerebri. (Tafel 60, 2).
Tumoren konnen im Schadelinnern sich entvvickeln Wesen.
nach Traumen, metastatisch von anderen Geschwiilsten
im Korper aus und spontan.
Sie konnen entstehen:
vom Knochen aus (Sarcom, Carcinom, Osteom,
Gumma).
von den Hauten aus (Sarcom, Carcinom, Fibrom,
Solitartuberkel, Gumma.)
von den Blutgefassen aus (Gummata, Aneu-
rysmen).
in der Gehirnsubstanz (Gliom, Sarkom, Car-
cinom (metastatisch und primar), Cysticerken).
Die haufigsten sind das Gliom, Gumma und Sar-
com bei Erwachsenen, der Solitartuberkel beim Kinde.
Je nach den Grossenverhaltnissen, der Wachs-
tumsschnelligkeit , der Multiphcitat und dem Sitze
wechseln die Symptome.
AUe Tumoren haben eine Reihe von Symptomen
gemeinsam, die auf der Anwesenheit eines wachsenden
Fremdkorpers im geschlossenen Schadelraum beruhen
(allgemeine Tumorsymptome) , die anderen hangen
hauptsachlich vom Sitze ev. der Art des Tumors ab.
Die All g em ei nsymptome des Hirntumors verlauf.
sind verursacht durch die Raumbeschrankung in der
Schadelhohle und den dadurch wachsenden intrac-
kraniellen Druck, der sowohl auf das Gehirn in toto
— 144 —
als auf seine Blut- und Lymphcirkulation schadigend
einwirkt.
Diese Symptome sind :
a) Der Ko pfsc hmerz (anhaltend, diffus, dumpf,
intensiv),
b) cerebrales (von der Nahrungsaufnahme nicht
abhangendes) Erbrechen, anfallsweise auf-
tretend), ^
c) Schvvindel, Benommenheit, Schlafsucht.
d) Pulsverlangsamung,
e) apoplektiforme und epileptiforme Anfalle,
f) Strnmngsfafille (event. Neuritis optica) (siehe
Abschnitt iV, S.iii), das Cardinalsymptom
des Hirntumors.
Die Herdsymptome in direkte (Herd-) und
indirekte (Fernwirkungssymptome) zerfallend sind
nach dem Sitze sehr verschieden und bestehen aus
Mono-, Hemiplegieen, event, mit gekreuzter Hirn-
nervenlahmung , Hemianasthesie, Hemianopsie, cere-
bellare Ataxie (Vierhugel, Kleinhirn), Aphasie-, basalen
Symptomen (siehe Genaueres bei Herderkrankungen
Abschnitt IV, 3).
Doch konnen Herderscheinungen auch fehlen,
event, nur angedeutet sein.
Vierhiigeltumoren konnen Hydrocephalus internus
acutus infolge verhinderten Abschlusses durch Druck
auf die Vena magna Galeni des III. Ventrikels (Gross-
hirnschlitz) verursachen (s. Hydroceph. f.).
Diagnose. Diagnose: zuerst wird aus den Allgemein-
symptomen ein tumor cerebri diagnosticiert.
Ausschliessen: Abscess (s.d), Hydrocephalus (s.d.).
Sodann der Sitz mit Beachtung der in Abschnitt IV, 3
angegebenen Herdsymptome fur Schadelbasis (vord.,
mittl., hintere Grube), Grosshirnhemispharen nach den
einzelnen Lappen , Hirnstamm, (Vierhugel, Pons),
Cerebellum. Fiir die topische Diagnose kommen nur
die direkten Herdsymptome (anhaltend, progressiv),
nicht die indirekten (voriibergehend, in der Intensitat
— 145 —
schwankend) in Betracht. Doch ist eine Scheidung
nicht immer moglich. Sodann ist die Abgreiizung
der Ari( des Tumors zu versuchen (Metastasen be-
achten, Tuberkulose, Lues), auch der Sitz ist fiir
manche Tumorarten charakteristisch :
Basistumoren (Gummata, Sarcome). Gehirnsub- Diagnose,
stanztumoren (Gliome). Kleinhirn-Ponstumoren (Soli-
tartuberkel, Gliome). Sarcome haben rasches, Gliome
iangsames Wachstum.
Behandlung : beim geringsten Verdacht Schmier- Therapie.
kur und Jodkali. Wenn Rindentumoren: \^ersuch des
operativen Eingriffs (s. allg. Therapie).
Sonst symptomatisch, Narkotika, Brom.
^. Hydroce-phalus mternus.
Man versteht darunter pathologisch vermehrte An- Wesen
sammlung von Liquor cerebrospinalis im Ventrikel-
raum (Seiten- und IIL Ventrikel).
Hydrocephalus externus = Fliissigkeitsansamm-
lung im Subarachnoidealraum, welcher mit den Ven-
trikeln kommuniciert. Hydrocephalus internus kommt
angeboren und erworben vor. Als Ursache wird teils
eine entziindliche Erkrankung des Ventrikelependyms
und der Plexus chorioidei, teils eine Verlegung des
Abflusses aus dem IIL Ventrikel durch entziindliche
Veranderungen angenommen.
Erreicht der Hydrocephalus hohere Grade, so
kann es zu Abplattung der Hirnwindungen, bedeutender
Verschmalerung der Hirnsubstanz durch Druckatrophie
komm.en. Der Schadelumfang wachst iiber 50 — 60 cm
(^normal unter 50 bei Kindern). Fliissigkeitsansamm-
lung im IIL Ventrikel Rihrt zu bauchiger x\usbucht-
ung des Ventrikelbodens und zu Druck auf die darunter
liegenden Gebilde (N. opticus, Chiasma [Hemianopsia
bitemporalis], oculomotorius, abducens).
Bei angeborenem Hydrocephalus, sowie bei dem Verlauf.
in friiher Kindheit sich entwickelnden besteht Idiotic,
10
— 146 —
auch spastische doppelseitige Lahmungszustande, epi-
leptische Anfalle. Die Kinder gehen bald zu Grund.
Bei Erwachsenen kommt es unter meningitischen
Erscheinungen (Kopfschmerzen , Erbrechen , Coma,
Neuritis optica, kein Fieber) unter Exacerbationen
und Remissionen zur Hydrocephalus - Entwicklung.
Stauungspapille kann vorhanden sein.
Diagnose. Tumor Cerebri ist nicht immer sicher auszu-
schliessen (keine Schadelumfangzunahme , raschere
Entwicklung der Tumorsymptome, hiebei keine Remis-
sionen).
Therapie. Behandlung : chirurgische Eingriffe (Punktion der
Ventrikel, des Lumbalraumes im Riickenmarkskanal)
sind von zweifelhaltem Nutzen, graue Salbe ausser-
lich, Calomel, Pustelsalbe (unguenl. tartari stibiat. aui
den rasierten Hinterkopf. Symptomatisch.
j". Dementia -paralytica ^ -progressive Paralyse.
Wesen. Die progressive Paralyse ist bedingt durch
einen Degenerationsprozess im Gehirn. Besonders in
der Hirnrinde gehen successive zahlreiche marklose
feinere und markhaltige Nervenfasern, wohl auch Zellen
primar zu Grunde. Im Stirnlappen sollen die Ver-
anderungen am starksten sein. Durch den P'aser-
untergang kommt es zu Rindenverschmalerung und
schliesslich zu Atrophic des gesamten Gehirns.
Ausserdem findet man noch chronisch entzund-
liche Gefass-^ Glia- und Hirnhautveranderungen, Hydro-
cephalus int. u. s. w.
Die Erkrankung findet sich haufig bei Mannern,
auffallend oft bei vorangegangener Lues, so dass man
sie mit der Tabes als Metasyphilis bezeichnet hat.
Auch im Anschluss an Traumen kommt sic vor.
Verlauf. Die Degeneration der nervosen Rindenelemente
fuhrt zu eincm fortschreitenden Verfall der geistigen
P'unktionen, derlntelligenz, des Charakters, des Erinner-
ungsvermogens, der Sprache (besonders der associa-
tiven Thatigkeit).
— 147 -
Die Charakterveranderung ist haufig das erste
hervortretende Symptom (Stumpfheit, Reizbarkeit,
Neigung 7.11 Kxcessen, Unfahigkeit zu geistiger Arbeit,
Immoralitat).
Kommt der Kranke jetzt zum Arzt, so ist auf
folgende charakteristische Symptome zu achten :
1) Pupi liens tarre (einseitig, beiderseitig, Un-
gleichheit der Pupillen).
2) Par aly ti sche S prachs toru ng (litterale
Paraphasie: Nachlassige . unkorrekte Sprache.
Auslassen und Versetzen von Bachstaben und
Silben (Silbenstolpern) s. unter Sprachstorungen
IV, 4.
Aehnlich kommt die paralyt. Schrift- und
Lesestorung vor (Auslassen von Buchstaben,
Silben, Wortern, Interpunktionen).
3)erloschener Patellar reflex. Dementia
paral. kann kombiniert mit tabischen Sym-
ptomen vorkommen , auch mit Seitenstrang-
beteiligung fReflexsteigerung).
4) Tremor der Hande^ Zunge, Zittern der Lippen
beim Sprechen.
Im weiteren Verlauf kommt es zu den para-
lytischen Anfallen, apoplektiform auftretenden Be-
wusstseinsstorungen mitoder ohneepileptiformeKrampf-
anfalle. Die bestehenden Lahmungserscheinungen ver-
schwinden nach dem Anfall wieder.
Der psychische Verfall schreitet vveiter, es kommt
zu Grossenwahnideen, Wutanfallen, Dazwisclien treten
Remissionen auf, wahrend derer der Kranke lange Zeit
wieder ganz ordentlich zu werden scheint, bis das alte
Leiden mit gesteigerter Heftigkeit wieder ausbricht.
Schliesslich tritt voUige geistige Umnachtung,
\^ertierung ein.
Exitus an Erschoplung, Schluckpneumonie nach
€inigen Monaten bis 2, 3 Jahren.
Auszuschliessen: schwere Neurasthenie (andauern- Diagnose.
10*
- 148 —
des Fehlen der objektiven Symptome), multiple Sklerose
(s. d.), Lues cerebri (ausgesprochene Herdsymptome).
Behandlung: wo moglich Anstaltsbehandlung^
symptomatisch. Antiluetische Kuren sind eher
schadlich.
6) Die Of/it/iahnoplegie.
Die beiderseitige Lahmung der Augenmuskelu
durch Erkrankung der Kerngebiete des Oculomotorius
unter den Vierhiigeln tritt bei verschiedenen Erkrank^
ungsformen ein.
a) a k u t e O p h t h a 1 m o p 1 e g i e.
Sie kann verursacht vverden ausser der oben
schon erwahnten hamorrhagischen Encephalitis
durch andere hamorrhagische, embolische Pro-
zesse, durch Tuinoren.
b)chronische progressive Ophthalmo-
plegie. (Tafel 62,3).
Sie gehort mit der folgenden progressiv.
Bulbarparalyse zu den systematischen Neuron-
zellenerkrankungen (s. Abschnitt IV, 3).
Es tritt eine langsam vorschreitende Zellatrophie
im Oculomotorius- etc. Kern auf, die ini Laufe der
Jahre zu einer totalen Lahmung samtlicher iiussereii
(selten inneren) Muskeln der Augapfel fiihrt (natiir-
lich schwinden auch die oculomot. Fasern).
Die Erkrankung kommt isoliert oder als Teil-
erscheinung bei Tabes, Dementia paralytica, Bulbar-
paralyse, multipl. Sklerose vor.
Behandlung: ev. antiluetisch.
7) Die Bulbarparalyse.
a) eine akute Form kann bedingt sein durch
thrombotische, emboHsche, entzundliche oder
hamorrhagische Prozesse.
Die meist apoplektiform eintretenden Sym-
ptome sind: Zungen-, Schlundlahmung, Stor-
ung der Phonation und Atmung, Facialis-Ab-
— 149 —
ducens-Trigeminuslahmung. Bulbare Sprache,
Extremitatenlahmung, rascher exitus (Atinungs-
Herzstorungen).
Behandlung : ev. antiliietisch.
b)die chronische progressive Bulbar-
paralyse. (Tafel 72,1; 56,1).
(Paralysis glosso-pharyngo-labiea-progressiva.) Wesen.
Ihr liegt ein langsam fortschreitender Zellschwund
in den Kerniagern der Medulla oblongata zu Grunde ;
besonders in den motorischen Kernen (periph. Neuron-
zellen) von Hypoglossus, Facialis, Vagus-Accessorius,
Trigeminus. Ausserdeni besteht haufig auch eine Er-
krankung der Pyramidenbahn und der Vordcrhorn-
zellen im Riickenmarck und es bestehen somit alle
Uebergange von der einfachen Bulbarparalyse zur
amyotrophischen Seitenstrangsklerose mit Bulbar-
s\'mptomen (s. Naheres unter „Systemerkrankungen",
^'^' 3)- .
Ueber die Ursache sind wir sehr wenig unter-
richtet.
Die klinischen Erscheinungen treten ungemein Verlauf.
langsam hervor. Zuerst werden Sprachstorungen bul-
barer Art (r, s, 1 werden zuerst schlechter ausgesprochen)
deutlich, sodann entwickelt sich doppelseitige Atrophie
(mit EaR) und Schwache der Lippen, Zunge, (fibrillare
Zuckungen), Schwache derSchling- und Stimmbildungs-,
seltener der Kaumuskulatur, die schliesslich zu fast
volikommener mimischer Gesichtsstarre (nur der untere
Facialis befallen), Salivation, Schling- und Sprach-
lahmung (Anarthrie) fiihrt. Sensibilitatsstorungen
fehlen.
Auch psychische Veranderungen (Neigung zum
Weinen etc.) und bei Erkrankung noch anderer Systeme
(Pyramiden etc.) spastische Extremitatenlahmung,
Muskelatfophie an der Hand (s. amyotr. Lateralsklerose)
konnen vorkommen.
Exitus an Erschopfung, Schluckpneumonie. Therapie.
Behandlung : symptom. Elektricitat, Bader, ev.
— ISO —
Sondenernahrung. (Arsen, Strychnin, Jodkali, Atropin
haben keinen Einfiuss).
Wir konnen weder die geschwundenen Ganglien-
zellen ersetzen. noch das F'ortschreiten des Prozesses
authalten.
Die Bulbarparalyse kann durch andere Erkrankungen vorge-
tauscht Averden.
a} Pseudobulbar paralyse ist bedingt durch doppelseitige
bes. Rindenherde (Enibolie. Blutung) in den Hemispharen
des Grosshirns. Hier konnen unter Umstanden (wenn das
Facialis-, Hypoglossus- etc. Centrum doppelseitig geschadigt
ist, die Symptorae der Bulbarj^aralyse ohne Muskelatrophie
erzeugt werden. (Es konnen aber zu gleicher Zeit auch
Heide in der Medulla vorkommen).
b) Bulbarparalyse ohne anatomischen Befund. Die Erkrankung
ist eine Vereinigung von buU^aren Symptomen mit Schwache-
zustanden auch anderer Extremiiaten- etc. Muskeln. Paresen
ohne Atrophia. Der anatomische Befund war bisher ein
negativer.
Diese Formen sind bei der Diagnose besonders
der akuten Erkrankung nicht immer sicher auszu-
schliessen. Auch die Hysteric und multiple Sklerose
kann ahnhche Bilder vortauschen. Man hat alle ein-
zelnen, oben genannten Punkte sorgfaltig zu erwagen^
8) Die Kleiiihirnerkranktmgen
sind unter Tumor und Abscess besprochen.
Andere Erkrankungen des Kleinhirns (Atrophic,
Sklerose) sind selten.
g) Die Sclerosis mtdti-plex cerebrosj)inalis
s. Ruckenmarkskrankheiten.
B. Gehirnerkrankungen unbekannten Wesens und
Sitzes (Gehirn-Neurosen).
i) Die Netirasthenie,
\Vesen. Sie bildet mit Hysteric, Hypochondrie den Uebcr-
gang zu den schvvereren psychischen Erktankungen
(Psychosenj.
Die Neurasthenic ist ein durch unzweckmassige
Erziehung und Lebensweise, Ucberanstrengung und
-- 151 ' —
Excesse aller Art, teils bedingter, teils (bei hereditarer
Belastung) ausgeloster anhaltender Zustand krankhafter
Schwache und Reizbarkeit von psychischen und korper-
lichen Funktionen.
Der Kranke ist verstimmt (Angstzustande), reiz-
bar, die Willensstarke und Leistuiigsfahigkeit ist herab-
gesetzt, besonders besteht auffallender Mangel geistiger
Concentrationsfahigkeit.
Von andern Zustanden ist besonders zu erwahnen :
die leichte Ermiidbarkeit, krankhafte Reizung zur
Selbstbeobachtung (Nosophobie, Syphilidophobie etc.),
die Schlaflosigkeit, der Kopfdruck, das Zittern, Herz-
klopfen.
Eine Reihe korperlicher anderer Symptome kann
das Bild komplicieren, abnorme Sensationen aller Art,
Schmerzen, Storungen der Magen- (Hyperaciditat,
nervoseDyspepsie), Darm-, Sexualthatigkeit. Siehe auch
Beschaftigungsneurosen w. u.
In schweren Fallen bestehen Zwangsvorstellungen,
Griibelsucht, ohne dass sich aber daraus andere psy-
chische Erkrankungen entwickeln. Der Verlauf der
Neurasthenie ist ein typisch intermittirender, lange
Zeit flihlt der P. sich ganz wohl, bis plotzlich wieder
der alte qualvolle Zustand ausbricht.
Auszuschliessen: Durch wiederholte genaue Unter-
suchung (Urin, Lunge, Herz, Magen) andere korperliche
Erkrankungen, Dementia paralytica (s. d.), multiple
Sklerose (s. d.), Hysterie (s. d.).
Behandlung: Beruhigung, exakte Untersuchung Therapie.
(ein grosser therapeutischer, oft auch diagnostischer
Fehler ist das Wegschicken solcher Kranker [denn
der Neurastheniker ist wirklich krankl] ohne eingehende
objektive Untersuchung) , roborierende Ernahrung,
kiihle Waschungen, Badekuren (See , Gebirgsaufenthalt),
Mastkuren , Elektricitat , Gymnastik. Arsen, Eisen,
Chinin. Keiniiberfli-issiges Medizinieren, kein Morphium !
2) Die Hyfochondrie,
Sie hat mit der Neurasthenie die krankhafte Wesen.
— 152 —
Selbstbeobachtung gemein ; wahrend aber dort die
Klagen wechseln nach Lokalisation und Intensitat, sind
die hypochondrischen Sensationen mehr constant und
lokalisiert. Insbesondere bilden Beschwerden von Seiten
der abdominalen Funktionen den Hauptgegenstand
der Klagen. Der Einfluss dieser Empfindungen auf
die Psyche ist ein nachbaltiger, sie werden innerlich
mehr verarbeitet (systematisiert), die hypochondrische
Verstimmung sitzt viel fester, wie die mehr oberflach-
Hchere der Neurasthenic. Der Neurastheniker spricht
sich lebhaft offen aus, der Hypochonder briitet ver-
schlossen iiber seine Beschwerden.
Diagnose. AuszuschHesscn : Magen-Darmerkrankungen (la-
tentes Carcinom , taenia). Uebergange zur Paranoia
mit ihren systematisierten Wahnideen sind nur durch
sorgfaltige Beobachtung des Verlaufes auszuschliessen.
Behandlune s. Neurasthenic.
't>
j) Die Hysterie.
Wesen. Die Hystcrie ist eine Psychose, bei der es durch
krankhafte Storung im Vorstellungs- und VVillensleben
zu einer unerschopflich grossen Anzahl von Funktions-
anomahen der motorischen und sensiblen Sphare des
Korpers kommt, ohne dass dafiir eine organische
Lasion ausfindig gemacht werden kann. Sie ist in
alien ihren Erscheinungen psycho gen bedingt.
Verlauf Sic kommt am haufigsten vor im jugendlichen
Alter; Hereditat, Erziehungfehler, Gemutsalterationen
sind von grossem I^influsse.
Das geistige Verhalten bei der Hysterie ist derart
krankhaft verandert, dass die Kranken leichter sowohl
durch fremde Beeinflussung (Suggestion) als durch
spontan auftretende Vorstellungen (Autosuggestion) zu
psychischen und korperlichen Reaktionen veranlasst
werden. Sie sind reizbar, launisch, zerstreut, in ihrem
WoUen unberechenbar (explosive Handlungen). Die
Intelligenz ist nicht beeinflusst.
Die korperlichen S)'mptome sind:
— ^53 —
i) dauernd vorhandene Stigmata, die aber auch
fehlen konnen, und
2) anfallsweise auftretende, hysteris che Anfalle.
i) Die Stigmata.
a) Hemianasth esie totale Empfindungslosigkeit
einer ganzen Korperhalfte oder einzelner Gebiete
fur alle Qualitaten (Analgesie etc.)
Zugleicli kann der Geschmack, Geruch, das
Gehor auf dieser Seite aufgehoben sein, die
Farbenempfindung kann gestort (Achroma-
topsie), das Gesichtsfeld eingeengt sein, rasch
ermiiden.
Die Hemianasthesie ist durch den Ausfall
von solchen zur bewussten Empfindung notigen
Associationen bedingt.
b)Hyperasthesie, eine Korperhalfte oder ein
Teil derselben zeigt Ueberempfindlichkeit
(Ovariendruckschmerz , Wirbelsaulenschmerz).
Von diesen Punkten lassen sich die hysterischen
Anfalle auslosen (hysterogene Zonen). (Auf-
hebung der centralen associativen Hemmung).
Schmerzen aller Art, abnorme Sensationen
(globus hystericus, Knaulempfindung etc.) wer-
den vielfach variierend angegeben.
c)hysterische Lahmungen, konnen fast alle
Erkrankungen vortiiuschen. Sie sind central
bedingte Willenslahmungen, die eben so rasch
wie sie gekommen, auch wieder verschwinden
konnen.
Die hiiufigsten Formen sind : die hysterische
Stimmmbandlahmung (Aphonic) , Schreib-,
Sprach-, Schlinglahmung, die hysterische Hemi-
plegie(ohneFacialis-undHypoglossusbeteiligung),
die hysterischen Gangstorungen (Unfahigkeit
zu stehen [Astasie], gehen [Abasie]), Zwangs-
bewegungen aller Art. Retentio urinae.
d) hysterische Kontrakturen, sind central
— 154- —
bedingte Reizerscheinungen rein funktioneller
Art. Es konnen die verschiedenartigsten Streck-,
Beuge- etc. Kontrakturen an Kopf und Ex-
treniitatea bestehen.
2) hysterische An fa lie.
Central bedingte Reizerscheinungen , die in den
verschiedensten Formen und Combinationen, teils
spontan entstehend, meist aber durch eine Art von
reflektorischer Erregung (Schreck, Affekt, Sensationen
u. s. w.) ausgelost werden.
Klonische . tonische Krampfiformen der Extremi-
taten, des Korpers wech.seln rasch unter sich ab.
Die Atmung ist erregt, dyspnoisch, das Bewusstsein
selten tief alteriert, doch besteht Erinnerungslosigkeit
(Amnesie) iiber die Anfalle.
Die Krampfe bedingen in wildem Wechsel die
bizarrsten Korperstellungen (Clownismus, arc de cercle),
die absonderlicbsten Gliederbewegungen (grand Hy-
sterie), Trismen, Schluck-, Wein-, Lachkrampfe treten
mehr oder weniger stark hervor.
Wiihrend der Anfalle bestehen oft Hallucinationen
angenehmen und unangenehmen Inhalts, dadurch
konnon Schrei-, Schimpf-, Gestikulations-, Grimassen-
anfalle bedingt werden.
Nie besteht so tiefes Coma wie bei den epi-
leptischen Anfallen, die Reflexe bleiben erhalten. Zur
Aufvveckung des Patienten geniigt bei leichten Anfallen
Anspritzen mit Wasser, bei schwereren fast immer ein
schmerzhafter Nadelstich (Fusssohle).
Charakteristisch fiir die hysterischen Anfalle ist
insbcsondere das iibertriebene, manirierte, wechsel v^olle
Aiiftreten der Krampfe, die Auslosbarkeit der Anfalle,
das Unterbleiben bei geeigneter psychischer Einwirk-
ung (Suggestion).
Zu den psychogenen Zustanden gehoren
verschiedene Krankheitsformen, die z. T. unter eigenen
Namen gehen : Akinesia algera (Schmerzen bei Be-
— 155 —
wegungen ohne andere Ursache hiefiir), chorea electrica
(gewaltsame ruckweise Korperbewegungen) , Paramy-
oclonus multiplex, abwechselnd erfolgende verschieden
lokalisierte klonische Muskelzuckungen (im Biceps.
Quadriceps, Supinator long. CucuUaris etc.j, Astasia,
Abasie (s. o.) u. s. w.
Bei der Diagnose hat man das ganze oben ge- Diagnose,
zeichnete Bild der Hysteric sich zu vergegenwartigen,
aus einem Einzelsymptom liisst sie sich nicht sicher
diagnosticieren, der Nachweis von Stigmata, Anfiillen
ist durch genaue Untersuchung meist zu bringen.
Die Abgrenzung von der Neurasthenia ist nicht
fiir alle Falle moglich, doch wird meist das eine oder
andere Symptom mehr fiir Hysteric oder fiir Neu-
rasthenic sprechen.
Bei schweren Formen konnen auch die psychischen
Storungen mehr ausgebildet sein (moralische Defckte).
Behandlung: exquisit psychisch, Anhalten zu Therapie.
gleichmassigerBeschaftigung, Erweckung des Zutrauens
zum eignen Willen, Fernhalten von nervosen, angstlichcn
Familicngliedern (Anstaltsbehandlung), Besprechung der
Anfalle als einer Bagatellsache, Regelung der Ernahr-
ung, Abreibungen, Douchen. Ev. Eisen, Brom (ihr
Nutzen in keinem Vergleich zur anderen Behandlung).
Nie Morphium!
Die Hypnose bescitigt meist nur Einzelsymptomc
selten die Krankheit selbst, ja sie schafft manchmal
auch wieder neue Symptome.
Der Einfluss einer vernunftigen nicht direkt hy-
pnotischen, psychischen (Suggestiv-)Behandlung (kleine
Tauschungen gestattet und oft sehr niitzlich , Wach-
suggestion) ist entschieden ein besserer.
^) Die traiimatischen JVetirosen.
Die einzelnen Falle gehoren tells der Neurasthenic, Wesen.
teils der Hypochondric und Hysteric an. Sie haben
gemeinsam, dass sic durch Traumen (psychische und
- 156 -
korperliche) entstanden sind, bei meist schoii vor-
handener Disposition (Hereditat, Alkoholismus).
Der Moglichkeit gegeniiber, die Krankheit zum
Gelderwerb ausbeuten zu konnen (Unfallversicherung-),
sind solche Patienten widerstandsschwacher. Die Grenze
zwischen absichtlicher Uebertreibung und kranlchafter
psychischer Hemmung ist oft sehr schwer zu ziehen.
Begin- Aus th e rapeuti schen Griinden entscheide man
achtung. gj^]-^ prinzipiell nicht fiir zu hohe Schatzung der Ar-
beitsbeschrankung. Nur in Ausnahmsfallen gebe man
dieselbe definitiv an, behalte sich vielmehr spatere
Untersuchung bevor.
Hieber gehoren die Neurosen nach Eisenbahn-
unglucksfallen (Railwayspine) und andere Zustande.
Behandlung: s. Neurasthenie, Hysterie.
^) Die Hemicranie^ Migraine.
Wesen, Sie besteht in periodisch auftretenden halbseitigen
heftigen Kopfschmerzen, vcrbunden mit Uebligkeit und
Erbrechen. Sie kommt isoliert oder haufiger in Ver-
bindung mit anderen nervosen Symptomen vor, tritt
oft familiar auf. Auch reflektoriscli (von Nasen-,
Magen-, Genitalerkrankungen) wird sie ausgelost. Die
Dauer und Haufigkeit der Anfalle ist verschieden.
Es konnen im Anfall (oder vorher) Sehstorungen
(Flimmerskotom, teilweiser Gesichtsfeklaustall) be-
stehen.
Oft besteht Hyperaciditat (toxische Wirkung ?).
Theiapie. Behandlung: Karlsbader Kur, Badekuren, Eisen,
Arsen, Beseitigung der auslosenden Ursache, sympto-
matisch (Antinervina, SaHcyl, Antipyrin, Coffein [auch
Mischungen] Senffussbader, Umschlage, Ruhe). Nie
Morphium !
6) Cefhalalgie^ hahitueller Koffschmerz.
Der Kopfschmerz ist haufig nur ein Einzelsymptom
bei anderen Erkrankungen (Fieber, Cirkulationsstor-
ungen, Intoxikationcn, Tumor), bei nervosen Personen
kann er als Hauptsymtom hervortreten.
— 157 —
Ausschliessen: aiisser oben genannten: Naseii-
Stirnhohlenerkrankungen, Augenleiden (Myopie, Asthe-
nopie etc.)
Behandlung: s. Neurasthenic, Antinervina.
y) Die genuine £pile^sie.
Unter Epilepsie versteht man das anfallsweise Wesen.
Auftreten der sogenannten ,,epileptischen Krampf-
zustande." Von der genuinen E. ist zu scheiden die
sympto'matische Form der Epilepsie (Jakson's Epil.),
deren schon oben (bei Herderkrankungen im Gehirn)
mehrfach gedacht ist.
Die Entstehung der epilept. Anfalle denkt man
sich in der Hirnrinde besonders der Centralwind-
ungen, doch ist der cortikale Ursprung auch bestritten
worden. Der urspriingliche den Anfall auslosende Reiz
kommt, was bei der symptomatischen Form sehr
wahrscheinlich ist, bei der genuinen vermutet wird,
von einer ladierten Rindenstelle her (Narbe, Knochen-
splitter, entziindlicher Prozess). Von hier breitet sich
(Associationsbahnen?) die Erregung auf die benach-
barten Centren fort und erzeugt so den epileptischen
Krampfanfall.
Fur die Entstehung der genuinen E. kommen in
Betracht Her ed i tat , Traumen, Infektionskrankheiten.
Haufig tritt sie schon im jugendlichen Alter auf, sie
kann nach Dauer und Schwere sehr wechseln. Die
epileptischen Anfalle treten als schwere und leichte
Anfalle (E. major — petit mal), sowie als Aequiva-
lente von Anfallen (Dammerzustande) auf.
Der typische Anfall beginnt mit der Aura (Kopf- AnfalL
schmerz, Uebelkeit, Schwindel, optische, akustische
Sensationen), daran schliesst sich an der Anfall.
Der Patient stiirzt bewusstlos zusammen und
liegt zunachst im tonischen Krampfzustand , der
teils aus tonischen Beuge- grosserenteils aus Streck-
kontrakturen der gesamten Korpermuskulatur sich zu-
sammensetzt. AUe Reflexe sind erioschen, die Pu-
- 158 -
pillen erweitert. Nach einiger Zeit ( — 7-^ MirAite)
schliesst sich daran das klonische Stadium, be-
stehend in heftigen, gewaltsamen Zuckungen der Ex-
tremitaten- und iibrigen Muskulatur (Zungenbiss,
Schaum vorm Mund).
Nach einigeiiMinuten lasst die Gewalt der Krampfe
nach, es tritt ein comatoser Zustand ein, aus dem
der Patient nach verschieden langer Zeit erwacht.
Kopfschmerz, Uebligkeit, Miidigkeit konnen noch
langer andauern. Ueber den Anfall besteht Amnesie.
Bei den leichteren Anfallen tritt das tonische und
klonische Stadium mehr zuriick, bei den Aequiva-
lenten kommt es an Stelle des Anfalls zu einer rasch
voriibergehenden traumhaften Verwirrtheit (Dammer-
zustand), auch maniakalische Erregungszustande, De-
lirien, Hallucinationen, konnen dabei auftreten. Die
Anfalle konnen besondersNachts kommen (E. nocturna),
haufen sie sich, so nennt man diesen nicht ungefahr-
lichen Zustand etat de mal (Fieber).
Bei manchen Fallen (durchaus nicht alien) kommt
es bei langem Bestehen der Anfalle zu einer physi-
schen Degeneration.
Auszuschliessen : hysterische Anfalle (s. d.) Jack-
son's-Epilepsie (Herdsymptome in der anfallfreien Zeit).
Uramische Anfalle (Urin), Simulation (Reflex nicht
erloschen, Fusssohlenstich), Anfalle bei Dementia
paralytica (Anamnese, langere Dauer derselben).
Behandlung: Bromkali (3 — 1 5 gr p. die) (event,
vorher langere Zeit Opium (0.1 — i.o p. die) wirkt
bei haufigen Anfallen giinstig. Kalte Waschungen.
Kein Alkohol, Pflanzenkost. Bei ausgesprochenen
Herderscheinungen kann ein operativer Eingrifif in
Frage kommen (s. v.).
8. jEclainpsia infajiUim.
Wesen. Bei Kindern in den ersten Lebensjahren fiihren
alle moglichen l^j-krankungen (Magcn-, Darm-, Zahn-
Krankheiten, Rhachitis) zu allgemeinen Convulsioneii
159 —
(mangelhafte Reflexhemmung im kiiidlichen Nerven-
system, Pyramidenbahn noch nicht markhaltig).
Die Krampfanfalle bestehen in abwech.selnden
tonischen undklonischenZuckungendes ganzen Korpers.
haufig schreien die Kinder dabei kramplhaft. Epi-
lepsie schliesst sich selten spater an.
Auszuschliessen : Meningitis tuberculosa (Basis-
symptome, Fieber).
Behandking: Grundleiden beseitigen (Wiirmer, Theiapie.
Ernahrung), Brom , heisse Bader , Hautreize , kalte
Waschungen.
g. Chorea minor, V^eitstanz. (Ch. Sydenham).
Sie ist eine Erkrankung des jugendiichen Alters.
Weder ihre Ursache noch ihr Sitz sind bekannt.
Man halt sie fur infektiosen Ursorunes. Auffallend
Wesen,
Sie
ist jedenfalis ihr haufiges
arthritis rheumatica acuts
Auch bei Graviditat
schwere Form en).
Die Chorea besteht
horlichen, regellos
Finger, Hande, Arme
sichtsmuskeln , der
Willen unterworfenen
Vorkommen bei der Poly-
und der Endocarditis rh.
tritt sie ofters auf (besonders
in unwillkiirlichen,
sich folgenden
Beine
Bewegungen
der
Zunge
unauf-
der
des Kopfes, der Ge-
etc. In alien sonst dem
Muskeln herrscht eine fort-
wahrende Unruhe, so dass keine ruhige Stellung von
Koi'per und Extremitaten moglich ist. Die einzelnen
Falle sind verschieden von eben merklichen chorea-
tischen Fingerbewegungen (in der Schule etc. haufig
fiir Unart gehalten) bis zur ausgesprochenen Muskel-
raserei (folic musculaire). Bei diesen schweren Fallen
kann das Sprechen, Gehen, Essen unmoglich werden.
Auch halbseitig tritt die Chorea auf (Hemichorea).
Nachts sistiert die Unruhe. Die Dauer kann
einige Monate bis Jahre wahren, Recidive sind haufig.
Schliesslich erfolgt aber fast ausnahmslos die Heilung.
Behandlung: Arsen , Antipyrin (sX^-S — ^-o)'
Salol,Abreibungen, Ernahrung. Schulbesuch verbieten.
Veiiauf.
— 1 6o —
Von der Chorea minor ganz verschieden ist die
10. Chorea chronica hereditaria. (Huntington's
Chorea).
Sie ist eine im hoheren Alter familiar auftretende,
ihrem Wesen nach unbekannte Erkrankung, bei der
motorische Reizerscheinungen, einzelne Zuckungen im
Lauf der Jahre an Ausdehnung und Intensitat zu-
nehmen. Audi progressiver geistiger Verfall gesellt
sich dazu. 'Heilung unbekannt.
Davon verschieden ist die Alaladie des Tics convtilsifs (Tic
general)^ bei der es zur Entwicklung unwillkiirlicher, coordinierter
zuckender Bewegungen von Gesichts-, Hals-, Handmuskeln, verbunden
niit zwangsweise producierten Sprachbevvegungen , Schimpfen etc.
(Ectiolalie, Koprolalie) kommt. Der Verlauf ist ein sehr chronischer.
Chorea electrica s. Hysterie.
//. Paralysis agitans. (Parkinson's Krankheit).
Wesen. Die Krankheit tritt nur im hoheren Alter auf.
Ihr Wesen ist unbekannt. Gemiitsbevvegungen, Sorge
werden als ursachliche Momente genannt.
Verlauf. 5ie beginnt mit einer eigentijmlichen, langsamen,
rhytmischen Zitterbewegung der Arme und Hande
(ahnlich der Bewegung beim Pillendrehen), dieser Tre-
mor dauert auch in der Ruhe an, bei Aufregungen
verschlimmert er sich. Das Zittern greift nun im
Lauf von Jahren um sich, alle Extremitaten^ der Kopf,
die Lippen sind beteiligt , die Korperhaltung ist eine
charakteristisch nach vorn zusammengekauerte. Im
Schlaf bestehtmeistRuhe. Schliesslich tretenLahmungs-
zustande auf. Die Krankheit ist unheilbar.
Therapie. Behandlung: Ruhe, Ernahrung, Brom.
12. Myotonia congenita (Thomsen'sche Krankheit).
Sie ist ein seltenes, familiar auftretendes Leiden.
Der Kranke ist in alien willkiirlichen Bewegungen
(besond. beim Gehen) durch spontan auftretende
spastische Widerstande gehindert. Psychische Erreg-
ung vermehrt die Muskelsteifigkeit. (Aehnlichkeit mit
dem Stottern.)
Behandlung : Bader, G}'mnastik.
~ i6i -
III. Die Krankheiten des Ruckenmarkes.
A) Erkrankungen . die vorwiegend herdformig auf-
treten, Querschnittserkrankungen.
Die Krankheiten der Riickemnarkshdute.
Die Riickenmarkshaute erkranken meist im An-
schkiss an Entziindungen des Gehirnteiles derselben,
selten allein. Am haufigsten ist die Mitbeteiligung
bei der Meningitis cerebrospinalis und bei der eitrigen
Form, seltener kommen auch Tuberkuleruptionen vor.
Die anatomischen Verhaltnisse sind dieselben wie im
Gehirn.
Die klinischen Symptome treten haufig ganz
hinter den durch die Gehirnerkrankung bedingten
zuriick. Als Reizsymptome der Rilckenmarkswurzeln
(reflektorisch durch die hinteren oder direkt durch
die vorderen?) fasst man auf die Nackenstarre (Wurzehi
des obersten Halsmarks), den Opisthotonus (Brustmark-
wurzehi), ausstrahlende Schmerzen, B]asenlahmung.
Doch ist das z. T. so sicher noch nicht ausge-
macht, cerebrale Einflusse sind haufig nicht ganz aus-
zuschhessen.
Selbstandigere Formen sind :
'&
I. Die Pachymeningitis cervicalis hy^ertro-phica.
Sie besteht in der Bildung einer entziindlichen Wesen.
dicken Schwarte an der Dura besonders des Hals-
marks , die zu Verwachsung mit den anderen Hauten
und zu Compression der Halsmarkwurzehi und des
Halsmarks fiihrt. Ursache unbekannt.
Die Symptome sind die einer Herderkrankung im Verlauf.
Halsmark (s. Absch. IV", 3) mit besonders stark her-
vortretenden Wurzelreizsymptomen : heftige neuralgi-
forme Schmerzen im Nacken, Schultergegend, Lahmung
und Muskelatrophie besonders imUhiaris- und Medianus-
Gebiet (s. d.) also kleine Handmuskeln und Beuger am
Vorderarm besonders befahen , durch Wirkung der
11
— l62
Antagonisten (Radialismusculatur) entsteht die .,Predigei'-
handstellung''.
Besserungen sind moglich.
Therapie. Behandlung: ev. antiluetisch. Elektricitat, synipto-
matisch. Ferrum candens in den Nacken.
Wesen.
2. Meningitis spinalis syphilitica.
Aehnlich wie bei der Form der Hirnhautsyphilis
mit diffuser Schvvartenbildung entstehen auch in den
Riickenmarkshauten (weiche Haute) entweder im Zu-
sammenhang mit Hirnsyphilis oder auch ohne diese
gummose, flachenformige Neubildungen , die makro-
skopisch als dicke, sulzige-gallertige Auflagerungen er-
scheinen uiid, wie auf dem Durchschnitt ersichtlicb,
(s. Figur 13) das Riickenmark umschliessend compri-
mieren, teils aber auch in
seine Substanz hineinwach-
sen konnen. Am haufigsten
erkrankt hiebei das Brust-
Verlauf.
mark.
Die Arterien zeigen
Fig. V6.
dieselbenVeranderungen wie
bei der Endarteristis luetica
im Gehirn, die Nervenwur-
ztln werden von der Neu-
bildung durchwachsen, auch
tumorenformigeGummabiki
ung kann vorkommen. Je
nachdem bezeichnet man die Erkrankung mehr als
Meningo-myehtis-, Meningo-neuritis-, Meningo-arteriitis
syphihtica.
Die durch Compression erzeugten Symptome
wechsehi nach Ausbreitunci: und Intensitat der zu grunde
hegenden Prozesse : heftige anfallsweise auftretende
Schmerzen, spastische Paraparese der Beine, die nicht
selten auf einer Scite starker ausgesprochen ist wie
auf der anderen (Andeutung v^on Halbseitenlaesion)
mit erhohten Sehnenreflexen , Blasen- Mastdarmstor-
- i63 -
imgen (Retentio' , leichte Sensibilitatsstorungen (Par-
asthesieen).
Charakteristisch ist insbesondere das wechselnde Diagnose.
Kommen und Gehen der Symptome, Besserungen,
Nachschube treten auf; eventuell auch Hirnsymptome
(Basale Lahmungen).
Der Nachweis stattgehabter Infektion ist aber das •
wichtigste Beweismittel.
Behandlung : Auch bei nur suspecten Fallen anti- Therapie."
luetisch (Schmierkur, Injektionskur, Jodkali). Haufig
wird aber (bei bereits eingetretenen Degenerations-
prozessen) nur eine teilweise Besserung erreicht. Sympto-
matisch, Bader.
J. Die Coiufression des Rilckenmarks.
(^Compressionsmyelitis.)
(Tafel 54, 2 u. 3; 69, 3).
Obwohl dieselbe durch die verschiedensten Pro- Wesen.
zesse bedingt werden kann . empfiehlt sich deren Be-
sprechung im Zusammenhang ; haufig kommen wir
mit der Diagnose der einzelnen Falle nicht weiter als
bis zur Annahme der Compression, das ,,Wie" bleibt
dunkel.
Ruckenmarkscompression kommt zustande :
i) Durch Knochenerkra nkungen, bei Caries
der Wirbelkorper (Compression durch Eiterherd,
Ueberwuchern der Granulationen auf die Riicken-
markshaute (Meningitis tuberculosa) , Sequester,
Knochenbriiche infolge Abknickung der Wirbel-
saule), bei Carcinom vom Wirbel aus , durch
traumatische Frakturen und Luxation en
der Wirbelsaule.
2. Durch Erkrankungen der H au te (Pachymengitis,
Meningitis syphilitica (s. d.), tuberculosa, durch
Sarcome, Lipome, Fibrome, Echinokokkenbildung
in den Hauten.
3. Durch R i.i c k e n m a r k s e r k r a n ku n g en (Gliom,
Sarcom, Gumma).
11*
— 164 —
VVeitaus die haufigste Ursache der Compression
ist die Caries und das Carcinom.
Durch die Compression kommt es zu einer
schvveren Schadigung, der den betreffenden Rucken-
marksabschnitt zusammensetzenden Nervenfasern und
Nervenzellen , dieselben gehen degenerativ zu Grunde
(eine eigentliche Myelitis besteht demnach fur gewohn-
lich nicht).
Verlauf. Das wichtigste Compressionssymptom sind die
als Wurzelreizs\'mptome aufzufassenden heftigen, aus-
strahlenden Schmerzen, die haufig der Verteilung der
periph. Nerven folgen (neuralgiform), teils giirtelartig
den Rumpf umgeben , bald in die Extremitaten aus-
strahlen. Sie losen oft reflektorisch Zuckungen in
den (fiir den Willen gelahmten) Extremitatenmuskeln
aus. Audi Hyperasthesieen , Parasthesieen konnen
dadurch bedingt sein. Ebenfalls als Wurzelreizsymptom
ist Muskelsteifigkeit im Nacken, Riicken etc. aufzufassen.
Die iibrigen Symptome wechseln je nach dem Sitz
der Lasion im Hals-, Brust-, Lenden-Sacralmark oder
der Cauda equina (s. IV, 3), bestehen also in Lahm-
ungen (teils spastisch, teils schlaff), Muskelatrophieen,
Blasen Sensibilitatsstorungen. Am haufigsten ist die
Compression im Brustmark (spastische Paraplegie der
Heine, Blasen-Sensibiliiatsstorung, Arme frei).
Der exitus erfolgt durch das Grundleiden, durch
Cystitis, Erschopfung, Decubitus.
Man diagnosticiert zuerst das Bestehen einer
Compression, dann deren Hohensitz (nach Abschn.
IV, 3j. dazu verfahrt man am bestenin folgender VVeise:
Man untersucht, welche Extremitaten gelahmt sind.
Wenn nur die Beine, so priift man den Patellar-
reflex. Ist er erloschen, so ist der Sitz mcist im
Lumbal mark (event. Cauda equinawurzeln .^ DerPatel-
larreflex ist hiebei vorhanden, wenn nur Ischiadicus
Fasern comprimicrt sind), ist er gesteigert, so
muss der Sitz iiber dem Reflexbogen, also im Brust-
oder llalsmark sein.
- i65 -
Sind keine Armstorungen (bes. Handmuskelatrophie)
vorhanden, so ist der Sitz im B rust mark.
Genauere Lokalisation ist durch die Beachtung
der ev. atrophierten Muskeln (EaR) nach Fig. 5. S. 42
sowie durch die Sensibilitatsstorung (Hohe ihres Be-
ginnes) moglich. Meist wird der Sitz zu hoch ange-
geben, wir sind eben iiber die genaue Lokalisation
in den einzelnen Segmenten noch nicht geniigend unter-
richtet.
Hat man den Hohensitz moglichst pracisiert (Aus-
schliessung von unten her und von oben her) so hat
man nach Tafel 23 anzugeben, welcher (oder welche)
Process, spinosus der liohe am meisten entspricht.
In dieser Gegend untersuche man die VVirbelsaule und
ihre Bevveglichkeit genau.
Fiir die Diagnose der Art des comprimierenden
Prozesses kommen in Betracht folgende Erwagungen :
fiir Caries (jugendl. Alter, Wirbelsaulenveran-
derungen (spitzwinkhge Kyphose) , Druck-
schmerzhaftigkeit, auftretende Senkungs-
abscesse, Fieber (Cystitis etc. ausgeschlossen !)
anderweitige Tuberkulose, protrahierter Ver- ■
lauf),
fiir Carcinom (vorgeriickteres Alter, Kachexie,
Metastasen, rascherer Verlauf, intensivste
Schmerzhaftigkeit).
fiir Glioma medulla re (Halbseitigkeit der
Symptome).
Haufig kommt man trotz aller Erwagungen nicht
zu einer bestimmten Diagnose, selbst die Compression
kann trotz ausgesprochenster Symptome nicht vor-
handen sein.
Behandlung: bei Caries Streckverband, Arsen, Therapie.
(operativ ?), bei Tumor chirurgisch (s. Allgem. Teil)
— in den meisten Fallen symptomatisch, Reinlichkeit.
Hautpflege, Regelung der Blasenfunktion (Katheterlj,
Morphium.
— i66 —
^. Die Myelitis acuta tiud chronica.
(Tafel 69, I und 2; 57, 2 und 3).
Wesen. Unter dem Namen Myelitis sind eine Reihe von
atioloeisch und wohl audi anatomisch verschieden-
artigen Erkrankungen zusammengefasst.
Bei alien findet sich innerhalb eines gewissen Be-
zirks des Riickenmarks eine diffuse, herdformige, audi
strangformige Degeneration von Nervenfasern und auch
Zellen, an deren vStelle nach ihrem Untergang neugebil-
detes Gliagewebe mit mehr oder weniger starker Rund-
zelleninfiltration, Gefasshautveranderungen etc. tritt.
Derartige Prozesse sind wohl meist toxisdien Ur-
sprungs (im Gefolge von Infektionskrankheiten [Typhus,
Influenza, Pyaemie, Gonorrhoe,Erysipel, Syphilis u. s.w.])
teils direkt infektioser Natur.
Nach ihrem klinischen Verlauf teilt man sie ein
in die akut (mehrere Wochen), subakut (einige Mo-
nate) und chronisch sich entwickelnden Formen.
Der Hauptsitz der Myelitis ist das Brustmark,
zu den hiiufigeren Formen gehort die luetischen
Ursprungs.
Verlauf. Die Symptome sind je nach dem Sitz selir ver-
schieden (s. Abschn. IV, 3).
Der hilufigsten Form (Myelitis dorsalis) ent-
spricht eine spastische Paraplegic der Beine (ohne be-
sonders starke Schmerzanfalle, doch konnen soiche
auch vorkommen) Sensibilitats- und Blasenstorungen^
Parasthesieen, auch Coordinationsstorungen an den
Beincn konnen bestehen.
Bei Myelitis 1 u m b a 1 i s : schlaffe Paraplegic
der Beine, erloschene Reflexe, Blasenlahmung etc.
Bei M. cervicalis: spastische Paraplegic der
Beine, Armmuskelatrophieen etc.
Decubitus, Cystitis bilden haufig den Anfang
vom Ende.
Auszuschliessen : Compressionsmyelitis (s. d.)
Hohendiagnose s. daselbst.
Behandlung: s. Compressionsmyelitis.
— \6f —
Wenn luetiscb, so Schmierkur ; cler Erfolg ist wegeii
stets schon eingetretener degenerative!" Prozesse nur
ein teilweiser.
J. Syring077iyelie.
(Tafel 70, 1-3.)
Man begreift unter diesein Namen solche Herd- Wesen.
erkrankungen bei denen es zu einer abnormeii Hohlen-
bildung im Inneren des Markes kommt. Solche Hohlen-
bildungen konneii verschiedene Ursache haben. Sie
konneii angeboren sein oder spater sich aus congenitaler
Veranlagung entwickeln (Hydromyelie) , durch Zerfall
centraler Gliawucherungen (centrale Gliose) oder aus
unbekannter Ursache nach Traumen, Blutungen etc.
Die Hohlenbildung kann das Riickenmark in ganzer
Lange durchziehen, sie kann auch auf die Medulla
oblongata i.ibergreifen. Der Hauptsitz ist im Hals-
mark und darnach gestalten sich auch die Haupt-
symptome.
Durch die Hohlenbildung (die meist in der Xahe
des Centralkanals beginnt) kommt es zu einer lang-
sam progressiven Zerstorung der (centralen) grauen
Substanz der Vorder- und Hinterhorner, der dort ge-
legenen Nervenfasern und Ganglienzellen.
Die einzelnen Symptome als solche sind nicht Verlauf.
charakteristisch, ihre Vereinigung dagegen ist patho-
gnomonisch fiir Syringom}'elie.
Sie sind :
1 ) p r g r e s s i \' e M u s k e 1 a t r o p h i e u n d L a h m-
ung besonders an der oberen Extremitat, bald
mehr ein-, bald mehr doppelseitig. Besonders
die kleinen Handmaskeln, der Triceps etc. sind
haufig befallen, in den atrophischen Muskeln
bestehen fibrillare Zuckungen und EaR (de-
generative Atrophic, Erkrankung der periph.
Neuronzellen !).
2) S e n s i b i 1 i t a t s s 1 6 r u n g e n an den Armen,
besonders Analgesic und Thermanasthesie bei
— i68 —
erhaltener Berlihrung'sempfindung (Disso-
ciation del" Anasthesie).
3)Trophische Stoning en an Fingern, Ge-
lenken (Nekrose, Eiterungen , Subluxationen,
Verdickungen).
Dazu konnen sich gesellen spastische Paraparese
der Beine, oder Bulbarsymptome (Accessorius, Hypo-
glossuslahmung s. d.). Auch atypisch verlaufende Falle
sind nicht selten.
Der Prozess ist ein langsam progressiver-
Ausschliessen : spinale Muskelatrophie (Sensibilitat
normal), atypische Falle sind schwer zu erkennen.
Behandlung : symptomatisch, Rlektricitat, Bader etc.
aussichtslos.
6. Die Bhittingen im Riickemnarhskanal.
(Tafel 56, 8).
Sie konnen entweder extramedullar in und zwischen
den Hauten lokalisiert sein (intrameningeale Apo-
plexieen) oder in der Riickenmarkssubstanz selbst liegen
(Hamatomyelie).
Diese Hamorrhagieen sind meist traumatisch be-
dingt, die intrameningealen ahneln in ihren Symptomen
der Meningitis spinalis, nur dass die Erscheinungen
im Zusammenhang mit einem Trauma apoplektiform
entstehen ( Wurzel-Reizungssymptome , Paraplegieen,
Blasen-, Sensibilitatsstorungen).
Die Symptome der Hamatomyelie bilden im ganzen
dieselben Combinationen wie bei der S>'ringomyelie
(gleiche Lokalisation), nur dass sie apoplektiform nach
Trauma auftreten und je nach dem Sitz und der Aus-
dehnung verschieden sein konnen. Die genauere Dia-
gnose des Sitzes erfolgt nach den oben (S. 165) an-
gegebenen Grundsatzen.
7. Sclerosis muliiflex cerehrosfinalis.
(Sclerose en plaques).
(Tafel 71, 1—4; 57, 5).
Wesen. Die lierdformige Sklerose ist eine ihrem Wesen
— 169 —
nach ganz ratselhafte Krankheit. Sie besteht in dem
x\uftreten zahlreicher, iiber Gehirn und Ruckenmark
regellos zerstreuter kleiner (primar encephalitischer?)
Krankheitsherde , innerhalb deren Bezirk die Mark-
scheidensubstanz der betreffenden Nervenfasern zu
grunde geht, walirend der Axencylinder noch lange
Zeit welter persistiert und funktioniert, es kommt
also nicht zu einem volligen Faseruntergang. Die
Erkrankung tritt haufig bei jugendlichen Personen auf,
nach akuten Infektionskrankheiten (r).
DieSymptome entwickeln sich langsam progressiv. Verlauf.
Zuerst treten Storungen in der Ausfiihrung von
Bevvegungen ein, Schwache und Ungeschick der Arme
und Beine, Zittern beim Ergreifen von Gegenstanden
(Intentionszittern), der Gang wird steif und schwankend
(spastisch-ataktisch).
Ausserdem besteht: Nystagmus, skandierende
Sprache (aussetzendes, stockendes Sprechen) , leichte
Blasenstorungen, Opticus Atrophic (nicht immer). Die
Patellarreflexe sind gesteigert. Yon Zeit zu Zeit treten
apoplektiforme Anfalle auf. Die Sensibilitat ist wenig
gestort, Parasthesien. \^on diesem typischen Ver-
halten kommen nun alle moghchen Abarten vor, be-
dingt durch die jeweihge Lokalisation der Herde,' so
dass diese ,, formes frustes'' der multiplen Sklerose zu
mannigfachen Verwechslungen mit anderen Erkrank-
ungen Anlass geben. Manche der oben genannten
Symptome konnen auch fehlen. Bald tritt die ^Ataxic
mehr in den Vordergrund, bald die spastische Parese
der Beine, bald gesellen sich Bulbarsymptome dazu.
Die Erkrankung verlauft sehr chronisch, voriiber-
gehende Besserungen sind haufig. Schliesslich kann
die Intelligenz leiden.
Auszuschliessen : Neurasthenic, Hysteric (andere Diagnose,
sonstige Krankheitsbilder), Dementia paralytica (Pu-
pillen, Anamnese), andere Riickenmarkserkrankungen
(Myelitis, spast. Spinalparalyse etc.) sind nicht immer
sicher auszuschliessen.
I/O
Therapie. Rehandlung : Gymnastik, Abreibungen , Bader,
symptomatisch.
B. Systematische Erkrankungen.
Uber ihr Wesen s. IV, 3, S. 97. Sie verlaufen
grosstenteils sehr langsam, progressiv, sind unheilbar,
weil Zellen und Fasern , degenerativ zerfallen, im
Riickenmark und Gehirn sich nie wieder restituieren.
8. Die spastische S final far alyse .
(Tafel 75, 1—4; Tafel 57,6).
Wesen. Sie ist eine seltene Erkrankung. Es liegt ihr
eine symmetrische, primare Degeneration der Pyra-
midenbahn zu Grund (centraler motorischer Neuron -
complex).
Verlanf. Die Erkrankung beginnt bei Erwachsenen (Kin-
dern ?) mit langsam zunehmender spastischer Lahmung
der Beine, Arme, Gesichtsmuskeln, ohne Muskelatro-
phien, ohne Blasen- und Sensibilitatsstorungen. Die
Sehnenreflexe sind gesteigert (Patellar-Fussphanomen).
Diagnose. Es gibt noch andere Formen spastischer doppel-
seitiger Lahmungen, die c er ebral e (?) sp asti sc he
Lahmung bei Kindern. bei multipler Skle-
ros'e, Hydrocephalus, Myelitis etc. Hiebei
bestehen meist (allerdings nicht immer) auch noch
andere Symptomc (unreine Falie).
p. Die amyotrofhische Later alsklerose.
(Tafel 72,2).
Wesen. Ausser der Pyramidenbahn erkranken hier auch
noch die motorischen Zellen im grauen Vorderhorn
(periph. Neuron) besonders des Halsmarks, event,
auch von bulbaeren Nervenkernen (Naheres s. IV, 3).
Verlauf. Die Krankheit beginnt bei Erwachsenen mit dem
Auftreten von Muskelschwache und Atrophic an den
Handen (Interossei, Thenar) wahrend zugleich, oder
meist etvvas spater eine spastisch-paretische Gang-
storung eintritt. Die Atrophien an den Armen ent-
- I/I —
wickelii sich langsam weiter (Naheres s. bei spin. Muskel-
atrophie). In den Muskeln bestehen fibrillare Zuckungen
und Ea R, schliesslich ist die Arm- audi die Schulter-
giirtelmuskulatur total geschwunden (Reflexe bleiben
lang sogar lebhaft erhalten), die Beine sind voUkom-
men spastisch gelahmt. Die Patellarreflexe sind ge-
steigert. Fussphanomen. Blase und Sensibilitat ist
normal. Schmerzen bestehen besonders in den
Armmuskeln. Zu diesen Symptomen gesellen sich nun
haufig schon friihzeitig diejenigen der chronischen
progressiven Bulbaerparalyse (s. d-).
Behandlung : symptomatisch, Electricitat, Bader, Therapie.
Arsen, Strychnin^ Schlundsondenernahrung.
10. Die spin ale progressive Muskelatrofhie.
(Tafel 72, 3; 56, 6; 55, 2; 77, 4; 58, 2 u. 3).
Bei ihr unterliegen die motorischen Ganglienzellen Wesen.
im grauen Vorderhorn des Riicken- besonders Hals-
marks einer langsam vorschreitenden Degeneration.
Die Pyramidenbahn ist nicht beteiligt. Die Muskel-
veranderungen bestehen in langsamer degenerativer
Atrophie der einzelnen Fibrillen. Die Kerne der
Fibrillenscheide vermehren sich stark, das Protoplasma
verschmalert sich, doch konnen auch ganz schmale
Fasern noch deutliche Querstreifung zeigen. Schliess-
lich verschwindet dieselbe mit dem Reste des Proto-
plasma voUkommen, es bleibt nur der bindegewebige
Teil der Faser zuriick.
Die klinischen Symptome sind die der amyotroph- Verlauf.
ischen Lateralsklerose ohne spastische Erscheinungen :
eine ganz allmahhg sich entwickelnde und an Um-
fang zunehmende Atrophie und Lahmung der kleinen
Handmuskeln, schliesslich samtlicher Armmuskeln incl.
Schultermuskulatur mit hbrill. Zuckungen und EaR.
Die Beine bleiben haufig verschont. Die Sensibilitat
und Blasenfunktion ist ungestort. Dauer: ein bis einige
Jahre. Die Atrophie der Thenarmuskeln bedingt Un-
moglichkeit der Opposition des Daumens, Afienhand.
Der Deltamuskel atrophiert haufig vor den iibrigen
Oberarm-Vorderarmmuskeln.
Auch die Nacken- iind Zwischenrippenmuskeln,
selten das Zwergfell konnen beteiligt sein.
Die Bulbaerparalyse kann sich anschliessen, oder
gleichzeitig mit entwickeln.
Diagnose: s. unten bei Dystr. muse, progr.
Behandlung s. amyotr. Lateralsklerose.
Anhangsweise sei hier die neurotischeMuskel-
atrophie genannt, der sogenannte ,,Peronealtypus''
der progressiven Muskelatrophie. (Tafel 58, 4; ']'], 6).
Bei dieser familiar auftretenden Form erkranken
gleichzeitig oder haufiger vor der Atrophic der kleinen
Handmuskeln die musculi peronei, tibial, ant. etc. der
Beine (paralytischer Klumpfuss, infolgedessen : Pero-
nealgang mit abnorm hoch erhobenen Oberschenkeln,
herabhangender Fusspitze). Die Patellarreflexe er-
loschen. Leichte Sensibilitatstorungen an den Zehen,
Fingern. Die Muskelatrophie an den Armen und
Beinen breitet sich langsam weiter aus. Anatomisch
finden sich degenerative Veranderungen im Nervus
peroneus, medianus, ulnaris und wohl auch im unteren
Lumbalmark und Halsmark (Vorderhornzellen ?)
//. Dystrophia mjisailaris progressiva. (Prima re
Myofathie,}
(Tafel 58, 3).
Wesen. Ob diese Erkrankiing spinalen Ursprungs ist, lasst
sich bis jetzt nicht bestimmt sagen, da man bisher
immer nur Veranderungen in den Muskeln selbst ge-
funden hat. Als Endglied der grossen Gruppe der
motorischen Systemerkrankungen gehort ihre Besprech-
ung hieher.
Die Muskelfibrillen unterliegen einer ungemein
langsamen nicht degenerativen Atrophic. Die ein-
zelnen P'asern verschmalern sich und verschwinden
schliesslich. Die Qucrstreifung bleibt lange ganz
normal erhalten. Die Muskelkerne vermehren sich,
— ^n —
interstitiell tritt Fetteinlagerung- auf, auch hyper-
trophische Fasern sind haufig (Faserdicke von
150 — 200 [J.). Die Erkrankung tritt haufig familiar,
im jugendlicheii Alter auf. Die von der Atrophic be-
fallenen Muskeln weisen nur die Erscheinungen einer
einfachen , nicht einer degenerativen Atrophie auf
(keine fibrillaren Zuckungen, keine Ea R). Die Atrophie
schreitet langsam vorwarts, Heilung kommt nicht vor.
Man unterscheidet je nach dem Beginne der Verlauf.
Atrophie verschiedene Formen, die in ihrem weiteren
\^erlauf schiiesslich in einander iibergehen.
Diese Formen sind:
a) Die Ps eudo hyper t r op hie.
Beginn in friihster Kindheit mit Schwache der
Riickenmuskeln , die weiter auf die Lenden-Ober-
schenkelmuskulatur sich fortsetzt. Die Muskeln selbst
sind ihrer Form nach haufig nicht verandert, infolge
Fetteinlagerung (Lipomatosis) anscheinend eher hyper-
trophisch. Die Kinder konnen nicht vom Boden auf-
stehen , ohne sich mit den Handen zu sti.itzen, das
Gehen wird watschelnd , schiiesslich unmoghch , die
Wirbelsaule erleidet Verkriimmungen (Lordose).
b) Die infantile Form.
Sie beginnt bei Kindern , haufig mit Atrophie
und Lahmung der Gesichtsmuskeln (Ausdruckslosig-
keit des Gesichts, facies myopathique) , dazu gesellen
sich spater die Extremitatenmuskelatrophieen der
nachsten Form.
c) Die juvenile Form.
Dieselbe tritt in und noch nach der Pubertats-
periode auf. Nach der /\usdehnung unterscheidet man
einen Schu It ergiirtelty pus ; Pectoralis, CucuUaris,
Latissimus dorsi, Serratus antic, Triceps, Biceps sind
am haufigsten meist in dieser Reihenfolge atrophiert.
Erhalten bleiben die kleinen Handmuskeln , der
Deltamuskel, Sternocleidomastoideus (umgekehrt bei
~ 174 —
der spinalen Muskelatrophie!), sodann eineii Becken-
giirteltypus; Quadriceps, Glutaei, Peronei (Waden-
muskeln nicht befallen).
Beide Formen gehen in einander iiber , resp. be-
stehen gleichzeitig".
Zur Diagnose der Muskelatrophieen gevvohne man
seinen Blick an die normale Configuration der P2xtre-
mitaten etc. , man erkennt dann auf den ersten Blick
die Atrophieen der Lumbricales (eingesunkene Stellen
zwischen den Grundphalangen) , des Thenar, Hypo-
thenar (abnorme Gruben), von Pectoralis (tiefe Grube
unter dem stark vortretenden Schliisselbein) , Delta-
muskel (Abflachung der Schulter), CucuUaris (Nacken-
verschmalerung) , Rhomboidei (abnorme Vertiefungen
an Stelle der normalen Wiilste), Quadriceps (Abflach-
ung an Oberschenkelvorderflache) , Peronei (Abflach-
ung des normalen Wulstes nach aussen von der Crista
tibiae) u. s. w. Die Diagnose der einzelnen ausge-
sprochenen Formen ist eine einfache, man achte vor
allem auf den Beginn der Erkrankung.
Behandlung symptomatisch, orthopadisch.
12. Die Polioinyelitis anterior.
(Tafel 5G. 7).
Die entziindlichen Erkrankungen der grauen Vorder-
horner des Ruckenmarks treten akut und chronisch
auf und schadigen vor allem die dort gelegenen
motorischen Ganglienzellen , fiihren also zu degenera-
tiven Muskelatrophieen und Lahmungen.
a) acute Poliomyelitis ant.
Wesen. Sie kommt vor bei Kinderii in den ersten Lebens-
jahren (sehr selten auch bei PLrvvachsenen) und tritt
auf als eine akute Infektionskrankheit , deren Erreger
wir nicht kennen, in P'orm einer von den Blutgefiissen
ausgehenden luitziindung der Substanz der grauen
Vorderhorner.
Verlauf. Zu Beginn besteht Fieber, Erbrechen, DeHrien.
— 175
Ein schwerer, comatoser Zustand halt einige Tage an,
dann tritt Besseruncr ein, es wird aber nun eine schlaffe
etc.),
ohne
Lahmung- von Armen , Beinen (selten Facialis
Blase bemerkbar mit erloschenen Sehnenreflexen,
Sensibilitatsstorungen und Schmerzen.
Ein Teil der Lahmungserscheinungen verschwindet
nach einiger Zeit, ein anderer Teil aber bleibt dauernd
bestehen (meist nur einseitig) ; diese Muskeln verfallen
dann einer raschen degenerativen Atrophie.
Als „spinale Ki nderlahmun g" bezeichnet
man diese im spateren Leben dauernd vorhandenen
Residuen der Krankheit, die anatomisch ihren Ausdruck
in einer narbigen Schrumpfung des betreffenden Vorder-
hornes findet. (s. Fig. 14, linkes Vorderhorn.) Durch
Antagonistenwirkung bilden
sich Gliederkontrakturen aus,
die befallenen Glieder bleiben
im Wachstum zurilck.
Die haufigsten Formen
dieser Residuen sind:
Peroneus - Extensoren-
(Pes equino - varus-
Lahmung von Ober-
armtypus(Deltoideus, Biceps,
Brachiaiis, Supinat. long.),
vomVorderarmtypus (Triceps, Streckmuskeln der Hand).
Behandlung: im Beginne: Ruhe, Bader, Blutegel Therapie.
am Riicken, Ableitung auf den Darm, Schwitzkuren;
spater: Gymnastik, Orthopad.
lahmung
Stellung)
Fig. 14.
Behandlung.
b) chronische Poliomyelitis ant.
Die „chronisch atrophische Spinallahmung" ist
eine seltene Erkrankungj- bei Erwachsenen, bei der sich
mehr oder weniger rasch eine schlaffe Lahmung der
unteren, dann auch der oberen Extremitaten entwickelt
mit folgender degenerativer Atrophie. Reflexe er-
loschen. Sensibilitat und Blase normal. Manche Muskeln
konnen verschont bleiben. Besserungen sind moglich.
— 176 —
Ausschliesseii: Myelitis lumbalis (Sensibilitats-
storungen), Neuritis multipl. (s. d.)
Behandlung: Bader, Elektricitat, symptomatisch.
I J. Die Tabes dorsualis.
(Tafel 72; 73; 77, 5; 57, 4.)
Wesen. Der Tabes liegt ein chronisch progressive!' De-
generationsprozess im peripherischen sensibeln
Neuroncomplex insbesondere der unteren Ex-
tremitaten zu grunde. Besonders sein aus den Spi-
nalganglien durch die hinteren Wurzeln zum Riicken-
mark und innerhalb desselben verlaufender Teil de-
generiert am ausgedehntesten (die langen Balineii in
den Hinterstrangen, die kurzen in die Hinterhorner,
Clarke'schen Saulen, Yorderhorner einstrahlenden s.
S. 44). Doch auch in dem periph. Abschnitte des
Neurons, in den sensibeln Hautnerven bestehen de-
generative Prozesse. Ausser diesen Bahnen erkranken
aber bei der Tabes haufig auch noch andere teils
sensible (centrale), teils auch motorische (periph. und
centrale Neuroncomplexe (combinierte Formen).
Am regelmassigsten gehen zuerst bestimmte Re-
flexbahnen zu grunde (Reflexcollateralenr), so die des
Patellarreflexes, des Pupillarreflexes. Ueber den Aus-
gangspunkt der Erkrankung sind wir noch im unklaren.
Genaueres iiber die Anatomic der Tabes siehe
Tafel 73, 74.
Am haufigsten sind, vvie gesagt, die periph. Neu-
roncomplexe der unteren Extremitaten befallen, seltener
nur die der oberen (hohe Tabes), isoliert oder combi-
niert damit befallt der Prozess auch das periph. Neuron
des Quintus (bes. abst. Wurzel), glossopharyngeus etc.
Das alles sind nur verschiedene Arten ein und der-
selben Krankheit.
A Is Ursache des Degenerationsprozesses ist voraus-
gegangene Syphilis fiir einen betrachtlichen Teil der
Ealle statistisch sichergestellt.
— ^17 —
Die langsam sich entwickelnden Symptome be- Veriauf,
dingen drei Stadien:
1) das neuralgische Stadium.
Es treten heftige, anfallsweise sich verschlimmernde
Schmerzen auf , die meist blitzartig , reissend in die
Beine ausstrahlen (lancinierendc Schmerzen, Reizungs-
symptom der hinteren Wurzcln?) auch Parasthesieen
bestehen haufig, schmerzhafte, druckende Sensationen
in der Bauch-Magengegend (Giirtelgefiihl, Reifgefiihl).
Kommt der Kranke jetzt zum Arzt, so bestehen
meistens schon die zwei in ihrer Vereinigung patho-
gnomischen Tabessymptome :
i) reflectorische Pupillenstarre (Fehlen der
Lichtreaktion, Akkommodationsreaktion vor-
handen, enge Pupille) iind
2) erloschener Pat ell a rs eh n en re flex (West-
phal'sches Zeichen), trotz Jendrassik.
2) Das ataktische Stadium.
Dies kann nach verschieden- (jahre-)langem An-
dauern des erstern sich anschliessen. Es tritt die
charakteristische tabischeGangstorung auf, die A taxie.
Der Gang wird schleudernd, stampfend, ungeschickt,
aber nicht paretisch. Die Unsicherheit nimmt bei
Augenschluss betrachtlich zu (Romberg's Phanomen).
Ausserdem bestehen leichte Blasenstorungen, abge-
stumpfte Schmerz-, auch Temperaturempfindung, Atro-
phia optici kann auftreten.
3) Das paralytische Stadium.
Auch dies tritt nach verschieden langer Zeit auf.
Die Ataxic nimmt zu, wird auch bei Bewegungen im
Belt sehr deutllch, der Gang wird mehr und mehr
paretisch-ataktisch, schJiesslich unmoglich. Eine eigent-
liche Lahmung tritt fiir gewohnlich niemals ein.
Die Blasen-, Sensibilitatsstorungen nehmen zu.
Die andauernd vorhandenen lancinierenden Schmer-
zen steigern sich zu den tabischen „Krisen", als
12
- 178 -
welche heftige qualvolle Anfalle von Brechen, Husten,
Atemnot etc. (gastrische, lar\'ngeale etc. Krisen) be-
zeichnet werden.
Gelenksexsudationen, Arthropathieen (trophisch ?),
Geschwiirsbildungen (Mai perforant) sind haufig.
Nicht selten kommen schon frtiher Augenmuskel'
lahmungen, Trigeminuslahmungen, migraineartige Zu-
stande u. s. w. vor.
Diagnose. Die Diagnose der Tabes ist eine leichte in den
gewohnlichen Fallen, sie kann aber durch ungewohn-
lichen Beginn, Fehlen wichtiger S\'mptome (keine
Pupillenstarre, erhaltener Patellarreflex) recht schwierig
werden.
Auszuschliessen: multiple Neuritis (s- d.) heredi-
tare Ataxic (s. d.)
Therapie. Behandlung: antiluetische Kuren sind von zweifel-
haftem Nutzen, Baderbehandlung, Ruhe, Massage,
Ernahrung, Elektricitat, Suspensionsbehandlung (ver-
lassen), Argent nitr., Jodkali, Secale cornut. s. v.
Antinervina, Narcotica.
14.. Die hereditdre Ataxie. (Friedreich'sche
Krankheit).
(Siehe Tafel 76).
Wesen. Sie ist eine combinierte Systemerkrankung ; ausser
der Degeneration in den Hinterstrangen des Riicken-
marks besteht noch eine solche in der Kleinhirnseiten-
strang- und Pyramidenbahn. Kleinhirnbeteiligung ist
wahrscheinlich. Die Erkrankung tritt haufig familiar auf.
Verlauf. Sie beginnt im jugendlichen Alter mit einer an
Intensitat zunehmenden Coordinationsstorung in der
Bewegung und Haltung der Extremitaten, des Rumpfes,
Kopfes.
Ataxie der Beine , Arme , Romberg'sches Phii-
nomen ; Rumpfataxie besteht sowohl bei Bewegungen,
als auch in der Ruhe, beim Sitzen. Der Gang ist
taumelnd, dem cerebellaren ahnlich, die Parese tritt
mehr in den Vordergrund.
— 179 —
Ausscrdem besteht noch Nystagmus, auch leichte
Sprachstorungen, leichte Sensibilitats- unci Blasenstor-
ungen.
Der Patellarrefiex ist erloschen , der Pupillar- Diagnose.
reflex normal (contra Tabes!). Die neuralgischen
Schmerzen der Tabes fehlen ebenfalls.
Die Krankheit schreitet langsam welter bis zu
volligcr Lahmung. Dauer viele Jahre. Heilung un-
bekannt.
Behandlung, symptomatisch.
Aehnlich wie die hereditare Ataxic gibt es noch
andere Formen combinierter Systemerkr ank-
u n g , die im ganzcn mehr die Symptome der spastischen
Spinalparalyse mit leichten Sensibilitats- und Blasen-
lahmungen auch Ataxic aufweisen. Hieher gehort eine
hereditar auftretende Form der spastischen Spinal-
paralyse fPyramidenbahn, Hinterstrange , Kleinhirn-
seitenstrangbahnj und noch andere weniger bekannte
Arten.
IV. Die Krankheiten der peripherlschen Nerven.
A. Die Erkrankungen einzelner Nerven.
Die verschiedensten Ursachen konnen zu Lasionen
peripher. Nerven fiihren; ausser Traumen konnen Ge-
schwlilste aller Art (Weichteilgeschwiilste, kleine Exo-
stosen in Knochenkanalen, Neurombildung), narbige
Prozesse, entziindliche P>krankungen mechanisch
schadigend wirken (Compressions- Neuri tis); ebenso
haufig kommt es zu chemisch bewirkten krankhaften
Vorgangen durch die Bildung toxischer Substanzen
bei oder nach akuten Infektionskrankheiten, durch die
einzelne Nerven geschadigt werden (Neuritis toxica),
auch spontane (entziindliche?) Erkrankung von pLinzel-
nerven (Neuritis rheumatica) kommt nicht selten
vor (bes. Neuritis facialis).
Bei schweren neuritischen Prozessen kommt es zum
vollkommenen degenerativen Nervenfaserzerfall mit
12*
i8o
Ausgang in bindegewebige Sklerose, leichtere, wenn
auch degenerative Prozesse konnen im Nerven (Ge-
gensatz zum Riickenmarkl) durch vollkommene Re-
stitution wieder ausheilen (parenchymatose Neuritis).
Man unterscheidet demnach Erkrankungsformen von
verschiedener Schvi^ere.
i) Die Erkrankungen motorischer JVerven.
Alle Lasionen oben genannter Art rufen, wenn
rein motorische oder gemischte Nerven davon betroffen
sind, teils Lahmungen teils Reizerscheinungen (lokali-
sierte Muskelkrampfe) in dem betreffenden Gebiet
hervor.
Bei den Lahmungen unterscheidet man nach
der Dauer (abhangig von der Schwere des neuritischen
Prozesses) verschiedene Formen, eine schwere, mittel-
schwere, leichte Form (Naheres iiber deren Diagnose
siehe Elektrodiagnostik IV, S. 103).
Die haufigste Lahmung ist die Facialislahmung
(meist rheumatisch, Ohrerkrankungen !), die Radialis-
lahmung (meist Compressionslahmung, Schlaflahmung,
toxisch als Bleilahmung), O c u lo m ot o r iuslahmung
(postdiphtheritisch), Recur r enslahmung (Compression
durch Aneurysmen, Tumoren), Access oriuslahmung,
Lahmung vom Plexus brachialis (Entbindungs-
lahmungj, Medianus- und Ulna ri slahmung (durch
Verletzungen). Naheres iiber die Symptome dieser
und anderer moglicher Lahmungen s. IV, 3 S. 90 ff.
Von den durch Erkrankung peripherischer Einzel-
nerven hervorgerufenenlokalisierten Muskelkrampfen
sind die haufigeren:
Der Facialiskrampf (klonische Zuckungen
der gesamten Facialismuskulatur einer Seite,
Tic convulsif), eine partielle Krampfform
bildet der B lepharospasmus (tonisch und
klonischer Lidkrampf),
Der Kaum us kelkrampf (Trismus, eine tonische
Krampfform, haufiger central bedingt),
i8i
Der Accessoriuskrampf, Torticollis spastica,
eine schwere tonisch-klonische Krampftorm
bei der ausser CucuUarius, Sternocleidomast.
auch oft die anderen, aus dem Plexus cer-
vicalis innervierten Nackenmuskeln (Splenius
etc.) betciligt sind. Die letzteren konnen
auch allein befallen sein.
Der k Ionise he Zwer c hf e llskra mp f, Sin-
gultus, der Wadenkrampf (crampus sensu stric-
tiori) u. A.
Die Ursache dieser Krampfe ist aber durchaus
nicht immer eine Lasion der peripher. motor-
ischen Nerven, haufig sind sie reflektor isch
ausgelost (z. B. bei heftigen neuralgischen Schmerzen
u. s. w.).
Sehr schwer ist es sodann oft, die central
(psychogen) bedingten Krampfiformen von denen rein
peripherischcr Entstehung zu scheiden. Auch beide
Ursachen konnen zu gleicher Zeit die Entstehung von
Krampfen verursachen (central bedingte Disposition,
peripherisch wirkende auslosende Ursache).
Zu den in diesem Sinne aufzufassenden Krampf-
formen gehoren die G a h n - , L a c h - , W e i n - , S c h r e i -
krampfe (s. Hysteric), der salta tori sche Reflex-
kr am pf (Zuckungen beim Versuch zu gehen), der Pa-
ramyoclonus multiplex (s. Hysteric), sowie die
sogenannten B eschdftigimg snettrosen^ welche bei neu-
rasthenisch veranlagten Personen als Storungen haufig
coordinatorischer Natur in den Muskelfunktionen fiir
gewisse berufsmassig ausgefiihrte bes. Handarbeiten
(Schreiben, Nahen, Violin-, Klavierspielen u. a.) ein-
treten).
Der Schreibkrampf (Mogigraphie) besteht in
unwillkiirlich eintretenden Krampfen der Hand- und
Eingermuskeln , Zittern und Schwache derselben,
schmcrzhaften Empfindungen daselbst; dadurch kann
anhaltendes Schreiben vollkommen unmoglich gemacht
werden (spastische, paralytische, tr^morartige. neu-
— l82 —
ralgische Form). Psychische Erregung, Angst steigert
das Unvermogen (Analogic mit dem Stottern).
Therapie. Behaudlung : zeitweises Aussetzen mit Schreiben,
dicke Federhalter (Nussbaum'scher Halter), kalte Wasch-
ungen, Massage, g)-mnastische Uebungen, elektrische
Behandlung — Schreibmaschine.
Anmerkung: Aehnlich den Beschaftigungskrampfen kommen auch
Beschafligungslahmungen (auch mit Muskelatrophie verbunden)
vor bei anstrengeuden Berufsarbeiten, bei Schmieden, (kleine
Handmuskeln) , Trommlern (Daumenlahmung). die Melker-
lahmung (ulnanslahmung) u. A,
Die Behandlung der anderen Lahmungs- und
Krampfformen ist bei den leichteren Fallen kaum notig,
sie heilen von selbst (doch elektrisiert, massiert man),
bei den schweren Formen ist die Behandlungr von recht
wenig Nutzen (Beseitigung der event, zu eruierenden
Ursache, Elektricitat, Gymnastik, Massage, Bader, Haut-
reize, ferrum candens bei Krampfen^ uber psychische
Behandlung s. Hysteric, Neurasthenic).
2) Dieselben verschiedenen Ursachen rufen bei
sens/del/i Nerven teils Anasthesie im Ausbreitungs-
bczirk als Lahmungs symptom, teils heftige aus-
strahlende Schmerzen in dem betreff. Gebiet als
Re izungs symptom her vor.
Letztcre sind viel bedeutungsvoUer wie erstere.
Diese anfallsweise eintretenden Schmerzen, Neural-
gic en, sind nicht selten von Parasthesieen, auch leichten
Sensibilitatsstorungen im betreffenden Hautgebict be-
gleitct. Sie entstehen am haufigsten im Anschluss an
schwere Infektionskrankhciten (Malaria, Influenza) auch
bei anderen toxischen Erkrankungen (Diabetes, Syphilis,
Gicht, Nephritis), durch mechanische Schadigungen
(Tumoren, Narbcn, Neurome). Spontan akut auftretende
Formen (Neuritis .r") konnen von Hauterkrankungen
(Herpes zoster, Urticaria, Erytheme) begleitet scin.
Eine Neuralgic darf man nur diagnosticieren, wenn
die Schmcrzanfallc genau dem Ausbreitungsgebiet dcs
betreff. Nerven ev. Nervenastes entsprechen, vvcnn ferner
- i83 -
der Nerv (bes. am Austrittspunkte aus seinem Kanal)
diuckempfindlich ist. Haufig" lasst sich der neuralgische
Anfall von solchen Druckpunkteii (points douloureux)
auslosen.
Die haufigsten Neuralgieen sind:
Die Tri gemi n u s n e u ralg" i e (tic doulou-
reux, reflekt. Facialiskrampf), die meist nur einen
Ast (Supraorbital- , Infraorbital- , Inframaxillar- , auch
Zungen-Neuralgie) betrifft, Druckpunkte an den Aus-
trittsstellen (inciss. supraorbitalis, for. infraorbitale, for.
men tale).
Sodann die Occipi t a Ineura Igie (occ. major),
die Intercostal neuralgie (n. intercostales), die
Neuralgic ischiadica (n. ischiadicus), Ischias.
Diese hartnackigste , haufige Form bedingt
Scbmerzen. von der Hufte bis zum Knie, event, zum
aussern Fussrand (Ischiadicus - Gebiet) , Druckpunkte
sind am foram. ischiadicum , in der Mittellinie der
hinteren Oberschenkelflache in der glutaeal-Falte, in
der Kniekehle, Schmerzen treten ferner auf bei Beugung
des Oberschenkels , wahrend gleichzeitig der Unter-
schenkel gestreckt wird (Dehnung des Nerven). Die
Schenkelmuskulatur kann atrophieren , Riickgratsver-
kriimmungen (Skoliose) konnen eintreten. (Aus-
schliessen : Rectumcarcinom , Coxitis, Tabes dorsalis ;
Urinuntersuchung !)
Andere Neuralgien sind: Neuralgia spermatica
(irretable testis), die Coccygodynie, Gelenksneuralgieen.
Rehandlung: eventuell das Grundleiden (Lues!) Therapie.
Galvanisieren (Anodenbehandlung, schwache Strome),
Hautreize (Senfpapier , Blasenpflaster, Schropfkopfe),
Schwitzkuren, heisse Bader, Breiiiberschlage (oft besser
als Eis), Einreibungen, Massage.
Antineuralgica (Salicyl, Antipyrin, Analgen etc.),
Arsen, Jodkali.
Nur in schwersten Fallen Morphium, Cocain.
Operative Resectio nervi, Dehnung (bei ischias).
— i84 —
B. Die multiple Neuritis.
(Tafel 78.)
Wesen. - Sie beruht auf einer gleichz eitigen Erkrank-
ung mehrerer Nerveii und ist fast ausschliesslich
toxischen oder infektiosen Ursprungs. Sie
kommt vor im Gefolge der Diphtheric, Tuberkulose,
Typhus, Influenza, Eiysipel, ferner bei SyphiHs, Gonor-
rhoe, Diabetes, Alkohohsmus, bei Blei-, Arsen-Ver-
giftung u. s. w.
Anatomisch findet sich meist eine parenchyma-
tose Degeneration (primarer Zerfall der markhaltigeii
Nervenfasern) mit wohl nieist sekundaren interstitiellen
Veranderungen (Rundzelleninfiltration, Sklerose), seltener
als diese parenchyma tose Neuritis ist der Be-
ginn als Perineuritis und in ters ti tiell e Neu-
ritis. Eine (wenn auch nicht immer nachweisliche)
Beteiligung von Ganglienzellen im grauen Vorderhorn
ist fur viele Falle wahrscheinlich, strittig aber ist ihre
Bedeutung (sekundar, primar }).
Verlauf. Die muhiple Neuritis setzt meist ziemhch akut,
mit fieberhaften Allgemeinsymptomen, schmerzhaften
Empfindungen , Parasthesieen ein und fiihrt rasch zu
einer Muskellahmung, bei schweren Fallen ist dieselbe
von degenerativer Atrophic gefolgt , die meist eine
bestimmte symmetrische Verteilung einhalt, in andern
F'allen kann mehr eine ataktische Bewegungsstorung
verbunden mit Muskelparesen vorherrschen. Am
haufigsten sind betroffen die Streckmuskehi an Armen
und Beinen (Extens. dig. et carpi, Quadriceps), Psoas,
Peronei, doch ist kein Muskel ganz auszunehmen.
Die Reflexe erloschen (innerhalb des befallenen
Gebiets) , SensibiHtatsstorungen treten auf (Hyper-
asthesie, Parasthesie, Anasthesie), die Muskeln konnen
alle verschiedenen Formen der EaR (s. IV, S. 105) auf-
weisen. Nervenstamme und Muskulatur sind bei Druck
recht empfindlich schmerzhaft.
Nach verschieden langer Zeit (Wochen — Monaten,
akute, subakute, chronische Form, s. Electrodiagnostik)
i8s
tritt eine langsame Besserung ein, vollkommene Heil-
ung ist der gewohnliche Ausgang, schwere Falle konnen
rasch zum exitus fiihren (vagus-, phrenicus- etc. Be-
teiligung) oder Cornplikationen.
Je nachdem mehr die motorischen oder sensibeln
ev.coordinatorischen Storungen vorwiegen, unterscheidet
man eine motorische, sensible, ataktische Form,
doch ist eine vollkommene Trennung nicht durchfuhr-
bar, die Symptome setzten sich meist nach alien drei
Formen zusammen. Die ataktische Form wird wegen
ihrer Aehnlichkeit mit der Tabes die Pseudotabes ge-
nannt. Die Hauptformen sind :
a) JVeuritis alcohoUca.
Motor. Form : schlaffe, doppelseitige Lahmung
der Peronei, Quadriceps, glutaei , extensores
carpi et digitorum com., extensor pollicis etc.
Patellarreflex erloschen, Sensibilitatsstorungen,
Parasthesieen.
In andern P'allen treten mehr die ausstrahlen-
den Schmerzen, Parasthesieen, die Druck-
empfindlichkeit der befallenen Nerven und
Muskeln, wieder in anderen mehr eine ataktische
Gangstorung mit Muskelparesen ev. Atrophien
(erhaltenen Pupillenreflexen contra Tabes) in
den Vordergrund. (Aehnlich die diabetische
Polyneuritis.)
Nicht selten bestehen zu gleicher Zeit andere
Erscheinungen des Alkoholismus (psychische
Storungen, Delirien, maniakaHsche Zustande,
Verwirrtheitj.
b) JVeurztis diphtheritica^ tritt besonders als mo-
torische Form auf mit Schlinglahmung (acces-
sorius-vagus), Augenmuskellahmungen (Doppel-
sehen), Akkommodationslahmung; in schvveren
Fallen erloschen die Patellarreflexe, es kommt zu
schlafifer Extremitatenlahmung, Yaguslahmung.
c) JVetiritis saturnina (bei Schriftsetzern, Tun-
chern etc.) Sie befallt besonders die von N.
— i86 —
radialis versorgten Streckmuskeln am Vorder-
arm fur Hand und Finger (ausser supinator
long.), ausserdem bestehen sensible Reizer-
scheinungen, Bleikolik, Parasthesieen,' leichte
Sensibilitatsstorungen.
d) Die Arsenneiirltis ruft besonders heftige sen-
sible Erscheinungen (Parasthesieen in den Fingern,
Schmerzen, Sensibilitatsstorungen) neben den
Lahmungsymptomen hervor.
Anme rkung: Als Akroparasthesie (schmerzhafte Paraslhesieen
in den Fingerspitzen) ohne motorische Slorungen , wird eine
der Arsenneuritis ahnliche Eikrankung uubekannten Wesens
bezeichnet.
e) Polynetiritis infectiosa.
Sie ist unbekannten, aber wohl sicher infektiosen
Urspr.ungs. Beginn mit fieberhaften Allgemein-
symptomen, heftigen, neuralgiformen Schmerzen
(bei Druck und spontan auftretend); dann rasch
sich zur schlaffenLahmung entvvickelndeMuskel-
schwache, meist zuerst der Beine, dann der
Arme (aufsteigende Form) ; die Sehnenreflexe
erloschen, Sensibilitatsstorungen, Oedeme, Puls-
beschleunigung, Atembeschwerden (Vagusbe-
teiligung) treten auf,
DieDauer kann verschieden lang sein, Heilung
ist die Kegel, exitus durch Vaguslahmung.
Man hat diese Form frtiher als „Landry'sche
Paralyse" bezeichnet; Riickenmarksverander-
ungen konnen (wohl sekundar?) vorhanden sein
in P^orm bestimmter Degenerationen. Doch
kommen auch Falle mit begleitender herd-
formiger Myelitis (fvlyelo-Neuritis) vor, Ihre
exakte Diagnose ist schwierig, die Prognose
ungiinstig.
Anme rkung. Eiii ahnliches Krankheitsbild ruft die wohl auch
aciologisch mit der Polyneuritis infectiosa verwandte Poly myo-
sitis acuta hervor. Nur tritt hier mehr die Druckschmerz-
haftigkeit der Muskeln vor den neuritischeu Schmerzen zutage,
auch fehlen Sensibiiitcitstorungen, EaR, dagegen bestehen fieber-
— 18/ —
hafte Allgemeinsymptome, schwere Lahmungszustande, Oedeme,
(Auszuschliessen Trichinosis.)
Anatomisch finden sich entziindliche Veranderungen in den
Muskeln (Rundzelleninfiltration etc.)
Myositische Veranderungen finden sich haufig auch bei pri-
marer Neuritis.
Bei der Diagnose der Neuritis in ihren verschie- Diagnose,
denen Formen hat man auszuschliessen: Tabes dor-
sahs (Pupillenstarre , Blasenstorungen , Augenmuskel-
lahmungen , Ueberwiegen der Ataxic, Zuriicktreten
der Muskelparesen im Anfangsstadium , Anamnese),
Myehtis lumbaiis (Blasenstorungen, keine Nerven-
druckschmerzhaftigkeit) , PoliomyeHtis anterior (keine
Sensibihtatsstorungen , keine Druckschmerzhaftigkeit,
keine spontanen Schmerzen). Urinuntersuchung (Ei-
weiss, Zucker, Blei) sehr wichtig.
Behandlung: Beseitigung der Ursache (Alkohol, Therapie.
Blei), ev. antiluetisch, Ruhe, Salicyl, Antipyrin, spater;
Elektricitat, Gymnastik, Massage, Bader.
V. x^ndere Erkrankungen des Nervensystems
z. T. unbekannten Wesens und Sitzes.
1) Aiorbus Basedowu wird der Symptomen-
complex: Exophthalmus, Struma (vasculosa), Tachy-
kardie (100 — 160 Puis, wechselnd) in Verbindung mit
anderen nervosen Erscheinungen genannt. Zu diesen
gehoren : Zittern, abnormes Schwitzen, Hitzegefiihl,
Reizbarkeit. An den vorstehenden Augapfeln ist der
Lidschlag selten (Stellwag), das obere Lid folgt nicht
der Bulbusbewegung nach unten (bleibt zuriick, Grafe),
die recti int. sind oft insufticient (Moebius- Symptom).
Man hat die Krankheit als verursacht durch krank-
hafte Thatigkeit der Schilddriise (toxisch) aufgefasst,
andere suchen den Sitz in der Medulla oblongata.
Die Symptome konnen verschieden stark ausge-
bildet, beziehungsweise nur angedeutet sein (atypische
— i88 —
Formen). Die Dauer der Erkrankung betragt viele
J ah re.
Behandlung: Brom, Arsen. phosphors. Natron
(2 — 10 gr pro die\ Digitalis ohne Erfolg, Ernahrung,
Elektricitat, Abreibungen, Bader.
*2) Myxoedem.
Das Myxoedem entwickelt sich gleichzeitig mit
einem Schwund der Schilddriise, steht also sicher im
Zusammenhang mit Erkrankung dieser Driise, das Fehlen
ihres Sekretes scheint die Ursache des Prozesses zu
sein (Gegensatz zu Morbus Basedowii ?), bei operativer
vollkommener Schilddriisenexstirpation tritt ein ahn-
hcher Zustand ein (Kachexia strumipriva).
Die Symptome des Myxoedems sind : Das x-\uf-
treten eines deformierenden Oedem in der Haut des
Gesichts, der Hande. Die Haut verdickt sich , wird
abschilfernd. trocken. Die Bewegungen werden un-
geschickt, plump. Es tritt geistige Apathie , De-
menz ein.
Behandlung: mit gutem Erfolg durch Genuss von
Schilddriisensubstanz. subkutane Saftinjektion, Glycerin-
extrakt , Schilddriisentabletten , Thyreoidin. siccum
innerlich.
3) Akromegalie.
(Tafel 77, 3).
Bei dieser ratselhaften Krankheit tritt ein lang-
sames abnormes Wachstum der Finger, Hande, Fiisse,
Nase, Lippen, Kiefer (der „Spitzen", „akra", desKorpers)
ein. das zu dauernder Entstellung fiihrt. Sehnerven-
atrophie , Augenmuskellahmung entsteht durch den
Druck der haufig auch vergrosserten Hypophysis cerebri
in der sella turcica. Glycosurie ist ofters vorhanden.
Andere hiehergehorige Frozesse sind vorne, Ab-
schnitt I\", 4, schon kurz erwahnt (Hemiatrophia
facialis, Oedema cutis circumscriptum,
Erythromelalgie, symmetrische Gangrain u. a.)
— iSg^ —
4) Tetanic.
Sie besteht in anfallsweise auftretenden tonischen
schmerzhaften Krampfen besonders der Beugemuskeln
der Finger (Pfotchenstellung), Arme, Zehen. Die
Krampfe treten symmetrisch auf und konnen durch
Druck auf die Nervenstamme ausgelost werden (Trous-
seau'sches Phanomen). Die Anfalle konnen sich
mehrere Wochen und langer fort wiederholen.
Anmerkung. Tetani forme Krampfe (besonders der Finger-
beuger, Wadenmuskeln) sind ein sehr haufiges Symptom bei
Neuritis, bei Alkoholikern, Magenleidenden, aber auch bei
sonst gesunden Personen (Handarbeiterinnen etc).
Der Tetanus ist eine Wundinfektionskrankheit,
bedingt durch die Gifte (Tetanotoxin) des Tetanus-
bazillus. Durch diese Sekundarinfektion auch bei ge-
ringfugigen Verletzungen, werden tonische Krampfe
der gesamten Korpermuskulatur hervorufen.
VI. Abschnitt.
Bemerkungen zum Sectionsverfahren und zur
Ausflihrung der mikroskopischen Untersuch-
ung des Nervensystems.
Bei der Section der Gehirn-Riickenmarkshohle
hat man in erster Linie auf eine eventuelle spatere
mikroskopische Untersuchung der Centralorgane
Riicksicht zu nehmen ; eine solche muss zur genaueren
Feststellung der anatomischen Verhaltnisse in vielen
Fallen ausgeRihrt werden, da haufig das makroskopisch
erkennbare Verhalten nur bei grobsinnlichen Herd-
erkrankungen, nie aber bei den verschiedenen Formen
der degenerativen Erkrankungen brauchbare Resultate
liefert.
Gegen diesen leitenden Gesichtspunkt wird leider
vielfachst gefehlt.
Die Section soil in solchen Fallen moglichst
rasch nach dem Tode, nie spater als 24 Stunden
post exitum ausgefiihrt werden , bei Riickenmarks-
erkrankungen lasst man zur Vermeidung storender post-
mortaler Blutsenkungen die Leiche bis zur Section
auf dem Bauch liegen.
Der grosste Fehler bei sonst lege artis ausge-
fuhrter Section wird durch riicksichtsloses Schneiden,
Driicken und Zerren gemacht, dadurch wird haufig
eine geordnete eingehende Untersuchung unmoglich
gemacht.
Schon bei der Herausnahme des Gehirns wird
haufig gefehlt; wenn die Haute (tentorium etc.) nicht
vollkommen gelost, das Halsmark, die Gehirnnerven
nicht ganz getrennt sind, so muss abnorm stark ge-
zerrt werden und dies kann z. B. auf erweichte Ge-
hirnteile einfach vernichtend wirken.
— 191 -
Sodann wcrden meist iinnotig viel Sclinittc in
die Ccntralgaiif^lien, Vierluigel etc. gemacht und da-
durch cine spatere Orientierung auf Schnittserien
ausserst erschwert. Es ist iiblicli, diese Schnitte durch
die Cejntralganglicn schrag zu setzen, hiedurch kommeii
solche Verschiebungen der weichcn Hirnmasse zu
stande, dass man sich auf einem mikroskopischen
Schnitt spater iiberhaupt nicht mehr auskcnnt, in
solchcn Fallen sollen exaktc horizon tale oder
fro n tale Schnitte gemacht werden, am besten gar
kcine am frischen Gehirn,
Mit Wasser darf das Gehirn niemals in Be-
riihrung kommen, sonst wird die spatere Hartung
z. T. illusorisch.
Am besten ist es, nach ErolTnung eines Herdes
durch cinen horizontalen oberflachlichen Schnitt auf
die sofortige Klarlegung aller Einzelheiten prinzi-
piell zu verzichten (man erreicht durch noch so
zahlreiche Schnitte doch nicht viel mehr), und eine
genaue Untersuchung erst nach Hartung in Miillerscher
Losung '''■) vorzunehmen. Dies kann, wenn das Ge-
hirn in der Warme (30^, nicht mehr!) steht, und die
Seitenventrikel gcoffnet, der Balken abgelost ist, schon
nach einigen Wochen ohne Schaden geschehen, Man
orientiert sich dann viel leichter und erkennt Irisch
unsichtbare Degenerationen auf den ersten Blick.
Das Riickenmark wird bei der Herausnahme durch
Stemmeiscn , Zange oft maltratiert, besonders er-
krankte (erweichte) Stellen reissen bei jedem starkeren
Zuge oder Druck. Auch hier lege man anfanglich
nicht zu viel Schnitte an, man sieht doch nicht viel
sicheres. Gut ist es, beim Losl osen der h i nteren
Wurzeln das Messer moglichst weit aussen einzu-
setzen, man erhalt so meist, im Lendenmark stets
einen Teil der S p i n a 1 gan g 1 i e n im Zusammenhang-
mit den hintercn Wurzeln.
*) Kali bichioni. 2.0, Natr. sulfur, i.o, Aq. destill. 100. o.
— 192 —
Ueber die Herausnahme etwa erkrankter Nerven
und Muskcln mache man sich vor der Section
schon schliissig, mit Ueberlegung des Krankheitsver-
laufes, man bereut sonst haufig zu spat eine Unter-
lassungssiinde. Die Nerven warden an kleine Holz-
stabchen festgebunden und wie die Muskeln genau
etikettiert (Name, Seite, Hohe der Entnahme).
Das Sectionsprotokoll sei so ausfiihrlich als miOg-
lich, das Verhalten der Schadel-Wirbelknochen, der
Haute, Blutgefasse ist genau anzugeben, ebenso der
Inhalt der Ventrikel (vor der Herausnahme des Ge-
hirns) nachzusehen.
Die mikrosko^ische Untersuchung kann in ein-
zelnen Fallen (bes. frischen Herderkrankungen) sofort
bei der Section am nicht geharteten Centralorgan aus-
gefuhrt werden. Man schneidet mit der Schere ein
kleines Stiickchen los und zerzupft es auf dem Ob-
jekttrager (Kornchenzellen , zerfallene Nervenzellen
und Fasern, zerfallene Mukelfasern sind als solche zu
erkennen).
Deutlicher werden sie durch rasche Farbung (Zu-
satz eines Tropfens einer i^/^ Methylenblaulosung,
einer Hamatoxylinlosung).
Degenerierte Partien legt man nach der Ent-
nahme in kleinsten Stlickchen in i^/o Osmiumsaure-
losung (im Dunkeln aufzubevvahren), nach 24 Stunden
haben sich die Zerfallsprodukte (Fettkornchen) schwarz
gefarbt. Dies Verfahren ist noch besser an Stucken,
die in Miiller'scher Losung (nicht in Alkohol 1) lagen,
anwendbar (Marchi'sche Methode).
Zu alien systematischenUntersuchungen ist die vor-
hergehende Hiirtung unerlasslich. Dieselbe ge-
schieht in Miiller'scher Losung und in Alkohol, je
nach dem Endzweck, der beabsichtigt wird.
Kommt es hauptsachlich auf die Untersuchung
der Nervenfasern an (Dcgenerationen), so muss in
Miiller'scher Losung, wenn auf die der Ganglien-
— 193 —
zellen i^EntzLlndliche, degenerative Prozesse), so muss
in Alkohol gehartet werden.
Haufig kommen beide Zwecke in Betracht ; da
man nun an Stiicken, die in Miiller'scher Losung ge-
hartet sind, auch leidliche Zellfarbung zu stande bringt,
so ist es am geratensten, den Hauptteil von Gehirn-,
Riickenmark, Nerven und Muskeln in MuUer'scher
Losung zu harten , dabei aber nicht zu versaumen,
wichtigere kleinere Stiickchen frisch in absolutem Al-
kohol zu harten. An den letzteren konnen auch
Bakterienfarbungen ausgefiihrt werden.
Die Hartung in Miiller'scher Losung beansprucht
fiir ein Gehirn mehrere Monate, kann aber bedeutend
abgeki-irzt werden, wenn das Gefass bei ca. 30^ (nicht
hoher) autbewahrt wird.
Die Losung soil reichlich zugesetzt werden. In
den ersten 6 Tagen (in der Warme) ist dieselbe taglich,
spater in grosseren Abschnitten zu erneuern. Mit der
Zunahme der Hartung legt man von Zeit zu Zeit
auch neue Schnitte (horizontal oder frontal) an, um
das Eindringen der Chromsalze zu ermoglichen.
Man untersuche nur nach vollkommener Hartung,
man erhalt sonst unliebsame Kunstprodukte bei der
Farbung.
Die Hartung in Alkohol geht in einigen Tagen
vor sich (mehrmaliges Wechseln von Alcohol absolutus).
Nach der Hartung in Miiller'scher Losung muss
nach vorheriger Zerlegung in diinne Stiicke in Alko-
hol nachgehartet werden (ohne entwassern, falls Mark-
scheidenfarbung beabsichtigt !). Dann erfolgt zum Zwecke
des Zerlegens in Schnittserien die Einbettung in
Celloidin (zuerst in sehr dimner_, dann in dickerer
Losung). Nach 5 — 20 Tagen auch mehr (je nach der
Stiickgrosse) werden die Stiicke aufgeklebt und in
70 °/o Alkohol gelegt. Nach einigen Stunden sind sie
schnittfahig.
Die Zerlegung erfolgt durch das Mikrotom, die
Schnitte branch en nicht sehr diinn zu sein. Kommt
— 194 —
es darauf an, die Schnittserie ununterbrochen zu
haben , so legt man festes , vorher etikettiertes
Closetpapier, mit Zuckerlosung bestrichen, in einen
Teller, darauf kommt eine Schicht dunnfliissigen
Celloidins und man legt nun der Reihenfolge nach
jeden Schnitt neben den andern auf das Papier, auf
dem er fest anklebt; (Aufbewahren in 70^0 Alkohol).
Die spater zu untersuchenden Schnitte werden durch
Einlegen des Papieres mit der Serie in Wasser von
der Unterlage sofort gelost.
Die Farbung erfolgt fiir die Nervenfasern durch
die W e i g e r t-P a r s c h e Hamatoxylin-Mark-
schei den farbung, fur die Zellen durch Karmin-
farbung (event, auch Karmindoppelfarbung) an Stiicken
aus Miiller'scher Losung. an Alkohol geharteten Stiicken
durch die Nissl'sche Methylenblau farbung
(Naheres in den technischen Lehrbiichern von Kahlden,
Friedlander-Eberth u. A.).
Durch die Markscheidenfarbung erhalt man
eine sichere Schwarzfarbung aller markhaltigen Nerven-
fasern; wo solche normalerweise nicht vorhanden, oder
wo sie degeneriert und geschwunden sind, bleibt daher
die Schwarzfarbung aus, diese Stellen erscheinen also
ungefarbt, hell, die Fettkorper der Markscheide gehen
mit dem Hamatoxylinfarbstoff eine constante , feste
chemische Vereniigung ein, deren Ausdruck eben die
Schwarzfarbung ist.
Die modernste Methode, die Silb erim pr ag-
nation nach Golgi, (Cajal) kann fur patholog.
Falle nur unter gewissen Voraussetzungen angewendet
werden, da sie ungleichmassig arbeitet.
Das Verstandnis des Aufbaues vom Nervensystem
ist durch folgende Untersuchungsmethoden gefordert
worden :
I. Die Anleguncr von Serienschnittreihen durch das
normale, entwickelte Organ des Menschen und
deren Rekonstruktion (Stilling, Meynert etc.), nach
verschiedenartigcr Farbung.
— 195 —
2. durch die Untersuchung pathologischer Falle,
besonders der sekundaren Degenerationen (Tiirck,
Waller etc.) ;
3. durch die vergleichende Anatomie und vergleich-
ende Embryologie (Meynert, Edinger u. A.);
4. durch die Entwicklungsgeschichte (Studium der
Markscheidenanlage etc.) (Kolliker, His, Flech-
sig etc.);
5. durch die Untersuchung experimentell gesetzter
Degenerationen (Gudden etc.)
Fiir die Tafeln des vorliegenden Atlas ist von
diesen Methoden nach Moglichkeit Gebrauch gemacht.
Verzeichnis der bei den Abbildiuiiren
gebrauchten Abkurzungen.
a. anterior
A. b. Arteria basilaris
A. c. c. Arteria corp. callos,
a. 1. ansalentiformis(Linsenkern-
schlinge)
a. d. absteigende Acusticus-Wurzel
A. S. Aquaeduct. Sylvii
A. f. S. Arter. fossae Sylvii
A. V. arteria vertebr.
a. V. arcus vertebrae
B. Brachium (spez. Bindearm des
Kleinhirns, proc. cerebelli
ad Corp. quadrigem.)
Bulb. olf. Bulbus olfactorius
c. conarinm (Zirbeldriise)
C. a. Cornu anterior (Riickenmark)
c. a. Commissura ant. (Riicken-
mark u. Gehirn)
c. a. cornu ant. (Seitenventrikel)
c. Am. cornu Ammonis
Cb. Cerebellum und Kleinhirn-
seitenstrangbahn im Riicken-
mark u. Medulla obi.
c. c. corpus callosum, Balken
c. c. corpus candicans
c. e. capsula externa
cerv. cervicalis
c. g. 1. corp geniculat. laterale
c. g, m. ,, ., mediale
Ch. Chiasma
C. i. Carotis interna
c. i. a. vorderer 1 Schenkel der
c. i. p. hinterer j inner. Kapsel
c. L. Luys'scherKorper (c. sbth )
CI. Clarke'sche Saule
CI. Claustruni (Gehirn)
c. m. commissara media
C. p. cornu post. (Riickenmark)
cornu post. (Ventrikel)
commissura post.
a vorJerer 1 „■ i .. i
, . ^ Vierhugel
a. hinterer J *=*
corpus restiforme
sbth. corp. subthalamicum
St. corpus striatum
c. t. centrale Haubenbahn
c. tr. corp. trapezoides
cun. cuneus
C. V. Centrum semiovale
Vieussenii
d. dura mater
D. Br. Bindearmkreuzung
Dec. Pyr. Pyramidenkreuzung
Ea R. Entartungsreaktion
f. fornix
f. a. Vorderstrangrest
f. a. e. fibrae arcuatae e.xternae
f. a. i. fibrae arcuatae internae
f. al. Vorderseitenstrangrest
f. B. Burdach'scher Strang
f. c. fissura calcarina
f. d. fornix descendens
f. G. Goll'scher Strang
Fl. flocculus
fl. seitl. Grenzschicht
■ ' > hinteres Langsbtindel
f. p. Ilinterstrang
F. rhomb. Rautengrube
f. S. fossa Sylvii
197 —
gi.
g
G. Gowers'scher Strang
g. ang. g>TU3 angnlaris
g. cent, gyri centrales
g. fr. gyrus frontalis
H. gyr. Hippocampi
p. globus pallidus
(innere Linsenkernglieder)
1. 1 . , laterale
Corp. <7enicul. ,. ,
m. J ^ ^ mediale
o. gyrus occipitalis
G. o. Gretiolet'sche Sehstrahlung
g. s. m. gyr. supramarginalis
g. t. gyr. temporalis
K. Raphe der Haube
L. Lissauer'sches Feld
L. Linsenkern
1. lateral
L. pc. lobus paracentralis
m. medial
M. ob, Medull. oblongata
n, nodulus
N. am, nucleus amygdalae
N. B. nucleus Burdach
n. c. nucleus caudatus
n. f. a. nucleus arciformis
N. G. nucleus Goll
n. VIII d dorsaler 1 Acusticus
n. VIII V ventraler J Kern
n. r. nucleus ruber
0. Olive (untere, grosse)
01. m. mediale Nebenolive
ol. p, hintere Nebenolive
ol. s. obere Olive
p. pia
p. posterior
Ped. Pedunculus, Hirnschenkelfuss
PI. ch, plexus chorioideus
Pulv. pulvinar
Put. putamen
Py. Pvramidenbahn
q. a. vorderer ,,. , .. ,
^ V ■ , Viernugel
q. p. hinterer j '^
R. Raphe der Haube und Briicke
r. a. vordere Wurzel
R. c. ramus arteriosus communicans
r. p. hintere Wurzel
R. subth. regio subthalamica
S. a. Sulcus longitud. ant,
s. solitar Biindel (abst. IX., X.
AVurzel)
S. g. Substantia gelatinosa
Hinterhorn
S. n. Substantia nigra
S. p. Sulcus longit. post,
s. p. Septum pellucidum
S. r. t. Substant. reticul, tegm.
str. s. (m. i), obere (mittl, etc.)
Schicht
St. a. striae acusticae
t. taenia thalami
T. teg. Tegmentum, Haube
Th. Thalamus opticus
tr. o. Tractus opticus
trig. olf. trigonum olfactiv.
U uvula (VVurm)
unc. uncus (gyr. Hyppocampi)
V. ventriculus (lat., med., Ill)
V. IV. vierter Ventrikel
,^ I (s)vermis, Kleinhirn-Hoberer)
i (i) wurm J (unterer)
V. Wirbelkorper
V. m. a. velum medull. ant. (mit
Lingula)
z. r. Wurzelzone
V c. caudale, absteig. Trigemin.
Wurzel
V m, motorischer Trigem. Kern
V n. nasaleaufsteig. Trig. Wurzel
V s. sensibler Trigem.-Kern
VIII c. N. cochlearis . . .
VIII v. N. vestibularis ' ^^ustici
Literaturverzeichnis.
Zu einem eingehenden Studium der Neuroloo;ie sind folgende
Werke u. a. zu empfehlen. Die angeftihrten sind auch vom Ver-
fasser filr den Abriss mit benutzt worden.
I. Anatomic,
Lehrbiicher von K o e 1 1 i k e r (Gewebelehre) , H e n 1 e , H o f m a n n-
Schwalbe, Rauber, (xcgenbaur ii. A.
Monographieen von Flechsig (Leitungsbahnen , Plan des menschl.
Gehirns) Lenhossek (feinerer Aiifbau), Edinger 1^12 Vorlesungen),
V. Ge huchten (Gehirnanatomie), Bechterew (Leitungsbahnen),
Obersteiner (Anleitung z. Stud, der nervoseu Organe), die
Werke von Meynert,Gudden,Hisu. A.
2. Phy sioloffie und Pathologic.
Charcot (Vorlesungen), Erb (Eleklrotherapie , Ruckenmarkskrank-
heiten in Ziemssens Handbuch, XI, Band), v. Striimpell (Lehr-
buch). Ley den (Klinik), Wernicke (Gehirnkrankheiten), Go wers
(Nervenkrankheiten), Seel igm iil 1 e r (Lehrbuch\ P. Marie (Vor-
lesungen), Liebermeister (Vorlesungen), Eulenburg (xVrtikel
,, Nervenkrankheiten'' in der Encyclopadie) , Mendel (Artikel
,,Gehirn" , ebenda), Oppenheim (Lehrbuch) , Hirt (Lehrbuch),
Leube (Diagnostik) , die Werke von Westphal, Kussmaul,
Nothnagel, Munk, Hitzig, Ferrier und vielen anderen.
Axiflage 34=00.
Redacteur: Landwehrstrasse 70.
"'■■ t;ut:fe t" M U N C H E N E R y, ^^„^„^
MEDICINISCHE WOCHENSCHRIFT
(ARZTLICHES INTELLIGENZBLATT)
ORGAN FUR AMTLICHE UXD PRAKTISCHE ARZTE.
Herausgegeben von
Dr. Bollinger, Dr. Gerhardt, Dr. v. Heineke, Dr. G. Merkel,
Dr. Michel, Dr. H. v. Ranke, Dr. v. Schleiss, Dr. v. Winckel,
Dr. V Ziemssen.
Die Miinchener medicinische Wocheuschrift bietet, unterstiitzt
durch bervorrageDcle Mitarbeiter, eine voUstandige Uebersicht iiber
die Leistiingeu und Foitscbritte der gesamten Medicin, sowie iiber
alle die Interessen des arztlicben Standes beriibrenden Fragen.
Sie erreicbt dies in erster Linie durch zahlreiche wert voile
Originalarbeiten.
Die .Miint-b. medicin. Wochenschrift bringt ferner Referate und
Besprechungen aller wichtigen Erscbeinungen der niedicinischen
Literatur, sowie Bsrichte iibei die Verhandluugen der bedeutenderen
jirztlicben Congresse und Vereine. Durch die Vollstandigkeit und
Proraptbeit ihrer Berichterstattuug zeicbnet sicb die Miinchener
raed. Wocbenscbrift vor alien auderen medtcinischen Blattern aus.
Mitteilic7igen aus der Praxis^ Feuilletons, therapeutische und
tagesgeschichtUcke Notizen, Universitdts- und Personal-Nachrickteii^
drztl. Vacanzen etc. geben ferner dem Inbalte der Miinchner med.
Wocbenscbrift eine uniibertroffene Vielseitigkeit.
Eine Gratis-Beilage zur Mtinch. med. Wochenscbr. bildet die
„Galerie hervorragender Aerzte und Naturforscher"; bisber er-
schienen die Portrats von Koch, v. JSTussbaum, Lister, t. Petten-
kofer. Pasteur, v. Naegeli, v. Gudden, v. Scanzoni, v. Helmholtz,
Virchow, v. Volkmann, v. Seitz, v, Briicke, v. Baer, v. Kolliker,
Thiersch, Crede, Heineke, v. Langenbeck, Graf, Biermer, Billrotb,
J. R. V. Mayer, v. Esmarsch, Hirsch, Du Boi-Reymond, Bollinger,
Moleschott, Ludwig Winckel, G. Merkel, Cbarcot, Cramer, Semmel-
weis, Andrew Clark, Kaltenbach, Ernst Haeckel, Lticke, Guido Bac-
celli, Brown-Sequard, Joseph Hyrtl, Alexander Schmidt, M. J. Ross-
bach, Tb. Tbierfelder , Kiilz, v. Zenker, H. v. Ziemssen, Loffler,
Behring, Carl Ludwig.
Die Miinch. med. Wocbenscbrift hat ibren Abonnentenkreis in
Zeit von 4 Jahren mehr als verdoppelt (Aufll. z. Z. 3400) und tag-
lich dehnt sicb der Leserkreis noch aus, was wohl der beste P.e-
"weis fiir die Gediegenheit des Blattes ist. Ihr Preis betragt franco
unter Band 6 M., Bestellungen nimmt der Verleger wie alle Buch-
handlengen und Postamter entgegen.
Probenummern stehen gratis und franco zur Verfiignng.
%f, F* Lehmamt's Verlag,^
Milnchen, LcDidicehrstr. 70
Verlag von J. F LEHMANN in MUNCHEN.
Lehmann's medic. Hand-Atianten
Band I:
Atlas uud Griindriss
der
urn 111 (jeiiiiFisa
und der operativen
Cr oT> iir'ti5»liiilf e
dargesteilt
in 126 Tafeln in Leporelloart
mit Luizem erlautern den Text
von
Dr. O. Schaffer,
Privatdozent an der [niversilat Heidelberg.
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ausgefiihrte Bilder.
3. ganzl. umgearb. Aufl.
Preis elegant geb. M. 5.—.
Verkleineite, im Atlas farbig gedruckte
Abbildung.
Urteile der Presse:
Zeitschrilt fiir arztliclie Landpraxis. Die Verlagshandluog
beabsichtigt, eine Reihe medicinischer Tascheuatlanten erscheinen zu
lasseu, die das Gesamtgebiet der JMedicin in klarer und ubersichtliclier
Weiso zur Anschauung bringen soil. Das ist in der That in deni vor-
liegcndcn Werke fiir den Geburtsakt vollstiindig geliingen, dasselbe
diirfte namentlich dem Anfanger in der Praxis oin willkommener
Fiihrer sein, der es iiim ermoglicht, sich mit eiuem Blick im gegebenen
Fallo rasch und griindlich zu oiientieren, nicht nur beziiglich der Dia-
gnose, sondern auch der einzuschlagenden Therapie. Bei naherer Durcli-
sicht der sehr sorgfaltig und verstandlich ausgefiihiten Zeicbniingen
wird man es begreiflich finden, dass die erste Auflage bereits nach
secbs Wochen vergi-iffen war. S^
Medico. Es liegt uns der erste Toil des ersten, die Gebui-ts-
hilfe umfassenden Bandcs vor. Derselbe zeigt in 126 wohlgelungenen
Tafeln, von Dr. 0. Schaffer's kundiger Hand entworfen, die Eut-
wickolung der verschiedenen Geburtslagen in iliren einzelnen Etappen.
Die Bilder fiihrcn die allmiililichen tjbergange der sich. entwiokelnden
Bewegung so instructiv vor Augen, dass os kavim des kurzgefassten
beigegeljenen Textes fiir das Verstiindnis bodurft Jiiitte. Deni prak-
tischon Arzte wird das Werkchen ebenso willkommen seiu, wie dem
iStudierenden. Mogen die folgenden Biinde alien Anforderuugen so
eutsprechen, wie der uns vorliegendc Band!
VerlagvonJ. F. LEHMANN itiMUNCHEN.
Baud II:
Atlas u. Grundriss der Geburtshilfe.
TI, Teil: Anatomischer Atlas der geburtshilflichen Dia-
gnostik und Therapie. Mit 145 farbigen Abbildungen unci
220 Seiten Text. Von Dr. 0, Schiiffer, Privatdozent an der
Universitat Heidelberg. Preis M. 8. — .
Der Band eBthalt : Eine Darstellung eines j e d e n normalen und -
path ol ogischen V organ ges der Scliwangerschaft und der Geburt , und
zwar fast ausschliesslich Originalieu und Zeichnungen nach anatomischen
Praparaten.
Der beschreibende Text ist so gehalten, dass er dem studirenden An-
fanger zunachst eine knappe, aber umfassende Uebersicht tiber
das gesamte Gebiet der Geburtshilfe gibt, und zwar ist diese Uebersicht
dadurch selir erleichtert, dass die Anatomie zuerst eingehend dargestellt
ist, aber unmittelbar an jedes Organ, jeden Organ teil, alle Veran-
derungeu in Schwangerschaft, Geburt, Woehenbett angeschlossen , und so
auf die kl inischen Beobachtungen, auf Diagnose, Prognose, The-
rapie eingegangen wurde- Stets Avird einVorgang aus deman-
dern entwickelt! Hierdurch und durch zahlreich eingestreute ver-
gleicheude und Zahlen-Tabellen wird die mnemotechnische Uebersicht sehr
erleichtert.
Fiir Ex am inan d en ist das Buch desshalb brauchbar, weil auf
Vollstandigkeit ohne jeden Ballast eine ganz besondere Riicksicht verwandt
worde. Fiir Aerzte, well die gesamte praktische Diagnostik und
Therapie mit besonderer Beriicksichtigung der U e ber sichtli chkeit
gegeben wurde, unter Hervorhebung der anatomischen Indicationsstellung ;
Abbildungen mehrerer anatomischer Prap:irate sind mit Riicksicht auf
fore use Beniitzung gegeben. Ausserdem entlialt das Buch Kapitel tiber
geburtshilfliche Receptur, Instrumentarium und Antiseptik.
Die einschlagige normal e und pathologische Anatomie ist
in einer Gruppe zusammengestellt einschliesslich der Pathologie der
Becken, die Mikroskopie ist erschopfend. nach dem heutigeu wissen-
schaftlichen Standpunkte ausgearbeitet.
Jede anatomische Besehreibung ist unmittelbar gefolgt durch die
daran anschliessenden und daraus resnltirenden physiologischen und klini-
schen Vorgange. Der Band enthalt somit niclit nur eineu ausserordentlich
reichhaltigen Atlas, sondern auchein vollstandiges Lehrbuch der Geburtshilfe.
Munchener viedicin. Wocheuschrift 1894 Nr. 10. Ein Atlas von ganz
hervorragender Schonheit der Bilder zu einem iiberraschend niedrigen
Preise. Auswahl und Ausfiihrung der meisten Abbildungen ist gleich an-
erkennenswert, einzelne derselben sind geradezu mustergiltig schdn. Man
vergleiche z. B. mit diesem Atlas den bekannten von Auvard; ja selbst
gegen fruhere Publicationen dcs Lehmaun' schen Verlags medieinischer
Atlanten bedeutet das vorliegende Buch eineu weiteren Fortschritt in der
Wiedergabe farbiger Tafeln. — Veifasser, Zeichner und Verleger haben sich
um diesen Atlas in gleicher Weise verdient gemacht — und ein guter
Atlas zu sein, ist ja die Hauptaufgabe des Buches.
Der Text bietet mehr als der Titel verspricht : er enthalt — abgesehen
von den geburtshilflichen Operationen — ein vollstandiges Compendium der
Geburtshilfe. Damit ist dem Praktiker und dem Studirenden Rechnung
getragen, welche in dem Buche ueben einem Bilderatlas auch das finden,
was einer Wiedergabe durch Zeichnungen nicht bedarf.
Das Werkchen wird wohl mehrere Auflagen erleben. Als Atlas be-
trachtet, diirfte das Buch an Schonheit und Brauchbarkeit alles iibertreflfen,
was an Taschen-Atlanten tiberhaupt und zu so niedrigem Preise im beson-
deren geschaffen wurde.
VerlagvonJ. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Band III:
Atlas unci Grundriss der Gynakologie.
In 6-i farbigen Tafeln mit erklarendem Text.
Von Dr. 0. SchafFer, Privatdozent an der Universitat Heidelberg.
Preis M. 10.—.
Der Text zu diesem Atlas schliesst sich ganz an Band II an
und bietet ein vollstandiges Compendium der Gynakologie.
Band IV:
Atlas der Krankheiten der Mundhbhle,
des Rachens und der Nase.
In 69 meist farbigen Bildern mit erklarendem Text.
Vou Dr. L. blriiiiAvald.
Preis elegant gebunden .)l. 6. — .
Der Atlas beabsiehtigt, eineSchule der s e miost ischen Dia-
gnostik zu seben. Daher sind die Bilder derart bearbeitet, dass die ein-
fache Schilderung der ans denselben ersichtlichen Befunde dem Beschauer
die Moglichkeit einer Diagnose bieten soil. Dem entsprecheud ist auch
der Text nicbts weiter, als -ilie Verzeichnung dieser Befunde , erganzt , wo
BOtwendig, durch anamnestiiohe u. s. w. Daten. Wenn demnach die
Bilder dem Praktiker bei der Diagnosenstellnng behilflich sein kdnnen,
lehrt anderseits der Text den Anfanger, wie er einen Befund zu erheben
und zu deuten hat.
Von den Krankheiten derMund- uud Rachenhdhle sind die
praktisch wichtigen samtlich dargestellt , wobei noch eine Anzahl selte-
nerer Krankheiten nicht vergessen sind. Die Bilder stellen moglichst Typen
der betreffenden Krankheiten im Anschluss an einzelne beobachtete P'alle dar.
Bei den rhinoskopischen Bildern wird ausserdem besonders die
Schulung des hier so schwierigen Sehens in der Perspective beriicksichtigt.
MUnrhencr medicin. Wochemchrift 1S94, iVr. 7. G. hat von der Leh-
mann ' schen Veilagsbuchhandlung den Aufirag iibernoraraen. einen Hand-
atlas der Mund-, Rachen- und Nasen- Krankheiten herzustellen, welcher
in knappester Form das fiir den Studire:iden Wissenswerteste zur Dar-
stellung bringen soil. Wie das vorliegende Biichelchen beweist, ist ihm
dies in anerkennenswerter Weise gelungen. Die meist farbigen Bilder
sind naturgetreu ausgefiihrt und geben dem Beschauer einen guten BegrifF
von den beziiglichen Erkrankungeu. Fiir das richtige Verstandnis sorgt
eine jedem Falle beigefiigte kurze Beschreibung. Mit der .Vuswahl der
Bilder muss man sich durchaus einveistanden erklareu, wenn man bedenkt,
welch" enge Grenzen dem Verfasser gesteckt waren. Die Farbe der Abbild-
ungen lasst l)ei raanchen die Beleuchtung mit Sonnenlicht oder wenigstens
einem wei.ssen kiinstlichen Lichte vermuteu, was besser besonders erwahnt
worden ware.
Der kleine Atlas verdient den Studirenden angelegentlichst empfohlen
zu werden , ziimal der Preis ein sehr miissiger ist. Er wird es ihnen er-
leichtern, die in Cursen und Polikliniken beim Lebenden gcsehenen Bilder
dauerud festzuhalten. Kilian- Freiburg.
VerlagvonJ. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Lehmann's medicin. Handatlanten.
Band T:
Atlas der Hautkrankheiten.
Mit 90 farbigen Tafeln und 17 schwarzen Abbildungea.
Herausgegeben von Dr. Karl Kopp,
Privatdoccnt an der Universitat Miinchen.
Preis elegant gebunden M. 10. — .
Urteile der Presse :
Allgemeine med. Centralzeitung Nr. 86. 1893.
Fiir keinen Zweig der Medicin ist die Notwendigkeit bildlicher Dar-
stellung im hoheren Grade vorhanden, als fijr die Dermatologie. Bei der
grossen Zahl von Dermatosen ist es ja nnmoglich , dass der Studirende
wahiend seiner nur zu kurzen Lohrzeit jede eiazelne Plautaftection auch
nur einmal zu sehen bekoinuit:, gesehweige denn Gelegenheit hat, sich ein-
gehend mit ihr vertraut zu machen. Nun ist es ja klar , dass Wortbe-
schreibungen von einer Hautaffection nur eine hochst anvollkommene
Vorstellung vermitteln konnen , es muss vielmehr bildliche Anschauung
und verbale Erliiuterung zusammenwirken , um dem Studirenden die cha-
rakteristischen Eigenscliaften der Afleotion vorzuliihren. Aus diesem
Grunde fiillt ein billiger Atlas der Hautkrankheiten eine wesentliche Liieke
der mediclnischen Literatur aus. Von noch grosserer Wichtigkeit ist ein
solches Buch vielleicht fiir den praktischeii Arzt, der nur eiuen Teil der
Affectionen der Haut wahrend seiner Studienzeit durch eigene Anscliauung
kennen gelernt hat, und doch in der Lage sein muss, die seiner Behand-
lung zugefiihrten Hautleiden einigermassen richtig zu beurteilen. Aus
diesem Grunde gebiihrt dem Verfasser des vorlicgenden Buches Anerken-
nung dafiir, dass er sich der gewiss nicht geringen Miihe der Zusammen-
stellung des vorliegenden Atlas unterzogen hat; nicht minderen Dank hat
sich die geehrte Verlagsbuchhandlung verdient, von der einerseits die Idee
zur Herausgabe des Buches ausging, und die anderseits es verstand, durch
den billigen Preis das Buch jedeua Arzte zuganglich zu machen. Was die
Ausfiihrung der Tafeln anbetrilft, so geniigt sie alien Anforderungen ; dass
mancho Abbildungen etwas sch(!matiscli gehalten sind, ist unserer Ansicht
nach kein Fehler, sondern erhoht vielmehr die Brauchbarkeit des Atlas
als Lehrmittel, der hiemit alien Interessenten aufs warmste empfohlen sei.
Literarisches Centralblatt.
.... Besonderes Gevvicht wurde neben bester Ausstattung auf einen
staunenswert billigen Preis gelegt, der nur bei sehr grosser Verbreitung
die Herstellungskosten zahlen kann. Jedenfalls hat die Verlagsbuchhand-
lung keine Kosten gescheut, um dasBeste zu bieten; der Erfolg wird auch
nicht ausbleiben. . Prof. Dr. G rase r.
VerlagvonJ. F. LEHMANNin M U N C H E N.
Lehmann's medic. Handatlanten.
Band VI:
Atlas der Gesclilechtskranklieiten.
Mit 52 farbigen Tafeln, 4 scliwarzen Abbildungen und 88Seiten Text.
Herausgegeben von Dr. Karl Kopp, Privatdozent an der
Universitat JMiinchen.
Preis elegant gebunden M. 7. — .
Der j'irztlichc Praktiker. Im Anschluss an den Atlas der
Hautkraukheiteu ist rasch der der Geschlechtskrankheiten von
demselben A^erfasser mit gleichen Vorziigen vollendet worden.
52 farbige und 4 schwarze Abbildungen bringen die charakter-
istischen Typen der sypbilitischen Hauteffloreszenzen zur Dar-
stellung, begleitet von einem kurzen beschreibenden Text. Nicht
ohne triftigen Gruud schickt der Autor den Abbildungen und
deren Beschreibungen einen gedrangten Uebersichtsartikel liber den
gegenwiirtigen Stand der Venereologie voraus. Denn gar manche
Anschauungen haben sich durcli die Forschung inzwischen ge-
andert, manche sind bis auf den heutigeu Tag noch streitig go-
blieben. Die beiden Atlanten bilden einen fiir die Differenzierung
der oft frappant ahnlichen Kilder spezifischer Natur unentbehr-
lichen Patgeber. J. S.
Zeitselirift fur arztliche Landpraxls 1893, Nr. 1. Im
Anschluss an den Atlas der Uautkraukheiton (besprochen in der
Dezembernummer 1893, S. 384) ist der vorliegende Atlas der
Geschlechtskrankheiten erschienen. Auch dieser Band wird dem
Praktiker ausserst willkonimcn sein , und in vollem Masse die
Absicht des Verfassers erfiilleu, eine zu jcdem der zahlreichen
Lehrbiicher passende, jedermann zugiingliche illustrative Erganzung
darzustellen und ein zweckmJissiges Unteistiitzungsmittel fiir den
Unterricht und das Privatstudium abzugebeu.
JMedico. Dor vorliegende 6. Band der Lehmann'schen medi-
zinischen Handatlanten, die wir bereits bei friiherer Gelegenheit
der Beachlung arztlichcr Kreisc cmpfohlen haben , briugt eine
Zusammenstellung von Cbromotafeln aus dem Gebiete der vene-
rischen Erkrankungen. Die Abbildungen sind im allgemeiuen
rccht gut gelungen und sehr instructiv; die wenigen Zeilen, die
als Text den Bildcrn beigegeben sind, reichen vollkommen aus,
da die Abbildungen selbst spreclion und weitliiufigere Erklarungen
iiberfliissig machen. Der Atlas bildet ein zweckmiissiges Unter-
stiitzungsmittel fiir den Unterricht sowohl, wie fiir das Privat-
studium und diirfte dem Arzto als Ergiiuzungswerk zum Lehr-
buch der gcschlechtlichen Krankheiton willkommcn sein, Der
Preis desselben betragt M. 7.—.
Veriag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Lehmann's medic. Handatlanten.
Band VII:
^tlas und Grrundriss
der
Ophthalmoscopie
und
ophthalmoscopischen Diagnostik.
Mit 5 Text- und 102 farbigen Abbildungen auf 64 Tafeln.
Von Professor Dr. O. Haab, Direktor der Augenkliiiik
in Ziiricl::.
Preis eleg. geb. M. 10. —
Urteile der Presses
Schmidt's Jahrbucher 1895, S. 211: E^idlich zuieder einmal eiti
Bitch, das fiir den praktixchen Arzt V07i wirklichern , datierndem Nittzen,
fiir den im Ophthalmoscopieren auch nur einigermassen Geiibten geradezu ein
Bediirfnis ist. Das Buch enthalt im I. Teil eine kurze vortreffliche Anleitung zur
Untersuchung mit dem Augenspiegel. Was der Mediciner wissen muss und was
er sich auch merken kann, das ist alles in diesen praktischen Regeln zusammen-
gestellt. Der 11. Teil enthalt auf 64 Tafeln die Abbildungen des Augenhinter-
grundes in normalem Zustande und bei den verschiedenen Krankheiten. Es sind
nicht seltene Falle beriicksichtigt , sondern die Formen von Augenerkrankungen,
die am haufigsten und unter wechselndem Bilde vorkommen. Der grossen Erfahrung
Haab's und seiner bekannten grossen GeschickUchkeit im Zeichnen ist es zu
danken , dass ein mit besonderen Schwierigkeiten verbundener Atlas in dem vor-
liegenden Werke in geradezu vorziiglicher Weise zustande kam.
(Latnho/er, Leipzig.)
Correspondenzblatt f. schweiz. Aerzte: Ein prachtiges Werk.
Die mit grosser Naturtreue wiedergegebenen Bilder des kranken und gesunden
Augenhintergrundes bilden eine vorziigliche Studie fiir den ophthalmologischen
Unterricht sowohl, als fiir die ophthalmologische Diagnose in der Praxis.
Eine vorzuffliche Erjjanzung' zu diesem Atlas bildet das:
Skizzenbuch
zur Einzeichnung ophthalmoskopischer Beobachtungen
des Augen-Hintergrundes
Von Professor Dr. 0. Haab,
Professor an der Universitat und Direktor der Augeiiklinik in Ziidch.
Preis gebunden M. 4. — .
Jeder Kaufer des Haab^schen Atlas wird auch gern das Skizzen-
buch erwerben. da er in diesem mit geringer Miihe alle Falle, die er
in seiner Pra.xis zu untersuchen hat, naturiretreu darstellen kann.
Verlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Lehmann's med. Handatlanten.
Bd. VIII.
Atlas und Grundriss der traumatischen
Fracturen u. Luxationen
mit 64 farbigen Tafeln nach Originalzeichnungen von
Dr. J. Trumpp
von
Professor Dr. H. Helferich in Greifswald.
Preis eleg. geb. Mk. 8.—
Auf 64 farbigen Tafeln werden samtliche Fracturen
und Luxationen , die fiir den Studierenden und Arzt von
praktischer Bedeutung sind, in mustergiltiger Weise zur
Darstellung gebracht. Jeder Tafel steht ein erklarender Text
gegeniiber, aus dem alles Nahere iiber die anat. Verhalt-
nisse, Diagnose und Therapie ersichtlich ist.
Ausserdem enthalt der Band ein vollstandiges Com-
pendium der Lehren von den traumat. Frakturen und Luxa-
tionen. Wie bei den Bildern , so ist auch im Texte das
Hauptgewicht auf die Schilderung des praktisch Wichtigen
gelegt, wahrend Seltenheiten nur ganz kurz behandelt
werden.
Das in der Praxis entstandene Buch will dem Studie-
renden und Praktiker ein zuverlassiger Fuhrer sein , der
es ihm durch Bild und Wort ermoglicht, sich in kurzester
Zeit eine richtige Vorstellung der betreffenden Verletzung
zu machen. Zur Vorbereitung fiir das Examen ist das Buch
vorziiglich geeignet.
Der Preis ist in Anbetracht der prachtigen, in Farbendruck
ausgefiihrten Bilder ein ganz aussergewohnlich niedriger.
Vo7i dicscm Bande crschtcncn Ubcrsetzujig'en in
engUschcr^ franzosischcr^ ztah'em'sc/icr, russiscJicr und
spam'scher Sfrache.
Yerlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Die typischen Operationen und
ihre Uebungen an der Leiche.
Kompendium der chirurgischen Operationslehre.
Vierte erweiterte Auflage.
Yon Oberstabsarzt Dr. E. Rotter.
394 Seiten. Mit 115 lUustratiouen. Elegant gebd. Mk. 8—.
Die Miinchenep medic. Wochenschrift schreibt: Nachdem erst
vor relativ kurzer Zeit die 2. Anfiage des Rotter 'scheu Buches
hier besproclien wurde, liegt — der beste Beweis fiir die allge-
meine Anerkennung der Vorziige des Werkchens — schon die
4. Anflage vor. Die klare Anorduung des Stoffes, die kiirze
pracise DarstelluDg der versehiedeneu Operationen, die sich
sowohl von einer zu cursorischen Behandluug , als einem zu
detaillirten , in Kleinigkeiten sich verlierenden Ausfiihren feme
hiilt, neben der topoiiraphisclien Anatoraie, den speciell bei dem
Eingriff zu beriicksiehtigenden I\Iomenten, doch geniigend anf
Modificatiouen, Indication, statistische Verhaltnisse eingeht, und
dadurch die Lectiire zu einer wesentlich interessanteren macht,
lasst (wie die Aufnabme zeigt, das Werk nieht nur fiir den
studirenden, an der Leiche iibenden Arzt, sondern auch fiir den
praktisch thatigen Collegen, speciell den Feldarzt ein treffliches
Hiilfsbuch sein. Die klaren hiibscheu Holzschnitte in anschau-
licher Grosse und reicher Zahl eiugefiigt , erhohen die Brauch-
barkeit des Biichleins weseutlich ; ebenso wird die Anfiihrung
einer Reihe anscheinend kleiuerer Momente, Verbesserungen etc.,
wie z. B. fiir den Feldgebrauch angegeben wurdeu , sowie eine
Reihe von Ratschlagen hierin competenter Autoritaten, speciell
von Nussbaum's von vielen sehr geschatzt werden.
Referent zweifelt nicht, dass das Werkchen, das die neuesten
Operationen und operativen Modificatiouen vollig beriicksichtigt
und somit durchaus auf moderuem Standpunkt steht. zu seineu
bisherigen Freunden sich noch zahlreiehe neue erwerben wird.
Die hlibsche Ausstattung macht das Buch auch ausserlich zu
einem sehr handlichen. Ein ausfiihrliches Autoren- und Sach-
register ist nicht minder als Yorzug anzuerkennen. Schreiber.
Verlag von J. F. LEHMANN in MUNCHEN.
Grundzuge der Hygiene
von Dr. W. Praiisnitz. Prof, an der Universitat Graz.
Fiir Studicreiidc an LjiiverjsHateii mid teehnisclien Hocliscliulen,
Aerzte, Arcliitoktcji iind Iiiseiiieure.
Z w e i t e v e r m e h r t e u n d e r w e i t e r t e A u f 1 a g e.
Mit 192 Original-Abbildungen. Preis broch M. 7. — , geb. A 8. — .
Vereinsblatt der pfalz. Aerzte, 1892, Nr. 2. Das neue Lehr-
buch der Hygiene ist in seiner kurz gefassten, aber pracisen Dar-
stellung v^orwiegend geeignet zu einer raschen Orientirung iiber
das Gesamtgebiet dieser jungen Wissenschaft. Die flotte, iiber-
sichtliche Darstellungsweise, Kiirze und Klarheit, verbunden mit
selbststandiger Verarbeitung und kri-
tischer Wiirdigung der neueren Mono-
graphien und Arbeiten, Vermeidung
alles unnotigen Ballastes sind Vor-
ziige, die gerade in den Kreisen der
praktischen Aerzte und Studenten,
denen es ja zur Vertiefung des Stu-
diums der Hygiene nieist an Zeit ge-
bricht, hoch geschatzt werden.
Fortschritte d. Med. 1892, No. 9.
Der Autor hat es versucht , in d=in vor-
liegenden Buche auf 473 Seiten in moglichster
JCiirze das gesamte Gebiet der wissenschaft -
lichen Hygiene so zur Darstellung zu bringen,
dass diese fiir die Studireuden die Moglichkeit
bietet, das in den hygienischen Vorlesungen und
Cursen Vorgetragene daraus zu erganzen und
abzurunden. Das Buch soil also einein viel
gefiihlten nud oft geausserten Bediirfnisse nach
einem kurzen Leitfaden der Hygiene gerecht
werden.
In der That hat Prausnitz das vor-
gesteckte Zicl in zufriedenstellender
Weise erreicht. Die einzelnen Ab-
sch/iitte des Buches sind alle mit
g-leicher Liebe behandelt^ Feststehen-
des ist kurz und Mar tviederi^e^eben^
Controversen sind xwrsichtii^ darge-
siellt und als solche ffekennzcichnet ;
^^'^ ~"-~ — — • " " selbst die Untersuchungsmethode?i sind
J. '^ knrz und mit Ausivahl skizziert und
das Ganze mit schematischcn^ scknell
orientierendcn Zeich?iungen zvjcckmdssiif illustriert. Referent ivdre
vollkommen zufrieden^ kihiftig konstatieren zu konnen^ dass die von
ihm examinierten Siudierenden der Medicin den Inhalt des Bitches
aufgejiommen — und auch verdaut haben.
Halle a. S. Renk.
Verlag vonJ. F. LEHMANN in MUNCHEN
BekrlsMllliclie Tascien-Pliantoiiie.
Von Dr. K. Shibata.
Mit einer Vorrede von Prof. Dr. Frz. von Winckel.
18 Seiten Text. Mit 18 Text-Illustrationen, zwei in alien Gelenken
beweglichen Friicliten unci einem Becken.
Diitte, vielfach vermehrte A ullage. la Leinwand gebuuden M. 3- — .
Vermittelst dieses genial construierten Phantomes konnen alle
bei der Geburt vorkommenden Lagen gebiidet werden. Es bildet
soniit eine vorziigliche Erganzung zu jedem Lehrbuch der Ge-
burtsbilfe.
Bibliothek mediciiiischer Klassiker.
Bd. 1. Herausgogeben von Medicinalrat Dr. J. Chr. iluber.
Soranus von Ephesus.
(Geburtshilfe, Frauen- iind Kinderkrankheiteu , Diatetik der Neu-
geborenen) iibersctzt von Dr. H. Liineburg. Kornmentirt und mit
Beilagen versehen voq Dr. J. Ch. Hnber. 160 Seiten Text.
Freis it. 4.—.
Annalen der Stadtischen Allgemeinen Krankenhauser
XTL lyrii lie lion.
Im Verein mit den Aerzten dieser Anstalten herausgegeben
von Prof. Dr. von Ziemssen,
Director des Stadt. Allgem. Krankenhauses 1/1.
Band VI. 1890-92. 477 Seiten mit 19 Abbildungen. Preis M. 10.—
Band VII. 1893. 366 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis M. 10.—
Diese Bande erschienen in wesentlich veranderter Form.
Wahrend friiher die statistischen Tabellen den Hauptinhalt bildeten,
enthalten diese Bande vorzugsweise allgemein interessirende casu-
istische Beitrage und lehnen sich in ihrer Einrichtung ganz an
die Cha rite- Annalen an.
Ver'"-
von D
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES
. j:_„4.^rJ l^ploW. or 2
with the Librarian m charge. _^^^^
All
des vorliegenat- 28 ((
den Stndirendei '
Werk darbietet, „ .v«um aiies wesentliche klar und
anschaulich zusammentasst. Einen besonderen Schmuck des Buches bilden die
zahlreichen , in moderner Manier und zum Teil farbig ausgefiihrten Abbildungen,
Wir konnen das Werk alien Interessenten nicht dringend genug empfehlen.
Verlag von J
vergleiclj
Profi
Lieferung
Lieferung
Das ganj
gelangeu 1 — 2
Jedes I
.i-l Abo]
DieKo
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20 Se
r- I r 1 1 ■« A at Ai : „ M 1 1 II P U C M
f^' r^Jf'
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die norr
Yei
des Schadel^rundes urid seiner G-iuben
von
Dr. 0. Schatfer,
Privatdocent a. d. Uuiversitat Heidelberg.
4''. 1893. 54 S. mit 50 Abbildungeu uud Tabollen A 7.
Mn\/ \\{) U^'^